Nicht traumabedingter Thoraxschmerz ist eines der häufigsten Krankheitssymptome. Eine gerade veröffentlichte große Studie [1] weist dieses Symptom als zweihäufigsten Vorstellungsgrund in US-amerikanischen Notfallaufnahmen aus – hinter der Dyspnoe, der kürzlich ein Schwerpunkt von Der Internist gewidmet wurde [2]. Insgesamt wurden mehr als 42 Mio. Notaufnahmekontakte wegen Thoraxschmerz zwischen 2005 und 2011 ausgewertet. Für Deutschland liegen keine vergleichbaren Zahlen vor, es ist aber davon auszugehen, dass auch hier die Zahl hoch ist und in den nächsten Jahren weiter ansteigen wird. Basis für diese Annahme ist, dass die Notaufnahmekontakte hierzulande in den letzten Jahren auf über 20 Mio. angewachsen sind und sich damit mehr als verdoppelt haben. Infolge der schnellen demografischen Veränderungen in der Bevölkerung werden diese Zahlen noch steigen.

Thoraxschmerzen sind nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ von großer Relevanz – soll heißen: eine Reihe von Erkrankungen, die mit Thoraxschmerzen einhergehen, können zu lebensbedrohlichen Zuständen führen. Zu nennen sind hier vor allem der Myokardinfarkt, die Lungenembolie und die Aortendissektion. Die genannte amerikanische Studie zeigt jedoch auch, dass die Ursache des Thoraxschmerzes in der Mehrzahl der analysierten Fälle am Ende nicht geklärt werden konnte – die Patienten wurden mit der Diagnose „unspezifischer Thoraxschmerz“ nach Hause entlassen.

Gerade diese Spanne zwischen (vermutlich) harmloser Missempfindung auf der einen und lebensbedrohlicher Erkrankung auf der anderen Seite erfordert ein umfassendes Wissen und etablierte Algorithmen in der Diagnostik des Thoraxschmerzes sowie klare Handlungsanleitungen für die Therapie der bedrohlichen Krankheitszustände. Anderseits müssen, ganz im Sinne der Klug-entscheiden-Kampagne der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin [3], überflüssige medizinische Maßnahmen vermieden werden.

Thoraxschmerz hat häufiger als erwartet eine gastroenterologische oder neuromuskuläre Ursache

In diesem Sinne stellen wir im vorliegenden Schwerpunkt wichtige Algorithmen für Diagnostik und Therapie von Erkrankungen vor, die zu Thoraxschmerzen führen können. Zu Beginn schildert T. Köhnlein die Vorgehensweise in der Notaufnahme, die eine schnelle Diagnosestellung ermöglicht und zu gezielten Therapien führt. In den folgenden Beiträgen werden die vier wichtigsten Bereiche dargestellt, die differenzialdiagnostisch Berücksichtigung finden müssen: C. Wächter, B. Markus u. B. Schieffer diskutieren den kardial bedingten Thoraxschmerz, B. Jany den Thoraxschmerz pneumologischer Ursache. J. Labenz u. C. Labenz beschäftigen sich mit ösophagogastroenteralen, C. Sturm u. T. Witte mit neuromuskulären Thoraxschmerzen. Wie die bereits zitierte amerikanische Studie zeigt, sind die beiden letztgenannten Gebiete wesentlich häufiger als erwartet der Auslöser eines Thoraxschmerzes. Sie müssen deshalb differenzialdiagnostisch stärker berücksichtigt werden, als das heute der Fall ist.

Das Thema Thoraxschmerz zeigt einmal mehr die Komplexität der Inneren Medizin. Das aus dieser Erkenntnis abgeleitete Postulat muss lauten: Eine breite internistische Ausbildung ist essenziell, wenn man mit Symptomen wie Thoraxschmerz konfrontiert ist. Will man dem Patienten gerecht werden, reicht es nicht, nur die Ursachen aus der eigenen Subspezialität einzubeziehen.

Wir danken allen Autoren für ihre gut lesbaren, praxisrelevanten Arbeiten und hoffen, dass sie einem breiten Publikum als Leitfaden für die tägliche Praxis dienen werden.

figure c

T. Welte

figure d

C.F. Vogelmeier