Hintergrund

Der Mensch verbringt durchschnittlich etwa ein Drittel seiner Lebenszeit mit Schlaf [1]. Schlaf ist für Menschen überlebensnotwendig und spielt eine wesentliche Rolle im Rahmen biologischer und psychischer Regenerationsprozesse [2]. Schlafmangel ist mit psychosozialen Beeinträchtigungen wie Tagesmüdigkeit, mangelnder Konzentrationsfähigkeit, Stress, schlechterem allgemeinen Gesundheitszustand und mangelndem psychischem Wohlbefinden sowie der Einschränkung der sozialen Kontakte assoziiert [4, 8, 9, 10]. Nächtliche Ein- und Durchschlafstörungen, die mit Tagesmüdigkeit und sozialen und beruflichen Beeinträchtigungen einhergehen, werden als Insomnie bezeichnet. Die einschlägigen Klassifikationssysteme, der ICD-10 und das DSM-IV-TRFootnote 1, verlangen für die Diagnose einer Insomnie unter anderem, dass die Beschwerden mindestens einen Monat anhalten, während es in der internationalen Klassifikation der Schlafstörungen, 2. Auflage (ICSD-2), kein spezifisches Zeitkriterium gibt, sondern lediglich eine chronische Unerholsamkeit oder eine schlechte Schlafqualität (bei adäquaten Möglichkeiten und Umständen für das Schlafen) gefordert wird. In Abgrenzung zu nur gelegentlich auftretenden Schlafschwierigkeiten oder dem Auftreten des Symptoms „Ein- oder Durchschlafschwierigkeit“ ist zur Diagnosestellung einer Insomnie somit das Vorliegen umfangreicherer und komplexerer Beschwerden über eine längere Dauer erforderlich.

Epidemiologische Studien dokumentieren weltweit mit 10 bis 30 % hohe Prävalenzen für gestörten Schlaf im Sinne einer Insomnie [1, 7]. Schlafmangel, aber auch eine erhöhte Schlafdauer (Hypersomnie), sind mit einem erhöhten Risiko für eine Vielzahl psychischer und somatischer Gesundheitsstörungen verbunden [3, 8, 9]. So haben beispielsweise sowohl „Kurz-“ als auch „Lang“-Schläfer eine deutlich erhöhte Mortalität gegenüber „Normal“-Schläfern [3]. Dies dürfte unter anderem damit zusammenhängen, dass zu wenig Schlaf eine altersunabhängige Dosis-Wirkungs-Beziehung zu Übergewicht und Adipositas, Bluthochdruck sowie zum metabolischen Syndrom aufweist [3]. Eine erhöhte Mortalität bei Hypersomnie liegt hingegen möglicherweise darin begründet, dass Menschen mit einer höheren Schlafdauer auch an anderen mortalitätsträchtigen Erkrankung leiden. So ist beispielsweise Schlafapnoe mit einem erhöhten Auftreten von Schlaganfällen assoziiert [10]. Nicht zuletzt stellt eine Insomnie einen Risikofaktor für das spätere Auftreten einer Depression dar; so verdoppelt sich im Vergleich zu ungestörtem Schlaf das Risiko, später an dieser affektiven Störung zu erkranken [11].

Die volkswirtschaftlichen Kosten von Schlafstörungen sind hoch. Eine kanadische Studie schätzte die direkten und indirekten Kosten von Insomnie in der Provinz Quebec auf etwa 1% des dortigen Bruttosozialprodukts [12]. Die indirekten Kosten durch Krankheitsfehltage, Leistungsabfall und Produktivitätsverlust waren dabei um das Drei- bis Fünffache höher als die Kosten für die Behandlung und Medikation [12, 13]. Für Deutschland liegen hierzu keine Daten vor.

