Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

unter Berücksichtigung des demographischen Wandels unserer alternden Gesellschaft ist von einer Zunahme der osteoporoseassoziierten Frakturen auszugehen. Da die Erkrankung an einer Osteoporose über lange Zeit oft asymptomatisch verläuft, stellen neu aufgetretene Frakturen insbesondere nach Stürzen im Alter oftmals das erste Zeichen dieser Erkrankung dar. Daher kommt den behandelnden Unfallchirurgen eine wesentliche Bedeutung bei der Diagnostik und ggf. Behandlung der Osteoporose zu. Allerdings wird die Abklärung einer Osteoporose noch immer vernachlässigt, obwohl die reduzierte Knochenqualität häufig auch mit erheblichen chirurgischen Komplikationen wie dem „cutting out“, Repositionsverlusten oder Pseudarthrosen einhergehen kann.

Trotz der 7–8 Mio. Patienten mit Osteoporose stellt Deutschland mit einem geschätzten Behandlungsdefizit von 77 % ein Schlusslicht in Europa dar. Mögliche Ursachen für dieses Defizit könnten neben dem mangelnden Bewusstsein über die Bedeutung der Osteoporose bei Ärzten und Patienten die vermeintlich immer komplizierter werdende Diagnostik sowie die unzureichende Vergütung sein.

Anfang der 90er Jahre wurden die WHO-Kriterien für die Identifikation der Osteoporose festgelegt, basierend auf einer Knochendichtemessung mithilfe der DXA. Erst 2003 wurde eine deutschsprachige Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Osteoporose verabschiedet, in der zusätzlich spezifische Risikofaktoren berücksichtigt wurden und eine standardisierte Osteoporosediagnostik definiert wurde. Die Osteoporoseleitlinie des DVO (Dachverband Osteologie) wurde in den letzten Jahren kontinuierlich überarbeitet und mündete in die Osteoporoseleitlinie 2014. Die auf den ersten Blick zunehmende Komplexität dieser Leitlinie kann im unfallchirurgischen Alltag jedoch eine relevante Vereinfachung darstellen, da beispielsweise bei typischen radiologischen und klinischen Aspekten einer Osteoporose bereits eine frühzeitige, unkomplizierte Diagnosesicherung der Osteoporose ggf. auch ohne Knochendichtemessung ermöglicht wird. Dadurch könnte das Behandlungsdefizit der Osteoporose in Deutschland besser behoben werden. Multiple Frakturversorgungen eines Patienten über mehrere Jahre hinweg ohne eine Behandlung der zugrundeliegenden Osteoporose sollten zukünftig der Vergangenheit angehören.

Im vorliegenden Themenheft haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, Erfahrungen aus osteologischen Schwerpunktzentren als bedeutsamen alterstraumatologischen Behandlungsschwerpunkt zu vermitteln und spannende Einblicke z.B. in den Knochenstoffwechsel so zu geben, dass die Anwendung der Leitlinie bei der Behandlung unfallchirurgischer Patienten gut gelingt und die präsentierten  Algorithmen und Neuerungen bei der Behandlung der Osteoporose aus dem Verständnis  der Basisvorgänge unmittelbar einleuchtend sind.

Dazu werden in einem ersten Beitrag die für den Unfallchirurgen relevanten Neuerungen der DVO-Osteoporoseleitlinie 2014 dargestellt. In einer weiteren Arbeit wird dann ein alltagstaugliches, leitlinienadaptiertes Osteoporosemanagement stationärer unfallchirurgischer Patienten vorgestellt. Anschließend wird die Regulation des Knochenstoffwechsels geschildert und ein Ausblick auf neue Osteoporosemedikamente gegeben. Zusätzlich wird auf weitere Therapieformen der Osteoporose wie die Bewegungstherapie, das Krafttraining und die Sturzprophylaxe eingegangen. Eine abschließende Übersichtsarbeit soll dann die möglichen medizinrechtlichen Konsequenzen verdeutlichen, die mit einer unterlassenen Osteoporosediagnostik und -therapie nach Fraktur im Alter verbunden sein könnten.

Wir hoffen, dass Sie nach dem Lesen des Themenhefts „Osteoporose“ stärker die Bedeutung der Osteoporose insbesondere bei Patienten mit Fraktur im Alter nachvollziehen können und zukünftig ein leitlinienadaptiertes Osteoporosemanagement in die Behandlung Ihrer unfallchirurgischer Patienten integrieren.

Ihre

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Dr. C. Neuerburg

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Dr. U. Stumpf

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Prof. Dr. W. Mutschler