Zusammenfassung
Postoperative Wundheilungsstörungen nach herzchirurgischen Eingriffen sind selten, stellen aber dennoch in der Behandlung herzkranker Patienten ein Problem dar. Die Therapie ist oftmals zeitintensiv, für den Patienten belastend und nichtselten mit erheblichen Mehrkosten verbunden. Tiefe thorakale Wundheilungsstörungen mit und ohne Infektion weisen zudem eine erhöhte Mortalität auf. Aus diesen Gründen ist ein optimiertes Wundmanagement in der Behandlung solcher Wundheilungsstörungen zwingend erforderlich und sollte von jedem, der an der Behandlung dieser Patienten beteiligt ist, praktiziert werden können. Die Mitbehandlung von chronischen Wunden, die bei diesen Patienten oftmals notwendig ist, muss ebenfalls von herzchirurgisch tätigen Ärzten beherrscht werden. Der vorliegende Beitrag gibt eine Handlungsanleitung zum Vorgehen bei für die Herzchirurgie typischen Wunden. Strategien des modernen Wundmanagements werden diskutiert und moderne Wundversorgungssysteme in ihrer Anwendung erklärt.
Abstract
Postoperative wound healing disorders after cardiac surgery are rare but nevertheless represent a problem in the treatment of patients with cardiac diseases. Therapeutic approaches to wound healing disorders are often time-consuming and stressful for the patient and are often associated with significantly increased costs. Deep thoracic wound healing disorders with or without infections are associated with increased mortality; therefore, optimized concepts of wound healing treatment are absolutely necessary and should be practiced by everybody who is involved in the treatment of these patients. The simultaneous treatment of other chronic wound disorders, which is often necessary in these patients, must also be mastered by cardiac surgeons This article outlines specific concepts to treat typical wound healing disorders after cardiac surgery. Moreover, the different strategies of modern wound healing concepts are discussed and the application of modern wound therapy systems is outlined.
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Interessenkonflikt
R.-U. Kühnel gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine vom Autor durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
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Worauf sollte bei der Behandlung von Wunden unter Umsetzung des modernen Wundmanagements besonders geachtet werden?
Wunden sind ein lokales Problem, das durch die heute zur Verfügung stehenden modernen Wundauflagen gut beherrschbar ist.
Die Verbandwechselintervalle sind unter modernen Wundauflagen gewöhnlich kürzer als bei Anwendung klassischer Verbandsstoffe.
Bei insulinpflichtigen Diabetespatienten ist die Wundheilung oftmals eingeschränkt. Deshalb sollten hier nur textile Verbandsstoffe mit kurzen Verbandwechselintervallen zum Einsatz kommen.
Wunden sind ein multifaktorielles Problem und sollten unter interdisziplinärer Zusammenarbeit behandelt werden.
Eine orale Medikamenteneinnahme des Patienten spielt im Zusammenhang mit dem modernen Wundmanagement keine Rolle.
Welche Prinzipien gelten bei der Desinfektion und Spülung offener Wunden?
Desinfektionsmittel mit Alkoholanteil sollten wegen der guten Verträglichkeit bevorzugt zur Anwendung kommen.
Der Einsatz von Antiseptika kann auch problemlos über einen Zeitraum von mehr als 6 Wochen erfolgen.
Angebrochene Lösungen zur Wundbehandlung sollten zur Verlängerung ihrer Haltbarkeit im Kühlschrank gelagert werden.
Infizierte Wunden können alternativ auch mit Ringer- oder 0,9%iger Kochsalzlösung behandelt werden.
Körperwarme Lösungen sollten bevorzugt zum Einsatz kommen.
Wann muss ein Wunddébridement vorzugsweise erfolgen?
Ein ausgedehntes Wunddébridement muss bei jedem Verbandwechsel erfolgen, unabhängig von der Wundheilungsphase der Wunde.
Ein Wunddébridement ist insbesondere in der Initialphase der Wundbehandlung wichtig, um Beläge und Nekrosen zu entfernen.
Ein gründliches Wunddébridement muss in regelmäßigen Abständen, jedoch im Regelfall vorzugsweise chirurgisch erfolgen.
Mehrfache chirurgische Wunddébridements unter Operationsbedingungen sind bei infizierten Wunden nicht erforderlich.
Chirurgische Wunddébridements können jederzeit auch unter unsterilen Bedingungen auf der Station durchgeführt werden.
Was gilt es zu beachten, wenn eine Wunde von der Reinigungs- in die Granulationsphase wechselt?
Es kommt zu einer vermehrten Geruchsbildung der Wunde und einer Mazeration des Wundrands.
Die Sekretion ist rückläufig; es zeigen sich weniger Beläge, dafür aber eine zunehmende Granulation.
Wegen zunehmender Sekretion der Wunde muss auf eine Wundauflage mit erhöhter Aufnahmefähigkeit gewechselt werden.
Die lokale Anwendung von Antiseptika im Rahmen des Verbandwechsels sollte in aller Regel fortgeführt werden.
Zur Kontrolle der Granulation sollten die Verbandwechselintervalle verkürzt werden.