Trotz der bereits bekannten Zusammenhänge zwischen Schlaf und Gesundheit wird die Relevanz des Schlafes auf dem Gebiet von Public Health bislang unterschätzt, was sich unter anderem in einer deutlich geringeren Anzahl entsprechender, in Medline gelisteter Publikationen, beispielsweise im Vergleich zu denen über Rauchen oder Übergewicht, ausdrücktFootnote 2. Daher wurden Fragen zum Schlaf in die bundesweit repräsentative Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) für die Altersgruppen 18 bis 79 Jahre integriert. Im Bundesgesundheitssurvey von 1998 (BGS98) war kein Instrument zur Erhebung von Schlafstörungen enthalten (lediglich im Rahmen der Zerssen-Beschwerdeskala wurde je eine Frage zu Schlaflosigkeit und übermäßigem Schlafbedürfnis gestellt). Damit liegen mit der DEGS1-Erhebung nun erstmals für Deutschland differenzierte, mit einem etablierten Instrument zur Erfassung von Schlafstörungen erhobene, repräsentative Daten aus einem großen epidemiologischen Gesundheitssurvey zur Häufigkeit und Verteilung von Schlafproblemen und Insomnie in der Erwachsenenbevölkerung vor. Die Größe der Stichprobe erlaubt es, nach unterschiedlichen Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Sozialstatus Gemeindegröße oder der geografischen Region zu stratifizieren. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, die Häufigkeit und Verteilung von Schlafproblemen (Ein- und Durchschlafstörungen), schlechter Schlafqualität, Schlafdauer, der Anwendung vom Arzt verschriebener oder frei verkäuflicher Schlafmittel sowie die Prävalenz eines Insomniesyndroms in der Erwachsenenbevölkerung zu berichten.

Methoden

Stichprobe

Die „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ (DEGS) ist Bestandteil des Gesundheitsmonitorings des Robert Koch-Instituts (RKI). Konzept und Design von DEGS sind an anderer Stelle ausführlich beschrieben [14, 15, 16, 17, 18]. Die erste Erhebungswelle (DEGS1) wurde von 2008 bis 2011 durchgeführt und umfasste Befragungen, Untersuchungen und Tests [19, 20]. Zielpopulation war die in Deutschland lebende Bevölkerung im Alter von 18 bis 79 Jahren. DEGS1 hat ein Mischdesign, das sowohl quer- als auch längsschnittliche Analysen ermöglicht. Hierbei wurde eine Einwohnermeldeamtsstichprobe durch ehemalige Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Bundes-Gesundheitssurveys 1998 (BGS98) ergänzt. Insgesamt nahmen 8152 Personen teil, darunter 4193 Ersteingeladene (Response 42 %) und 3959 ehemalige Teilnehmerinnen und Teilnehmer des BGS98 (Response 62 %). Die Nettostichprobe [18] ermöglicht für den Altersbereich von 18 bis 79 Jahren repräsentative Querschnittanalysen und Trendaussagen im Vergleich mit dem BGS98 (n = 7988, davon 7116 in Untersuchungszentren). Die Daten der erneut Teilnehmenden sind für Längsschnittanalysen nutzbar.

Der hier vorliegende Beitrag stellt eine Querschnittanalyse zur Häufigkeit und Verteilung von Schlafstörungen in der deutschen Erwachsenenbevölkerung dar. Die Analysen wurden mit einem Gewichtungsfaktor durchgeführt, der Abweichungen der Stichprobe von der Bevölkerungsstruktur (Stand 31.12.2010) hinsichtlich Alter, Geschlecht, Region und Staatsangehörigkeit sowie Gemeindetyp und Bildung korrigiert [18]. Bei der Berechnung der Gewichtung für die ehemaligen Teilnehmenden des BGS98 wurde die Wiederteilnahmewahrscheinlichkeit, basierend auf einem logistischen Modell, berücksichtigt. Eine Nonresponder-Analyse und der Vergleich einzelner erhobener Indikatoren mit Daten der amtlichen Statistik weisen auf eine hohe Repräsentativität der Stichprobe für die Wohnbevölkerung in Deutschland hin [18].Um sowohl die Gewichtung als auch die Korrelation der Teilnehmenden innerhalb einer Gemeinde zu berücksichtigen, wurden die Konfidenzintervalle mit den SPSS-20-Verfahren für komplexe Stichproben bestimmt. Unterschiede werden als statistisch signifikant angesehen, wenn sich die jeweiligen 95 %-Konfidenzintervalle nicht überschneiden. Deskriptive Odds Ratios wurden mit binärer, im Fall mehrstufiger nominaler Kriteriumsvariablen mit multinominaler logistischer Regression (PROC SURVEYLOGISTIC, SAS v9.3) bestimmt. Der Sozialstatus wurde anhand eines Index ermittelt, in den Angaben zu schulischer und beruflicher Ausbildung, beruflicher Stellung sowie Haushaltsnettoeinkommen (bedarfsgewichtet) eingehen und der eine Einteilung in niedrige, mittlere und hohe Statusgruppe ermöglicht [21].

