Hintergrund und Ziele

Das „Lübecker Modell Bewegungswelten“ (LMB), ein standardisiertes multidimensionales Programm für pflegebedürftige Senioren zur Bewegungsförderung, wird im Beitrag von Ralf et al. in diesem Themenheft ausführlich beschrieben. Für die Evaluation der Effekte des Programms wurde eine Studie mit dem Titel „Veränderung der Selbsthilfefähigkeiten von geriatrischen Nutzern eines motorisch-kognitiv aktivierenden Trainings in Pflegeinstitutionen“ in Kooperation zwischen der Forschungsgruppe Geriatrie Lübeck (FGL), der Abteilung für Sport- und Bewegungstherapie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, und dem Institut für Sportwissenschaft der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel durchgeführt. Die Hypothese lautet, dass Probanden, die an mindestens 50 % der Trainingseinheiten teilgenommen haben, nach einem Jahr (ggf. auch nach kürzerer Zeit, sekundäre Fragestellung) hinsichtlich der Selbstständigkeit (primärer Endpunkt: Barthel-Index), Mobilität, Koordination, Beweglichkeit, Kraft, Ausdauer und Kognition profitieren.

Methoden

Studiendesign

Die Fragestellung wurde mit einem quasirandomisierten, kontrollierten Längsschnittdesign untersucht, bei dem der Wohnort über die Zugehörigkeit zur Interventionsgruppe (IGgesamt) in Lübeck oder zur Kontrollgruppe (KG) in Kiel entschied. Die Wahl der unterschiedlichen Standorte hatte zum einen praktische Gründe, da die evaluierende Doktorandin in Kiel tätig war, während die Intervention nur in Lübeck angeboten werden konnte. Zum anderen sollte verhindert werden, dass durch Informationsaustausch das LMB indirekt auf die Kontrollgruppe Einfluss nimmt, ein nach Oswald et al. [1] zu vermeidender Konfundierungseffekt. Diese Quasirandomisierung wurde durch den Vergleich der Gruppen hinsichtlich Alter, Geschlecht und Barthel-Index kontrolliert. In dreimonatigen Abständen sollte über den Zeitraum von einem Jahr im Pflegeheim ein Assessment durch insgesamt sechs dafür geschulte Assessorinnen erfolgen (Basisuntersuchung (t0), Kontrollen nach 3 (t1), 6 (t2), 9 (t3) und 12 (t4) Monaten ± zwei Wochen). Die Basisuntersuchung fand in der Interventionsgruppe vor der vierten Teilnahme am Gruppentraining statt. Für das angestrebte Signifikanzniveau von p < 0,05 wurde unter Verteilung der Interventions- und Kontrollgruppengröße im Verhältnis 2:1 und Annahme einer mittleren Effektstärke auf der Basis des generalisierten linearen Modells mit Messwiederholung (GLM) eine erforderliche Anzahl von 146 Probanden zu t4 kalkuliert.

Die Datenauswertung erfolgte mit SPSS Version 22. Aus der gesamten Interventionsgruppe (IGgesamt) wurde für die Per-Protocol-Analyse eine Untergruppe (IG) gebildet, der nur die Probanden zugeteilt wurden, die in jedem Quartal mindestens 12 Mal (50 %) am Gruppentraining teilgenommen hatten. Zur Beschreibung der Stichprobe wurden deskriptive Verfahren angewendet. Der Chi-Quadrat-Test wurde eingesetzt, um die Geschlechterverteilung und die Häufigkeiten von Veränderungen zwischen den Gruppen zu vergleichen. Die Prüfung auf Mittelwertunterschiede innerhalb der Gruppe erfolgte durch den Wilcoxon-Test, während die Mittelwertunterschiede und -veränderungen zwischen den Gruppen nach Überprüfung auf Normalverteilung mittels Kolmogorov-Smirnov-Test durch den T‑Test oder Mann-Whitney-U-Test analysiert wurden. Die Effektstärken wurden bei der Verwendung von Differenzwerten mittels multivariater Varianzanalyse auf der Basis des generalisierten linearen Modells ohne Messwiederholung berechnet. Die Effektstärke über alle fünf Messzeitpunkte wurde mittels Varianzanalyse mit Messwiederholung überprüft.

