Einführung

Die Sicherung der Atemwege ist eine Kernkompetenz von Anästhesiologen, Intensiv- und Notfallmedizinern, da ohne offene/gesicherte Atemwege keine Oxygenierung möglich ist. Die Einführung neuer Techniken und die Implementierung von Leitlinien und Strategien zur Versorgung des schwierigen Atemwegs haben wesentlich zu einer Reduktion der Morbidität und Letalität beigetragen.

Die erste „Leitlinie Atemwegsmanagement“ wurde von der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) im Jahr 2004 verabschiedet [1]. Seitdem haben sich neue Techniken wie beispielsweise die Videolaryngoskopie fest im klinischen Alltag etabliert, und es wurden neue Erkenntnisse zu bestehenden Strategien publiziert. Konsequenterweise stellt die neue „Leitlinie Atemwegsmanagement“ den aktuellen Stand der Wissenschaft dar und integriert die derzeit empfohlenen Techniken und Strategien. Die vorliegende Leitlinie soll dazu beitragen, eine optimale Versorgung der anästhesiologisch betreuten Patienten zu gewährleisten. Sie soll dem Anwender zur Orientierung und als Entscheidungshilfe dienen. Für viele der nachfolgenden Empfehlungen zum praktischen Vorgehen bzw. zur Verwendung bestimmter Techniken im Bereich des Atemwegsmanagements fehlen qualitativ hochrangige klinische Studien. Bei der hier vorgelegten Leitlinie handelt es sich daher um den Konsens einer Expertengruppe (entspricht Stufe „S1“ des Klassifikationsschemas der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. – siehe www.awmf.org) (Infobox 1).

Infobox 1 Informationen zu dieser Leitlinie

Federführende Fachgesellschaft

Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI)

AWMF-Register Nr.: 001/028

Statements/Empfehlungen wurden als Expertenkonsens der Leitliniengruppe beschlossen. Die Stärke des Konsensus ergibt sich aus der verwendeten Formulierung (soll/sollte/kann) entsprechend der Abstufung in Tab. 7.

Besonderer Hinweis

Die Medizin unterliegt einem fortwährenden Entwicklungsprozess, sodass alle Angaben, insbesondere zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren, immer nur dem Wissensstand zum Zeitpunkt der Drucklegung der Leitlinie entsprechen können. Hinsichtlich der angegebenen Empfehlungen zur Therapie und der Auswahl sowie Dosierung von Medikamenten wurde die größtmögliche Sorgfalt beachtet.

Der Benutzer selbst bleibt verantwortlich für jede diagnostische und therapeutische Applikation, Medikation und Dosierung.

In dieser Leitlinie sind eingetragene Warenzeichen (geschützte Warennamen) nicht besonders kenntlich gemacht. Es kann also aus dem Fehlen eines entsprechenden Hinweises nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

Für die Sicherung der Atemwege in der Präklinik [2], Polytrauma/Schwerverletztenbehandlung [3] sowie Kinderanästhesie [4] wird auf die bestehenden Handlungsempfehlungen bzw. Leitlinien verwiesen.

Definition, Prädiktoren und Inzidenz des schwierigen Atemwegs

Definitionen

Unter dem Begriff „schwieriger Atemweg“ werden Probleme zusammengefasst, die während der Atemwegssicherung auftreten können. Ungeachtet der Weiterentwicklung der Techniken des Atemwegsmanagements – beispielsweise durch Videolaryngoskope und starre oder flexible Endoskope – folgen die Definitionen des schwierigen Atemwegs auch heute noch den beiden traditionellen Techniken Maskenbeatmung und Intubation mithilfe der direkten Laryngoskopie. Als fachliche Qualifikation wird der Facharztstandard vorausgesetzt. Im Folgenden beziehen sich alle Empfehlungen auf die Mindestqualifikation Facharztstandard und ausreichender Erfahrung in der routinemäßigen Anwendung der jeweiligen Technik.

Die Beatmung mithilfe der Gesichtsmaske oder einer extraglottischen Atemwegshilfe (EGA, Definition s. Kapitel „Techniken zur Sicherung der Atemwege“) wird als schwierig bzw. unmöglich definiert, wenn aufgrund eines oder mehrerer Probleme die Beatmung insuffizient ist oder sogar gänzlich scheitert: Undichtigkeit, massive Leckage sowie Widerstand während der In- oder Exspiration.

Als schwierig wird das Platzieren einer EGA dann bezeichnet, wenn mehrere Platzierungsversuche notwendig sind. Eine schwierige Laryngoskopie ist definiert als die Unmöglichkeit, die Glottis mithilfe direkter Laryngoskopie zu visualisieren. Dies entspricht einem Laryngoskopiebefund gemäß Cormack und Lehane Grad III oder IV [5] (Abb. 4).