Instrumente

Zur Erhebung von Schlafproblemen wurden Items zur Schlafdauer, zur Schlafqualität und zum Schlafmittelkonsum aus dem Pittsburgh Sleep Quality Index (PSQI) von Buysse et al. [22] (deutsche Fassung: Riemann und Backhaus [23]) sowie 2 im Robert Koch-Institut (RKI) entwickelte Items zu Einschlaf- und Durchschlafstörungen eingesetzt. Wie im Original, aber abweichend von der deutschen Übersetzung, bezogen sich sämtliche Fragen zu möglichen Schlafproblemen – wie von der ICD-10 und vom DSM-IV gefordert – auf die letzten 4 Wochen vor dem Zeitpunkt der Befragung. Für eine Approximation einer Screeningdiagnose „Insomnie“ wurden im Rahmen dieser Untersuchung außerdem Angaben zu den Tageskonsequenzen von Schlafproblemen wie Müdigkeit und Erschöpfungszustände aus dem SF-36 [24] herangezogen.

Effektive Schlafdauer

Hinsichtlich der effektiven Schlafdauer wurde gefragt, wie viele Stunden durchschnittlich in der letzten Nacht während der letzten 4 Wochen tatsächlich geschlafen wurden. Zeiten, die ohne zu schlafen im Bett verbracht wurden, sollten nicht hinzugezählt werden. Die Angabe war in ganzen Stunden möglich. Bei Nacht- oder Schichtarbeit war die Schlafdauer zu den dann üblichen Schlafzeiten anzugeben.

Ein- und Durchschlafstörungen

Erfragt wurde bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch die Auftretenshäufigkeit von Ein- und auch Durchschlafstörungen in den letzten 4 Wochen. Die Antwortkategorien für beide Fragen lauteten „Während der letzten 4 Wochen gar nicht“, „Weniger als 1-mal pro Woche“, „1- oder 2- mal pro Woche“, 3-mal pro Woche oder mehr“. Klinische Relevanz kann in Anlehnung an die ICD-10 und das DSM-IV-TR für Ein- sowie Durchschlafprobleme angenommen werden, wenn diese 3-mal oder häufiger in der Woche vorkommen.

Schlafqualität

Hinsichtlich der Schlafqualität lautete die Frage: „Wie würden Sie insgesamt die Qualität Ihres Schlafes während der letzten 4 Wochen beurteilen?“. Die Antwortmöglichkeiten waren „sehr gut“, „ziemlich gut“, „ziemlich schlecht“ oder „sehr schlecht“.

Schlafmittelkonsum

Hinsichtlich des Schlafmittelkonsums wurde gefragt, wie oft in den letzten 4 Wochen vom Arzt verschriebene oder frei verkäufliche Schlafmittel eingenommen wurden, mit den Antwortkategorien „Während der letzten 4 Wochen gar nicht“, „Weniger als 1-mal pro Woche“, „1- oder 2-mal pro Woche“, 3-mal pro Woche oder mehr“.

Insomnie

Die einschlägigen Klassifikationssysteme fordern für die Diagnose einer primären Insomnie (DSM-IV-TR) bzw. nichtorganischen Insomnie (ICD-10), dass Ein- oder Durchschlafprobleme mindestens für einen Zeitraum von 4 Wochen 3-mal oder häufiger pro Woche auftreten oder dass für diesen Zeitraum und in dieser Häufigkeit nichterholsamer Schlaf (DSM-IV-TR) bzw. eine schlechte Qualität des Schlafs (ICD-10) vorliegt. Außerdem müssen Konsequenzen von Schlafproblemen wie Tagesmüdigkeit, Erschöpfungszustände (Daytime Fatigue) oder Beeinträchtigungen der sozialen Funktionsfähigkeit vorliegen. Für die Approximation einer Diagnose „Insomniesyndrom“ aus den Survey-Daten wurde daher folgender Algorithmus zugrunde gelegt: Personen, die in den letzten 4 Wochen 1- oder 2-mal pro Woche Einschlafstörungen und 1- oder 2-mal pro Woche Durchschlafstörungen berichtet hatten oder 3-mal oder häufiger Einschlafstörungen oder 3-mal oder häufiger Durchschlafstörungen sowie eine ziemlich schlechte oder sehr schlechte Qualität des Schlafs angaben und zusätzlich angegeben hatten, in den letzten 4 Wochen „immer“ oder „meistens“ müde und/oder erschöpft gewesen zu sein, wurden als Screening-positiv klassifiziert.