Stichprobe

Pflegekräfte rekrutierten in sechs Kieler Pflegeheimen Probanden für die Kontrollgruppe (KG), in zehn Pflegeheimen in Lübeck wurden Probanden für die Interventionsgruppe rekrutiert. Die Einschlusskriterien für die Probanden der Kontroll- und Interventionsgruppe waren: mindestens einmal pro Woche Unterstützungsbedarf im Bereich der Grundpflege, Gehfähigkeit von sechs Metern sowie ausreichende körperliche Belastbarkeit und sensorische und kognitive Kompetenz, um an einem Gruppentraining teilzunehmen. Das Vorliegen der Einschlusskriterien wurde von einer an der Pflege beteiligten Person schriftlich bestätigt. Vor Einwilligung konnten künftige Probanden den Assessorinnen weitere Fragen stellen. Personen mit fortgeschrittener Demenz waren ausgeschlossen. Zur Teilnahme motivierte und fähige Personen ohne Einwilligungsfähigkeit wurden zugelassen, sofern ihr rechtlicher Vertreter schriftlich einwilligte. Die Häufigkeit der Teilnahme am Gruppentraining wurde von den Übungsleitenden protokolliert.

Messmethoden

Die eingesetzten Instrumente zur Abbildung der Endpunkte werden im Folgenden vorgestellt. Bei allen Tests stellen höhere Werte bessere Leistungen dar.

Selbsthilfefähigkeiten

Die Selbsthilfefähigkeiten in den Basisaktivitäten des täglichen Lebens wurden von einer an der Pflege der Probanden beteiligten Person mittels Barthel-Index [2] erfasst. Die Operationalisierung erfolgte gemäß Barthel plus [3], da dieser, ausgehend von der Langversion des Hamburger Manuals [4], weitere Definitionslücken schließt und sich einer einfacheren Sprache bedient, ohne den Punktwert (Score: 0–100 Punkte) zu verändern. Bei voller Punktzahl auf Itemebene wird eine Aufteilung in „a“ für unbeeinträchtigte und „b“ für beeinträchtigte Probanden vorgenommen (Tätigkeit zwar ohne Hilfe, aber nur mit medizinischen Hilfsmitteln, unter Schmerzen, extremer Anstrengung oder extrem hohem Zeitbedarf zu bewältigen).

Mobilität

Im Bereich der Mobilität wurden drei verschiedene Tests durchgeführt, bei denen jeweils Gehhilfsmittel verwendet werden durften und ihr Gebrauch protokolliert wurde.

Der Timed Up and Go (TUG; [5]) beinhaltet das Aufstehen von einem Stuhl mit Armlehnen (Abstützen erlaubt), Gehen einer Strecke von drei Metern, Umdrehen, Zurückgehen und Einnehmen der Ausgangsposition. Um Teilnehmende zu berücksichtigen, die den TUG nicht in fünf Minuten bewältigen, wird das Ergebnis als Quotient TUG pro Sekunde angegeben (TUG in 10 s = 0,10 TUG/s, TUG nicht bewältigt = 0,00 TUG/s).

Beim TUG Dual Task [6] wird während der oben beschriebenen Aufgabe das gleichzeitige Aufzählen unterschiedlicher Tiere als kognitive Distraktion gewählt.

Der 4‑Meter-Gehtest [7] beinhaltet das Gehen einer Strecke von 4 Metern sowohl habituell („in Ihrem gewohnten Tempo“) als auch forciert („so schnell wie möglich“). Gemessen wird die Gehgeschwindigkeit in Metern pro Sekunde.

Koordination

Im Bereich der Koordination wurden das Körpergleichgewicht und die Feinmotorik der Hand untersucht.

Mittels Romberg-Stand (freies Stehen mit geschlossenen Augen und Füßen) und Einbeinstand wurde die Gleichgewichtsfähigkeit [8, 9] untersucht. Gemessen wird die Zeit in Sekunden, in der die Position gehalten werden kann. Der Test endet nach 30 s.

Der 20-Cents-Test [10] ist ein Indikator für die Feinmotorik der Hand. 20 auf Zeichenblockpapier ausgelegte 1‑Cent-Münzen sollen einzeln so schnell wie möglich einhändig in ein Gefäß gelegt werden. Die benötigte Zeit wird in Sekunden gemessen und der Quotient Cents/Sekunde angegeben. Der Test endet nach maximal 60 s.

