Zusammenfassung
Bereits ein kursorischer Blick auf die Debatte um Intersektionalität macht deutlich, dass es sich hier nicht um eine in sich geschlossene Theorie oder einen einheitlichen Ansatz zur Untersuchung multipler Ungleichheitslagen handelt. Vielmehr werden Offenheit und Mehrdeutigkeit als zentrale Merkmale des Konzepts beschrieben, die sich aus der Vielfalt der Bezugstheorien und der Mehrdimensionalität der zu untersuchenden Differenzkategorien und Ungleichheitsverhältnisse ergeben. Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, welchen Beitrag eine intersektionale Perspektive für die gerontologische Forschung leisten kann.
Abstract
Even a cursory view on the debate about intersectionality reveals that this is not a coherent theory or a uniform approach to the investigation of multiple inequalities. Instead openness and ambiguity are described as central characteristics of the concept, which result from the diversity of the reference theories and the multidimensionality of the categories of difference and relationships of inequality to be examined. In this article the question as to whether an intersectional perspective can provide new insights for gerontological research is explored.
Notes
Vgl. zur Mehrdimensionalität von Geschlecht und Alter: Richter [32]. Grundsätzlich wird in diesem Beitrag ein Verständnis des Alter(n)s zugrunde gelegt, das davon ausgeht, dass Altern nicht allein ein biophysischer Prozess ist, sondern als individuell und gesellschaftlich erfahrbares Phänomen in komplexen sozialen Prozessen hervorgebracht wird.
Zur Kritik an der Vorstellung einer ursprünglichen, einheitlichen und in sich widerspruchsfreien Identität: Hall [13].
Für weitere Details: Richter [32, S. 124–141].
Diese starke Form der Selbstaufwertung über die Abgrenzung von der Generation der Enkelkinder findet sich im Material tatsächlich nur bei denjenigen Befragten, die Großeltern sind. Grundsätzlich ist eine generationale Selbstpositionierung z. B. als Kriegskind aber auch bei Menschen ohne Kinder bzw. Enkelkinder vorstellbar.
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Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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Richter, A.S. Altern aus intersektionaler Perspektive. Z Gerontol Geriat 53, 205–210 (2020). https://doi.org/10.1007/s00391-020-01689-3
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