Ergebnisse

Einschlafstörungen

Bezogen auf die letzten 4 Wochen berichteten insgesamt 11,1 % aller Teilnehmenden über 3-mal oder häufiger pro Woche auftretende Einschlafstörungen (Tab. 1). 16,5 % der Teilnehmer gaben an, 1- bis 2-mal pro Woche Einschlafprobleme zu haben, etwa ein Viertel der Teilnehmenden hatte seltener als 1-mal pro Woche Einschlafprobleme, und 47,1 % hatten keine Einschlafprobleme. Von potenziell klinisch relevanten Einschlafstörungen (3-mal pro Woche und mehr) waren Frauen mit insgesamt 13,6 % signifikant häufiger betroffen als Männer (8,6 %). Im Altersgang zeigt sich, dass sich der Anteil bei über 60-jährigen Frauen gegenüber 18- bis 39-jährigen Frauen mit 18,1 % nahezu verdoppelt. Bei den Männern bleibt hingegen die Rate an Einschlafstörungen über die Altersgruppen fast konstant bei unter 10 %. Die signifikanten Geschlechtsunterschiede gehen damit ausschließlich auf die Gruppe der über 60- bis 79-Jährigen zurück.

Tab. 1 Prävalenz von Schlafproblemen, Schlafqualität, Schlafmittelkonsum und durchschnittlicher Schlafdauer (letzte 4 Wochen) (DEGS)

Durchschlafstörungen

Durchschlafstörungen sind insgesamt weitaus häufiger als Einschlafstörungen. Etwa ein Viertel aller Teilnehmenden berichtete, in den letzten 4 Wochen 3-mal oder häufiger in der Woche von Durchschlafstörungen betroffen gewesen zu sein, 18,8 % waren davon 1- oder 2-mal pro Woche, 22,3 % weniger als 1-mal pro Woche betroffen (Tab. 1). 36,0 % waren davon nicht betroffen. Von Durchschlafstörungen mit potenzieller klinischer Relevanz (3-mal pro Woche und mehr) waren insgesamt signifikant mehr Männer als Frauen betroffen. Im Altersgang zeigte sich sowohl für Männer als auch für Frauen eine signifikante Zunahme an Durchschlafstörungen über alle Altersgruppen, wobei sich für Frauen – bei einer hohen Ausgangsprävalenz von 17,9 % bei den 18- bis 39-Jährigen – die Rate an Durchschlafstörungen auf 34,4 % bei den über 60-Jährigen nahezu verdoppelte, für Männer – ausgehend von einer niedrigeren Ausgangsprävalenz von 9,5 % – mit 29,0 % sogar verdreifachte.

Schlafqualität

Als ziemlich schlecht bewerteten ihre Schlafqualität insgesamt 21,2 %, als sehr schlecht 1,9 % der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Über ziemlich gute oder sehr gute Schlafqualität berichteten dagegen mehr als drei Viertel der Teilnehmenden (Tab. 1). Frauen bewerteten ihre Schlafqualität insgesamt schlechter als Männer. Nur bei den 60- bis 79-Jährigen war der Anteil der Männer mit sehr schlechter Schlafqualität höher als bei den Frauen, die Unterschiede erreichten jedoch nicht die statistische Signifikanz. Weder innerhalb der Gruppe der Männer noch innerhalb der Gruppe der Frauen gab es diesbezüglich signifikante Unterschiede zwischen den Altersgruppen.

Effektive Schlafdauer

Etwa vier Fünftel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gaben an, zwischen 6 und 8 h pro Nacht effektiv, d. h. ohne Berücksichtigung von Wachzeiten, zu schlafen (Abb. 1). Wie erwartet, war der Anteil derjenigen, die angaben, 5 h und weniger zu schlafen, mit 12,3 % signifikant höher als mit 6,1 % der Anteil derjenigen mit 9 h und mehr effektiver Schlafzeit (Tab. 1). Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern waren nicht signifikant, jedoch gab es Unterschiede im Altersgang: Ab einem Alter von 40 Jahren erhöht sich im Vergleich zu den 18- bis 39-Jährigen das Risiko für „zu wenig Schlaf“ sowohl bei Frauen (OR: 1,80, 95 %-KI: 1,28–2,53; Referenz: 6–8 h Schlaf) als auch bei Männern (OR: 1,70, 95 %-KI: 1,22–2,37). Bei den über 60-Jährigen haben Frauen eine Odds Ratio von 2,02 (95 %-KI: 1,47–2,78), bei den Männern beträgt die entsprechende Odds Ratio 1,75 (95 %-KI: 1,37–2,24) bzw. 1,93 (1,52–2,45) (Odds Ratios nicht in der Tabelle).