Beweglichkeit

Der 8‑Punkte-Greifraum-Test (Tab. 1) wurde in der FGL entwickelt, da kein ähnlich schnell durchzuführender Test bekannt ist, der die zur Selbstversorgung relevanten Beweglichkeitsleistungen seitengetrennt untersucht. Er überprüft mittels je acht einzunehmender Positionen der oberen Extremität die Beweglichkeit im Sitzen, um beispielsweise folgende Handlungen durchzuführen: Nahrung zum Mund führen, Haare waschen, sich ankleiden, sich nach dem Toilettengang reinigen. Pro absolvierte Übung gibt es einen Punkt, sodass je 0–8 Punkte vergeben werden.

Tab. 1 8-Punkte-Greifraum-Test zur Erfassung von Beweglichkeitsleistungen für die alltägliche Selbstversorgung. Entwickelt von der Forschungsgruppe Geriatrie Lübeck (FGL). Tabelle mit freundlicher Genehmigung © Krupp et al.

Kraft

Es wird sowohl die Kraft der oberen als auch der unteren Extremitäten überprüft.

Für die Handkraft [11, 12] wird das Messgerät (Kern MAP 80K1) alternierend je dreimal mit jeder Hand so kräftig wie möglich bedient. Es gilt der Maximalwert (in kg).

Der 5‑Chair-Rise-Test [13, 14] ist ein Indikator für die Kraftfähigkeit der Rumpf- und Beinmuskulatur. Der Proband soll innerhalb von 60 s ohne Benutzung der Armlehnen fünfmal hintereinander von einem Stuhl aufstehen. Zur Berücksichtigung der Teilnehmenden, die die Aufgabe nicht (voll) bewältigen, wird der Quotient Aufstehen pro Sekunde angegeben.

Ausdauer

Treppensteigen zur Leistungsbeurteilung ist weitverbreitet [13]. Der 2‑Minuten-Stufentest wurde in der FGL entwickelt und als Maß der allgemeinen Ausdauerfähigkeit berücksichtigt. Aus Sicherheitsgründen beschränken wir uns auf das repetitive Hinauf- und Hinabsteigen der untersten Stufe. Festhalten am Geländer und Gehhilfsmittel sind erlaubt. Die Anzahl der Wiederholungen in zwei Minuten wird notiert.

Kognition

Der Six-Item Screener [15, 16] gibt Auskunft über das mögliche Vorliegen einer alltagsrelevanten kognitiven Störung. Es werden 3 Begriffe genannt, die wiederholt und nach 3 Fragen zur zeitlichen Orientierung (Jahr – Monat – Wochentag) erinnert werden sollen. Jede korrekte Antwort und jeder erinnerte Begriff trägt einen Punkt zum Ergebnis (Score: 0–6 Punkte) bei. Der Test dauert etwa eine Minute.

Ergebnisse

Die Datenerhebung erfolgte vom 22.11.2015 bis 08.03.2018. Insgesamt wurden 255 Personen eingeschlossen (Gesamtkollektiv = GK). Die KG umfasste 84 Teilnehmer, 171 Probanden starteten in der Interventionsgruppe (IGgesamt). Zu Drop-out kam es bei 29 Probanden (34,5 %) in der KG und 64 (37,2 %) in der IGgesamt, davon verstarben 16 (19,0 %) in der KG und 21 (12,3 %) in der IGgesamt. Im ersten Quartal entschieden sich acht Probanden der IGgesamt ohne zwingenden Grund, nicht mehr am Training teilzunehmen, im zweiten vier, im dritten drei und im letzten ein Proband. 75 Personen nahmen in allen Quartalen an mindestens 50 % der Trainingseinheiten teil (IG = Interventionsgruppe für die Per-Protocol-Analyse), davon 6,7 % aus dem Betreuten Wohnen, 9,3 % aus dem Quartier.

Die Unterschiede zwischen IG und GK hinsichtlich Altersstruktur, Geschlechterverteilung (Tab. 2) und der Ergebnisse sämtlicher eingesetzter Assessmentinstrumente (Tab. 3) waren zu t0 nicht signifikant. Zwischen IG und KG bestanden bei vielen Tests schon zu t0 Differenzen.

