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65 Jahre später

Zeitzeugen des „Hamburger Feuersturms (1943)“ im lebensgeschichtlichen Interview

65 years later

Witnesses of the Hamburg Firestorm (1943) in biographical interviews

  • Originalarbeit
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Forum der Psychoanalyse Aims and scope

Zusammenfassung

Die langfristigen psychischen Folgen des Zweiten Weltkriegs über die Generationen hinweg stellen ein zentrales psychoanalytisches Forschungsthema dar. Dabei ist eine interdisziplinäre Herangehensweise unverzichtbar. Im Projekt „Zeitzeugen des Hamburger Feuersturms (1943) und ihre Familien“ werden die langfristige Verarbeitung der Bombenangriffe vom Juli 1943 in Hamburg und ihre familiäre Tradierung in einer interdisziplinären Zusammenarbeit von Psychoanalytikern und Historikern untersucht. Die vorliegende Arbeit berichtet von den Befunden aus lebensgeschichtlichen Interviews mit 64 Zeitzeugen, 34 Frauen und 30 Männer mit einem mittleren Alter von 75 Jahren, die als Kinder oder Jugendliche dem „Hamburger Feuersturm“ von 1943 ausgesetzt waren. Sie wurden mit einem semistrukturierten Interview untersucht. Eine „nacherzählend gedeutete Verarbeitungsgeschichte“ und das Interviewtranskript waren die Ausgangspunkte für eine typologische Ordnung durch die Forschungsgruppe, die zu insgesamt 9 prototypischen Fällen führte. An diesen Fällen lassen sich neben psychostrukturell-biografischen Verläufen auch mentalitätsgeschichtliche und kulturgeschichtliche Traditionslinien reflektieren. Insgesamt sieht die Untersuchungsgruppe ihr Erleben im Hamburger Feuersturm als sehr wichtig und oft zentral im Lebensverlauf an. Die Analyse der Verarbeitung im Lebensverlauf muss die Gestaltung des Lebensschicksals beim Kriegsende und den so genannten Aufbaujahren historisch adäquat berücksichtigen. Die Untersuchungen stoßen auf großes Interesse der damaligen „Kriegskinder“.

Abstract

Research on the long-term emotional impact of World War II experiences is an important psychoanalytical issue and requires an interdisciplinary approach. In the project: “Witnesses of the ‘Operation Gomorrha (Hamburg Firestorm)’ (1943) and their families” long-term processing of and coping with war experiences of former children and adolescents are investigated by historians and psychoanalysts. A sample of 64 witnesses (34 women, 30 men, average age 75 years) and their families was recruited and investigated by semi-structured interviews. The interviews were analyzed by methods of “renarrated and interpreted history of coping” and group analysis against the background of historical, psychological and cultural approaches. A total of nine prototypical cases give insight into different biographically determined representations of the “Firestorm” and the conjunction with socio-cultural processes. Analysis of coping over the life-time has to take life experiences after the war and during the time of rebuilding into account. The research project attracts much interest among the former “war”-children.

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Abb. 1

Notes

  1. Wir danken Sabine Börsch, Sabine Cassel-Bähr, Antje Haag, Miriam Haagen, Paul Keibel, Brigitte Niemann, Birgitta Rüth-Behr, Ursula Sassenberg, Angelika Steiner, Ulrich Stuhr, Ulrich Wirth.

  2. Die anonymisierten Transkripte der Interviews stehen in der „Werkstatt der Erinnerung“ der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (Leiterin Dr. Linde Apel) nach Abschluss des Projekts für weitere Forschungsarbeit zur Verfügung.

  3. In der Vorbereitung der Untersuchung hatte sich eine methodische Differenz ergeben. Die Historiker, der Tradition der „oral history“ verpflichtet, sahen ihre Hauptaufgabe im Interview, Erzählungen zu generieren. Die Psychoanalytiker gingen „konstruierender“ vor, hatten mehr die interpersonalen Beziehungen sowie die Prozesse der psychischen Repräsentation und der Affekte im Fokus ihrer Aufmerksamkeit und bezogen das eigene Interviewerleben systematischer ein. Nach dem überwiegenden Eindruck der Beteiligten führten die Zweitinterviews zu einem noch etwas schärferen Bild, ohne dass sich dabei grundsätzlich Neues oder ganz Anderes ergab.

  4. Wahrscheinlich haben Historiker und Psychoanalytiker einen unterschiedlichen Erlebnis- und Erinnerungsbegriff.

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Das Projekt wird durch die Gerda-Henkel-Stiftung in Düsseldorf, die Köhler-Stiftung in Essen und die Werner-Otto-Stiftung in Hamburg gefördert. Darüber hinaus erfährt es Unterstützung durch Mittel des Forschungsfonds der International Psychoanalytic Association.

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Lamparter, U., Holstein, C., Thießen, M. et al. 65 Jahre später. Forum Psychoanal 26, 365–387 (2010). https://doi.org/10.1007/s00451-010-0053-5

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