Abb. 1
figure 1

Effektive Schlafzeit (in Stunden pro Nacht) der deutschen Erwachsenenbevölkerung (18 bis 79 Jahre)

Hinsichtlich „zu viel Schlaf“ (d. h. 9 h und mehr pro Tag) unterschieden sich die Geschlechter untereinander ebenfalls nicht, es gab jedoch Unterschiede im Altersgang (Tab. 1). Bei Frauen nimmt das Risiko ab dem Alter von 40 Jahren um die Hälfte ab: Odds Ratio bei den 40- bis 59-Jährigen: 0,50 (95 %-KI: 0,34–0,75; Referenz: 6–8 h Schlaf), OR bei den über 60-Jährigen 0,58 (95 %-KI: 0,41–0,82); jeweils gegenüber den 18- bis 39-Jährigen. Bei Männern gab es keinen klaren Alterstrend. Hier unterschieden sich die 18- bis 39-Jährigen durch ein signifikant niedrigeres Risiko für eine lange effektive Schlafdauer nur von den 40- bis 59-Jährigen (OR: 0,48, 95 %-KI: 0,29–0,80) während die über 60-Jährigen gegenüber den 18- bis 39-Jährigen nur ein tendenziell, jedoch nicht signifikant höheres Risiko (OR: 1,31, 95 %-KI: 0,85–2,01) für eine zu lange Schlafdauer hatten (Odds Ratios nicht in der Tabelle).

Schlafmittelkonsum

Mindestens 1-mal in den letzten 4 Wochen vom Arzt verschriebene oder frei verkäufliche Schlafmittel eingenommen zu haben gaben insgesamt 5,7 % (95 %-KI: 5,2–6,4 %) der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an. Dabei nahmen insgesamt 2 % aller Teilnehmenden 3-mal oder häufiger, 1,8 % 1- oder 2-mal und 1,9 % weniger als 1-mal pro Woche Schlafmittel ein (Tab. 1). Frauen gaben mit insgesamt 7,9 % (6,9–9,0 %) mehr als doppelt so häufig und damit signifikant häufiger die Einnahme von Schlafmitteln während der letzten 4 Wochen an als Männer mit 3,6 % (6,9–9,0 %; OR: 2,32, 95 %-KI: 1,74–3,09; Referenz: Männer). Signifikante Unterschiede zwischen den Altersgruppen 18 bis 39 Jahre und über 60 Jahre gab es sowohl bei Frauen als auch bei Männern. Über 60-jährige Frauen hatten im Vergleich zu 18- bis 39-jährigen Frauen mit einer Odds Ratio von 4,86 (95 %-KI: 3,03–7,80; Männer: 3,62, 95 %-KI: 1,95–6,71) ein erheblich höheres Risiko für einen Schlafmittelkonsum (Odds Ratios nicht in der Tabelle).

Insomnie

Abb. 2 veranschaulicht die Annäherung an eine Screeningdiagnose „Insomniesyndrom“. Insgesamt 30,3 % (95 %-KI: 29,0–31,7 %) der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gaben an, mindestens 3-mal pro Woche an Ein- und/oder Durchschlafstörungen zu leiden. Insgesamt 21,9 % (20,5–23,4 %) litten zusätzlich an schlechter Schlafqualität. Bei Hinzunahme von Tagesbeeinträchtigungen (häufig oder immer müde und/oder erschöpft) ergibt sich eine Prävalenz für ein Insomniesyndrom von insgesamt 5,7 % (4,9–6,6 %). Tab. 2 zeigt die Insomniehäufigkeit nach Geschlecht, Alter, Sozialstatus und Wohnregion West (inklusive Berlin)/Ost sowie Nord/Süd. Frauen waren signifikant häufiger von Insomnie betroffen als Männer (OR: 2,15; 95 %-KI: 1,59–2,91; Daten nicht in Tabelle). Ebenso waren die Unterschiede nach Sozialstatus signifikant: Personen mit niedrigem Sozialstatus hatten ein ca. 3,5-fach erhöhtes Risiko für eine Insomnie im Vergleich zu Personen mit hohem Sozialstatus. Bei Frauen war die soziale Differenzierung stärker als bei Männern: Frauen mit niedrigem Sozialstatus hatten ein über 4-fach erhöhtes Risiko für eine Insomnie, während Männer mit niedrigem gegenüber Männern mit hohem Sozialstatus hingegen eine Verdopplung des Risikos aufwiesen. Signifikante Unterschiede nach der Gemeindegröße gab es nicht. Interessanterweise gab es jedoch einen West/Ost-Unterschied: Personen mit Wohnsitz in Westdeutschland (inklusive Berlin) hatten ein signifikant höheres Risiko für eine Insomnie. Mit Blick auf die Geschlechter zeigt sich, dass dieser Effekt auf die Gruppe der Männer zurückzuführen ist. Keine Unterschiede waren hingegen zwischen den Regionen Nord, Mitte und Süd zu verzeichnen (Tab. 2).