Tab. 2 Beschreibung der Studienpopulation bei Start der Effektevaluation (t0)
Tab. 3 Vergleich der Assessmentergebnisse bei Start (t0) zwischen IG und KG sowie zwischen IG und GK

Unter Berücksichtigung aller Assessmentinstrumente zeigte sich die höchste Effektstärke (partielles Eta-Quadrat = ηp2) nach sechs Monaten (t0/t1: ηp2 = 0,210; t0/t2: ηp2 = 0,332; t0/t3: ηp2 = 0,209; t0/t4: ηp2 = 0,277). Die auf die einzelnen eingesetzten Messinstrumente bezogenen Effektstärken sind in Tab. 4 aufgeführt, außerdem die sich im Vergleich zum t0-Zeitpunkt ergebenden Veränderungen der Mittelwerte im Jahresverlauf.

Tab. 4 Effektstärken (E) und Veränderungen der Mittelwerte im Vergleich von KG und IG nach 3, 6, 9 und 12 Monaten

Selbsthilfefähigkeit

Der Barthel-Index war in der KG zu allen Kontrollzeitpunkten gesunken, der Unterschied zwischen KG und IG war nach 6, 9 und 12 Monaten signifikant. In der IG stieg der Barthel-Index mit Maximalwert nach sechs Monaten (p = 0,015) an. Die höchste Effektstärke wurde nach einem Jahr erreicht.

Tab. 5 gibt an, bei wie vielen Probanden sich in den angegebenen Intervallen der Barthel-Index bzw. die Selbsthilfefähigkeit auf Itemebene gemäß Barthel plus änderte. Bei neun der zehn Items wies die IG nach einem Jahr sowohl mehr Personen mit Verbesserung als auch weniger mit Verschlechterung auf. Dass sich bei der Fähigkeit Baden/Duschen in der KG weniger Teilnehmende verschlechterten, ist dadurch ausreichend erklärt, dass bereits bei t0 ein höherer Anteil als in der IG die schlechteste Bewertung erhielt, sodass sich eine weitere Verschlechterung nicht abbilden ließ (Bodeneffekt) – gleichzeitig verbesserten sich deutlich weniger Teilnehmende in der KG als in der IG.

Tab. 5 Veränderung des Barthel-Index sowie der Selbsthilfefähigkeiten auf Itemebene gemäß Barthel plus in der Interventions- und Kontrollgruppe (Anzahl und prozentualer Anteil der Probanden)

Mobilität

Beim 4‑Meter-Gehtest habituell und forciert waren die Mittelwerte der Gehgeschwindigkeit in beiden Gruppen sowohl habituell als auch forciert nach einem Jahr niedriger als anfangs. Nur die KG verschlechterte sich signifikant (habituell: t3: p = 0,003; t4: p = 0,050; forciert: t3: p = 0,002; t4: p = 0,037).

Zu t0 bewältigten alle Probanden der KG und IG den TUG und TUG Dual Task. Ein Jahr danach hatten jedoch 8 Probanden (14,5 %) in der KG und einer (1,4 %) in der IG diese Fähigkeit verloren.

Nach einem Jahr hatte die IG in beiden Tests ihre Leistung signifikant gesteigert, die KG signifikant verschlechtert, die Veränderung war im Vergleich der Gruppen zu allen Untersuchungszeitpunkten signifikant unterschiedlich zugunsten der IG.

Koordination

Im Romberg-Stand konnte sich die IG zu t1 steigern (p = 0,036), zu t4 bestand kein signifikanter Unterschied zum Anfangswert. In der KG fiel die Leistung ab (t3: p = 0,022; t4: p = 0,000). Die unterschiedliche Leistungsentwicklung beider Gruppen war signifikant zu t1, t2 und t4 (p = 0,005; p = 0,024; p = 0,017), zu t3 wurde das Signifikanzniveau knapp verfehlt (p = 0,052).

Die Leistung beim Einbeinstand änderte sich in der IG nicht signifikant und verschlechterte sich in der KG in Bezug auf das linke Bein zu t4 (p = 0,019). Die Veränderung der Werte im Vergleich zwischen den Gruppen ergab zu t3 und t4 signifikant günstigere Werte für die IG und das linke Bein. Das Erreichen des Signifikanzniveaus wurde erschwert durch einen ausgeprägten Bodeneffekt: Schon zu t0 schafften es in der KG 82,1 % (rechts) bzw. 73,8 % (links) nicht, mindestens eine halbe Sekunde frei auf einem Bein zu stehen (IG: rechts und links je 53,3 %).