Warum besitzt ein Großteil moderner Wundauflagen eine Silikonbeschichtung?
Silikonbeschichtungen sind antimikrobiell wirksam.
Diese Beschichtungen ermöglichen einen atraumatischen Verbandwechsel.
Beschichtungen aus Silikon sind sehr saugfähig und daher Bestandteil des Flüssigkeitsmanagementsystems der Wundauflage.
Silikonbeschichtungen ermöglichen ein Gleiten der Wundauflage auf der Wunde. Dadurch werden Arrosionsblutungen verhindert.
Silikonbeschichtungen geben aktiv Substanzen in die Wunde ab, die die Wundheilung positiv beeinflussen.
Worin liegen die Vorteile moderner Wundauflagen im Vergleich zu klassischen Verbänden?
Moderne Wundauflagen sind leicht anzuwenden und oft kostengünstiger als textile Verbandsstoffe.
Moderne Wundauflagen schützen die Wunde vor Auskühlung und schaffen das optimale Milieu zur Wundheilung durch das Flüssigkeits- und Exsudatmanagement.
Moderne Wundauflagen machen ein Wunddébridement überflüssig.
Alle modernen Wundauflagen haben eine sehr hohe Sekretaufnahmekapazität.
Moderne Wundauflagen sind länger haltbar als klassische textile Wundauflagen.
Welche Prinzipien und Funktionsweisen gelten für die Anwendung der Negativdrucktherapie?
Ein Negativdruckverband reduziert die Durchblutung in der Wundumgebung und muss deshalb regelmäßig gewechselt werden.
Die Negativdrucktherapie entfernt Wundsekret, regt die Granulation an und stabilisiert die Wunde mechanisch.
Bei infizierten Wunden ist unter einer Negativdrucktherapie keine systemische Antibiose erforderlich.
Bei Verwendung mehrerer Wund-Dressings kann im Rahmen des Wechsels das dem Wundgrund aufliegende Dressing zur Vermeidung von Blutungen verbleiben.
Die Sogstärke hat keinen Einfluss auf die Durchblutungssituation der Wunde.
Was ist bei der Anwendung der Negativdrucktherapie am Herzen, an großen Gefäßen und ähnlich empfindlichen Strukturen zu beachten?
Die Sogstärke der Therapieeinheit sollte generell reduziert werden.
Polyurethanschwämme sollten möglichst großflächig auf empfindliche Strukturen aufgebracht werden, um lokale Arrosionen zu vermeiden.
Empfindliche Strukturen müssen im Rahmen einer Negativdrucktherapie mithilfe eines Polyvinylalkoholschwamms, Silikon-Layer oder Ähnlichem geschützt werden.
Bevorzugt ist ein intermittierender Therapiemodus zu wählen, um eine beschleunigte Granulation zu erzielen.
Um Arrosionsblutungen zu vermeiden, sollten die Wechselintervalle einer Negativdrucktherapie auf mindestens 5 Tage verlängert werden.
Sie werden als diensthabender Arzt darüber informiert, dass ein Patient mit tiefer thorakaler Wundheilungsstörung und laufender Unterdrucktherapie akut frisches Blut im Sammelbehälter des Systems hat. Wovon müssen Sie ausgehen?
Der Patient steht unter dualer Plättchenaggregationshemmung, deshalb ist diese Situation als normal zu werten.
Der Patient kann eine akute Arrosionsblutung aufweisen. Eine sofortige Systemkontrolle muss erfolgen bzw. ein Systemwechsel kurzfristig durchgeführt werden.
Es handelt sich um einen Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung und starken Hustenattacken. Darunter kam es bereits in der Vergangenheit zu derartigen Blutungen; weitere besondere Maßnahmen sind deshalb nicht erforderlich.
Eine derartige Blutung ist eher gering und unbedeutend. Das System kann, wie geplant, am Folgetag routinemäßig gewechselt werden.
Frisches Blut im Sammelbehälter des Systems ist im Rahmen einer Unterdrucktherapie völlig normal und bedarf keiner weiteren Maßnahmen.
Warum sollte bei tiefen sternalen Wundinfektionen das gesamte Naht- und Osteosynthesematerial entfernt werden?
Verbleibendes Osteosynthesematerial verhindert die optimale Wirkung der Vakuumtherapie.
Verbleibendes Metall oder Nahtmaterial erschwert die Beurteilung der Wundsituation.
Das gesamte Fremdmaterial ist als potenziell infiziert zu betrachten und würde beim Verbleib in der Wunde als Reinfektionsquelle fungieren.
Fremdmaterial in der Wunde ist eine Kontraindikation für die Unterdrucktherapie.
Die Entfernung des Fremdmaterials kann auch kurze Zeit nach Primäroperation erfolgen, da das Sternum bereits nach wenigen Tagen durchbaut ist.
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Kühnel, RU. Wundmanagement in der gegenwärtigen Herzchirurgie. Z Herz- Thorax- Gefäßchir 31, 23–35 (2017). https://doi.org/10.1007/s00398-016-0136-8
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00398-016-0136-8