Abb. 2
figure 2

Symptome von Schlafstörungen und Prävalenz eines Insomniesyndroms in der Erwachsenenbevölkerung in Deutschland (18 bis 79 Jahre)

Tab. 2 Prävalenz von Insomniesyndrom in der deutschen Erwachsenenbevölkerung (18 bis 79 Jahre)

Diskussion

Die Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) zur Prävalenz von Einschlaf- und Durchschlafstörungen, zur Dauer und Qualität des Schlafs, zum Schlafmittelkonsum sowie zur Prävalenz eines Insomniesyndroms in der deutschen Erwachsenenbevölkerung im Alter von 18 bis 79 Jahren werden im Folgenden entlang der untersuchten Parameter Alter, Geschlecht, Sozialstatus und Wohnregion diskutiert.

Charakteristika gestörten Schlafs

Ein- und Durchschlafstörungen

Ein- und Durchschlafstörungen im Erwachsenenalter sind in der deutschen Erwachsenenbevölkerung stark verbreitet. Nach den Daten von DEGS1 ist ca. ein Drittel der deutschen Erwachsenenbevölkerung von Ein- und/oder Durchschlafstörungen mit potenzieller klinischer Relevanz (3-mal pro Woche und mehr) betroffen. Dabei sind Durchschlafstörungen mit 23 % häufiger als Einschlafstörungen mit 11 %. In einer 1991 durchgeführten repräsentativen Befragung deutschsprachiger Personen im Alter von über 14 Jahren auf dem Gebiet der ehemaligen Bundesrepublik (West) berichteten 25 % der Befragten mindestens gelegentlich Ein- oder Durchschlafschwierigkeiten, die nicht durch äußere Einflüsse bedingt waren, 7 % litten häufig oder ständig daran [25]. Ähnliche Prävalenzen wie in DEGS1 wurden auch in anderen Ländern gefunden [5, 26, 27]. Die Prävalenzen für Einschlafstörungen bei Erwachsenen in Deutschland sind jedoch im internationalen Vergleich als eher hoch zu bezeichnen. Ohayon und Sagales [27] berichten eine Prävalenz von 3,7 % für Einschlafstörungen in der spanischen Erwachsenenbevölkerung und führen die im internationalen Vergleich geringe Prävalenz von Einschlafstörungen auf eine bessere Schlafhygiene und regelmäßigere Bettzeiten der Spanier zurück; in einer japanischen Repräsentativstichprobe wurde eine Häufigkeit von insgesamt 7,2 % gefunden [5]. Kao et al. [26] hingegen berichten für die taiwanesische Erwachsenenbevölkerung mit 12,3 % eine ähnlich hohe Prävalenz wie sie aufgrund der DEGS1-Daten für Deutschland festgestellt werden kann.

Auch Durchschlafstörungen mit potenzieller klinischer Relevanz scheinen in der deutschen Erwachsenenbevölkerung häufiger zu sein als in anderen Ländern. So wird in den genannten Studien für Spanien eine Prävalenz für Durchschlafstörungen von insgesamt 17,6 % [27], für Japan eine Häufigkeit von 15,2 % [5] und für die taiwanesische Bevölkerung eine Prävalenz von 9,4 % berichtet [26]. Eine Vielzahl soziokultureller Faktoren wie etwa Schlafhygiene, Alkoholkonsum, Bettzeiten, Nikotin- und Kaffeekonsum, weltanschauliche und soziologische Aspekte könnten bei der Verursachung häufigerer Durchschlafstörungen in Deutschland eine Rolle spielen. Wie auch international beobachtet, treten sowohl Ein- als auch Durchschlafstörungen in Deutschland bei Frauen deutlich häufiger auf als bei Männern. Dabei waren Frauen im Altersgang sowohl von einer Verdopplung der Prävalenz für Einschlaf- als auch Durchschlafproblemen betroffen, während sich für Männer lediglich bei den Durchschlafstörungen ein Alterstrend zeigte, hier jedoch mit einer Verdreifachung der Häufigkeit gleich ein recht deutlicher. Auf einem insgesamt niedrigeren Niveau wurden vergleichbare Trends auch in anderen Studien gefunden [5, 26, 27].

Schlafdauer

Auch bezüglich der durchschnittlichen effektiven Schlafdauer pro Nacht zeigt sich für die deutsche Erwachsenenbevölkerung mit 12,3 % ein vergleichsweise hoher Anteil sowohl an Kurzschläfern (5 h und weniger) als auch an Langschläfern (9 h und mehr). Etwa in der japanischen Bevölkerung beträgt der Kurzschläferanteil nur 4 % (resp.: 3,2 % Langschläfer) [5], in der taiwanesischen Bevölkerung lediglich 3,2 % (zu lange Schlafdauer wurde hier nicht berichtet) [26].