Die Leistung im 20-Cents-Test zeigte in beiden Gruppen keine signifikanten Veränderungen.

Beweglichkeit

In der IG kam es beidseits zu Verbesserungen im 8‑Punkte-Greifraum-Test, die mit Ausnahme des ersten Quartals linksseitig zu allen Zeitpunkten das Signifikanzniveau erreichten. In der KG verschlechterten sich die Werte zunächst beidseits und stiegen dann wieder an, das Signifikanzniveau wurde nur zu t4 linksseitig erreicht. Der Vergleich der Mittelwertveränderungen im Verlauf zwischen den Gruppen ergab eine signifikant günstigere Entwicklung in der IG links nur zu t1, rechts zu t2, t3 und t4.

Kraft

Eine signifikante Verbesserung der Handkraft erreichte die IG zu t2, t3 und t4 rechts. In der KG ergaben sich beidseits keine signifikanten Veränderungen.

Schon zu t0 konnten 49 Probanden der KG (58,3 %) und 27 der IG (36,0 %) beim 5‑Chair-Rise-Test nicht ohne Armeinsatz aufstehen. Die IG verbesserte sich im Jahresverlauf gegenüber der KG (t1: p = 0,020; t2: p = 0,021; t4: p = 0,018). In der IG verbesserten sich mehr (bis t4 44,4 % gegenüber 21,8 %) und verschlechterten sich weniger Probanden (22,2 % gegenüber 30,9 %) als in der KG. Dieser Unterschied der Gruppen war auf jeden der Beobachtungszeiträume bezogen signifikant (p = 0,018; p = 0,001; p = 0,017; p = 0,029).

Ausdauer

Im 2‑Minuten-Stufentest verschlechterte sich die KG, während sich die IG verbesserte. Die unterschiedliche Entwicklung war in allen Intervallen signifikant (p = 0,003; p = 0,000; p = 0,049; p = 0,005).

Kognition

21 Probanden (28,9 %) der KG und 29 (35,5 %) der IG erreichten beim Six-Item Screener zu t0 sechs Punkte, was mit hoher Wahrscheinlichkeit alltagsrelevante kognitive Beeinträchtigungen ausschließt. 45 Probanden (54,9 %) der KG und 31 (41,3 %) der IG erhielten weniger als 5 Punkte, sodass der Verdacht auf eine kognitive Störung vorlag. Bei 12 Probanden (14,6 %) der KG und 6 (8,0 %) der IG war eine kognitive Störung so ausgeprägt, dass sie keine einzige richtige Angabe in diesem Test machen konnten. Zu einer signifikanten Änderung des Mittelwerts kam es nur in der KG in Form einer Verschlechterung zu t3 (p = 0,044).

Diskussion

Das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) hat eine Übersicht zu Interventionen der Bewegungsförderung in stationären Pflegeeinrichtungen veröffentlicht [17]. Im Vergleich zu den 20 genannten Interventionen (Stand Dezember 2018) weist das LMB für die festgelegte Zielgruppe im Verlauf eines Jahres die deutlichsten Effekte auf die Selbsthilfefähigkeiten auf. Die Wahl der Selbsthilfefähigkeiten als primärer Outcome-Parameter und des Barthel-Index als abbildendes Instrument geht konform mit einem 2013 veröffentlichten Review der Cochrane Collaboration zur Rehabilitation in Pflegeheimen [18]. Während dort keine ausreichende Evidenz für Effekte auf sekundäre Outcome-Parameter gefunden wurde, lassen sich für das LMB auch hinsichtlich Mobilität, Ausdauer, Beweglichkeit, Gleichgewicht, Kraft und Kognition präventive Effekte feststellen, wenn auch mit unterschiedlicher Stärke und variierendem Verlauf. Die höchsten Effektstärken fanden sich nach einem Jahr beim Barthel-Index, TUG und 2‑Minuten-Stufentest, über alle Messzeitpunkte kumuliert beim Romberg-Stand, 5‑Chair-Rise-Test, 2‑Minuten-Stufentest, TUG Dual Task und TUG. Die niedrigsten Effektstärken zeigten sich in Verbindung mit der Funktion der oberen Extremitäten, hier sollte das LMB noch angepasst werden, um intensiver zu fördern. Dabei könnte von anderen Programmen gelernt werden, z. B. vom „Armtraining für gehbehinderte und gebrechliche Personen“ [19].