Schlafqualität und Schlafmittelkonsum

Jeder vierte Teilnehmende berichtete über Beeinträchtigungen der Schlafqualität. Die Prävalenz in der deutschen Erwachsenenbevölkerung ist damit annähernd gleich hoch wie bei erwachsenen Personen in anderen Ländern [5, 26]. Die Häufigkeit des Schlafmittelkonsums lag in der deutschen Erwachsenenbevölkerung bei insgesamt 5,7 % und damit – trotz einer deutlich höheren Prävalenz von Ein- und Durchschlafstörungen – vergleichbar hoch wie beispielsweise in der spanischen Bevölkerung mit 5,5 % [27]. Ein deutlich höherer Schlafmittelkonsum wird mit 11,7 % für Frankreich [28], niedrigere Anwendungsprävalenzen werden mit 3,5 % hingegen für Großbritannien berichtet [29], wobei in beiden Ländern, anders als in DEGS1, signifikant höhere Anwendungsraten für Frauen berichtet wurden. Ähnlich wie in dieser Studie gaben jedoch ältere Personen (≥ 60 Jahre) sowohl in Frankreich als auch in Großbritannien signifikant häufiger an, vom Arzt verschriebene oder frei verkäufliche Schlafmittel anzuwenden.

Insomnie

Mit Ein- und Durchschlafstörungen bei einer zusätzlich beeinträchtigten Schlafqualität und bei Tageskonsequenzen von Schlafproblemen wie häufiges Müdesein und Erschöpftsein erfüllten insgesamt 5,7 % der Teilnehmerinnen und Teilnehmer von DEGS1 die Kriterien für die Screening-Diagnose „Insomnie“. Dieser Wert liegt zwischen der von Hajak [30] vor über 10 Jahren festgestellten Häufigkeit von 4 % behandlungsbedürftiger Insomnie in Deutschland und einer von Ohayon und Zulley [6] im Jahr 2001 für Deutschland berichteten Prävalenz von 7 % für eine aus einer Kombination von schlechter Schlafqualität und Insomniesymptomen abgeleiteten Screening-Diagnose „Insomnie“. Es ist daher davon auszugehen, dass der in dieser Studie zugrunde gelegte Algorithmus eine gute Annäherung an die tatsächliche Insomnieprävalenz in der deutschen Erwachsenenbevölkerung darstellt.

In anderen Ländern wurden ähnliche, zum Teil jedoch auch höhere Werte gefunden: In Spanien liegt die Prävalenzrate für eine Insomniediagnose nach DSM-IV – trotz einer im Vergleich zu Deutschland niedrigeren Rate von Ein- und Durchschlafproblemen – bei 6,4 % [27]. In Italien liegt die Insomnieprävalenz bei 7 % [31]. Eine für den französischsprachigen Teil Kanadas repräsentative Studie kommt mit einem ähnlichen Algorithmus, wie er in dieser Studie verwendet wurde, auf eine Insomnieprävalenz von 9,5 % [4]. Die in Großbritannien beobachtete deutlich höhere Prävalenz für Insomnie (22 %) führt Hajak [30] u. a. auf eine in Deutschland vergleichsweise bessere bzw. häufigere Behandlung von Patienten mit Insomnie zurück.

Frauen sind in Deutschland doppelt so häufig von Insomnie betroffen wie Männer. Dies spiegelt die Ergebnisse einer Reihe internationaler Studien, die zeigen, dass Frauen durchgängig etwa 1,5- bis 2-mal häufiger von Insomnie betroffen sind [4, 6, 27, 31]. Anders als in bisherigen Studien fanden wir in unserer Studie keinen signifikanten Alterstrend für eine Insomnie. Ein Grund hierfür könnte in unterschiedlichen Altersspektren und unterschiedlichen Altersgruppeneinteilungen anderer Studien im Vergleich zu dieser Studie liegen. So wurden, anders als in DEGS1, in den von Ohayon in Europa durchgeführten Insomniestudien [6, 27, 31] bereits Teilnehmer ab einem Alter von 15 Jahren eingeschlossen. Diese Studien weisen Altersgruppen von 15 bis 25 Jahren aus, für die jeweils die niedrigsten Insomnieprävalenzen berichtet werden.

Das Risiko für das Vorliegen eines Insomniesyndroms für Männer und Frauen unterscheidet sich stark nach Sozialstatus. Bei Frauen differenziert bereits der mittlere gegenüber dem hohen Sozialstatus mit einer Risikoverdopplung; Frauen mit niedrigem Sozialstatus haben sogar ein 4-fach erhöhtes Risiko für eine Insomnie. Patel et al. [32] konnten anhand einer repräsentativen, bevölkerungsbezogenen Stichprobe verschiedener US-amerikanischer Regionen zeigen, dass Einkommens- und Bildungseffekte sowie der Beschäftigungs- und Familienstatus auch nach schrittweiser Adjustierung für den selbsteingeschätzten Gesundheitszustand, das Vorliegen einer psychischen Störung, Übergewicht und Adipositas, Stress, Alkoholmissbrauch sowie Rauchen eigenständige Prädiktoren für das Vorliegen einer Insomnie blieben.

Wie sich die Insomnie über geografische Regionen Deutschlands verteilt, war bislang unbekannt. Hierzu liefert die DEGS1-Studie erstmalig Ergebnisse. Während es zwischen den Regionen Nord und Süd oder zwischen ländlichen und städtischen Räumen diesbezüglich keine Unterschiede gab, berichteten Personen mit Wohnsitz in Westdeutschland überraschenderweise häufiger über eine Insomnie als Personen aus Ostdeutschland. Über die Gründe kann an dieser Stelle nur spekuliert werden. Allgemein hat sich der Gesundheitszustand der Ost- und Westdeutschen stark angenähert [33]. Das Institut für Demoskopie Allensbach stellte im Jahr 2001 in einer Wiederholungsbefragung 10 Jahre nach der Wiedervereinigung fest, dass psychosomatische Beschwerden, darunter unspezifisch erfragte Schlafstörungen, in Ostdeutschland im Jahr 2001 seltener genannt wurden als 1991, während in Westdeutschland ein gegenläufiger Trend beobachtet wurde [34]. Eine Fortschreibung dieses Trends ist als Ursache ebenso denkbar wie Veränderungen in den Rahmenbedingungen für Gesundheit, z. B. mit Blick auf Bevölkerungsentwicklungen wie das Geburtengeschehen, die Sterblichkeit oder Wanderungsprozesse [33].

Einschränkungen und Stärken

Da aus befragungsökonomischen Gründen der Einsatz eines ausführlichen schlafdiagnostischen Interviews, wie z. B. des Sleep-EVAL-Systems [35], nicht realisierbar war, stehen Informationen zum Schlafverhalten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer lediglich als Auskünfte auf der Basis von Selbstausfüllfragebögen zur Verfügung. Eine Insomniediagnose gemäß ICD-10- oder DSM-IV-Kriterien musste daher über die Fragebogenangaben approximiert werden. Sie ist außerdem nicht extern validiert. Jedoch legen Vergleiche mit bisherigen Studienergebnissen nahe, dass der hier gewählte Algorithmus für die Screeningdiagnose eines Insomniesyndroms eine valide Annäherung an die tatsächliche Insomnieprävalenz in der Bevölkerung darstellt. Ferner kann aus erhebungsmethodischen Gründen nicht zwischen primärer Insomnie und Insomnien aus anderen Gründen (z. B. aufgrund anderer körperlicher oder psychischer Erkrankungen) unterschieden werden. Studienergebnisse zeigen aber relativ konsistent, dass die primäre Insomnie etwa ein Drittel aller Insomniediagnosen ausmacht [27, 31]. Stärken dieser Studie sind die hohe Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse und die vielfältigen Stratifizierungsmöglichkeiten aufgrund der großen und bevölkerungsrepräsentativen Stichprobe sowie – perspektivisch – die Verknüpfbarkeit der Schlafstörungsindikatoren mit weiteren körperlichen und psychischen Gesundheitsindikatoren.

Schlussfolgerungen und Ausblick

Die Prävalenz eines Insomniesyndroms in der deutschen Erwachsenenbevölkerung mit knapp 6 % ist als hoch und – nicht zuletzt aufgrund der hohen gesundheitsökonomischen und volkswirtschaftlichen Folgekosten von Schlafstörungen – als gesundheitspolitisch bedeutsam zu bezeichnen. Insomnien sind in der Regel vergleichsweise kostengünstig behandelbar [12]. Als wirksam haben sich hierfür unter anderem psychoedukative Maßnahmen wie die Vermittlung „schlafhygienischer“ Regeln, die Umbewertung dysfunktionaler schlafbezogener Gedanken (z. B. „Jeder Mensch braucht 8 Stunden Schlaf“), die Konfrontation mit den auslösenden schlafbehindernden Situationen sowie das Erlernen von Entspannungstechniken, aber auch die medikamentöse Therapie unter ärztlicher Kontrolle erwiesen [36].