Dass sich beim Einsatz des Six-Item Screener für die Kognition eine niedrige Effektstärke ergab, erklärt sich schon über dessen siebenstufige Skalierung, die nur gröbere Änderungen der Leistung abbilden kann. Eine aufwendigere kognitive Testung hielten wir in dieser primär auf andere Endpunkte fokussierenden Studie für nicht zumutbar, dies bleibt Folgestudien vorbehalten.

Sowohl Dechamps et al. [20] als auch Oswald et al. [1] beobachteten bei Pflegebedürftigen, die mit den üblichen Pflegemethoden versorgt wurden („care as usual“), eine Verschlechterung der Selbstständigkeit sowie kognitiver und physischer Parameter, sodass „von einem stetigen Abbau der Leistungen im Verlauf ausgegangen werden muss“. Daher ist nicht nur ein signifikanter Leistungszuwachs als positiver Effekt einzustufen, sondern auch ein langfristiger Erhalt des Leistungsniveaus.

Als Limitation der Studie ist zu werten, dass es nicht gelang, auch in die KG pflegebedürftige ältere Menschen einzubeziehen, die (noch) außerhalb eines Pflegeheims wohnen. Zur Überprüfung der Aussagekraft wurden alternative Berechnungen mit einer Reduktion der IG auf Probanden in der Langzeitpflege sowie eine Intention-to-treat-Analyse durchgeführt, die ähnliche Ergebnisse erbrachten.

IG und KG unterschieden sich zwar nicht im Barthel-Index, der zur Kontrolle der Quasirandomisierung herangezogen wurde, jedoch war der Unterschied in vielen weiteren Testergebnissen signifikant (während keine signifikanten Unterschiede zwischen IG und GK bestanden, die IG also repräsentativ war). Dies vermindert die Vergleichbarkeit, ist jedoch ein Phänomen, das sich auch durch höherwertige Randomisierung nicht sicher verhindern lässt. Es bleibt offen, ob die Unterschiede in dieser Studie u. a. darauf zurückzuführen sind, dass die KG von einer Assessorin, die IG von fünf verschiedenen Assessorinnen untersucht wurde.

Probanden, die die Teilnahme am LMB auf eigenen Wunsch beendeten (9,4 % in einem Jahr), taten dies am häufigsten im ersten Quartal, z. T. schon nach einem einzigen Training. Danach hatte sich eine erstaunlich stabile Gruppe gebildet und der häufigste Grund für eine Beendigung des Trainings war der Tod, wobei die Mortalitätsrate niedriger lag als in der KG. Zu Schäden während des Trainings oder Assessments kam es nicht.

Fazit

Da die präventiven Effekte einer Intervention nur durch die fortgesetzte Teilnahme daran optimal erhalten werden können, ist die ausgeprägte Langzeitattraktivität des LMB eines seiner wichtigsten Charakteristika. In der Evaluation des LMB zeigt sich, dass die positiven Effekte multidimensionaler bewegungsfördernder Programme auf diverse Parameter der Leistungsfähigkeit auch mit dem im LMB angewendeten spielerischen Ansatz erreicht werden. Insbesondere gelingt es, die Selbsthilfefähigkeiten einschließlich der Mobilität zu stabilisieren. Da in allen 10 an der Intervention teilnehmenden Pflegeheimen positive Veränderungen bei den Senioren festgestellt werden konnten, ist von einer Generalisierbarkeit der Ergebnisse auszugehen, sodass das LMB als Präventionsprogramm für ältere Menschen mit Pflegebedarf, mäßig eingeschränkter Mobilität und ggf. mäßiggradiger kognitiver Störung empfohlen werden kann. Das LMB verlangsamt nicht nur den Prozess des multidimensionalen Abbaus oder kehrt ihn sogar für einige Zeit um, sondern trägt auch dazu bei, soziale Kontakte zu intensivieren und die Lebensqualität der Teilnehmenden positiv zu beeinflussen. Letztlich sollte der pflegebedürftige Mensch selbst aus verschiedenen für ihn passenden Programmen mit erwiesener Wirksamkeit eine Auswahl gemäß seiner persönlichen Präferenz treffen können.