Abb. 1
figure 1

Algorithmus „Vorgehen bei erwartet schwierigem Atemweg“. EGA extraglottische Atemwegshilfe

Eine schwierige endotracheale Intubation liegt vor, wenn mehrere Intubationsversuche notwendig sind.

Inzidenz des schwierigen Atemwegs

Die exakte Ermittlung der Inzidenz einer schwierigen Maskenbeatmung, Laryngoskopie oder Intubation ist bisher nicht möglich, da die Definition des schwierigen Atemwegs in den verschiedenen Studien sehr unterschiedlich ist. Ebenfalls berücksichtigt werden müssen mögliche interindividuelle Unterschiede der praktischen Fähigkeiten der Untersucher. Auch hier kann der Facharztstandard nur eine unscharfe Kompetenz definieren. Es ist somit denkbar und sogar wahrscheinlich, dass verschiedene Arbeitsgruppen bei einem identischen Patientenkollektiv zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. Diese Problematik muss bei der Interpretation derartiger klinischer Studien stets mit berücksichtigt werden.

Inzidenz der schwierigen Maskenbeatmung

Fasst man ungeachtet verschiedener divergenter Definitionen die Ergebnisse mehrerer Arbeiten mit hohen Patientenzahlen zusammen, so beträgt die Inzidenz der schwierigen Maskenbeatmung in einem unselektierten Kollektiv von Elektivpatienten 2 % [68]. Die Inzidenz der unmöglichen Maskenbeatmung liegt bei 0,15 % (1:670; [6]).

Inzidenz der schwierigen Laryngoskopie und Intubation

Häufig werden Probleme während der endotrachealen Intubation unter dem Begriff „schwierige Intubation“ subsumiert, ohne dass zwischen „Laryngoskopie“ und „endotrachealer Intubation“ differenziert wird. Da sich bei einer direkten Laryngoskopie die anatomische und optische Achse annähern und daher bei einem akzeptablen Laryngoskopiebefund auch mit einer erfolgreichen Tubusplatzierung gerechnet werden kann, ist diese Unschärfe von untergeordneter Bedeutung. Werden jedoch Techniken der indirekten Laryngoskopie (Definition s. Kapitel „Techniken zur Sicherung der Atemwege“) genutzt, muss eine scharfe Trennung beider Vorgänge erfolgen, da hier die Inzidenz der schwierigen Laryngoskopie stets niedriger ist als die der schwierigen oder unmöglichen Intubation.

Die Inzidenz der schwierigen direkten Laryngoskopie beträgt 1,5–8,0 %, die Inzidenz der schwierigen Intubation ist etwas niedriger [9, 10]. Mit einer unerwarteten „cannot intubate, cannot ventilate“-Situation ist mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,008 % (1:13.000) bis 0,004 % (1:25.000) zu rechnen [6, 8].

Prädiktion des schwierigen Atemwegs

Verschiedene Prädiktoren und Screening-Untersuchungen zur Detektion eines schwierigen Atemwegs wurden beschrieben. Komplikationen während der Atemwegssicherung bei vorangegangenen Eingriffen haben sich hierbei als der beste Prädiktor für einen schwierigen Atemweg erwiesen.

Empfehlung: Während der präoperativen Visite soll nach Problemen während früherer Anästhesien und dem Vorhandensein eines Anästhesieausweises gefragt werden. Im Rahmen einer klinischen Evaluation sollen zudem Prädiktoren für eine schwierige Atemwegssicherung erfasst werden.

Prädiktoren der schwierigen/unmöglichen Maskenbeatmung

Die Tab. 1 zeigt typische Prädiktoren für eine schwierige oder unmögliche Maskenbeatmung [68]. Die Kombination aus mehreren Faktoren erhöht das Risiko einer schwierigen Maskenbeatmung.

Tab. 1 Prädiktoren der schwierigen oder unmöglichen Maskenbeatmung. Mit steigender Anzahl verschiedener Prädiktoren oder Symptome steigt das Risiko einer schwierigen oder unmöglichen Maskenbeatmung

Prädiktoren der schwierigen/unmöglichen direkten Laryngoskopie und Intubation

Als Screeninguntersuchung ist der von Samsoon und Young modifizierte Mallampati-Test am weitesten verbreitet [11] (Abb. 5). Sein klinischer Wert als alleiniger Test zur Prädiktion der schwierigen Laryngoskopie und Intubation ist jedoch limitiert. Gleiches gilt für einen thyreomentalen Abstand von weniger als 6–7 cm [12]. Weitere Testverfahren, die ebenfalls wenig sensitiv sind, umfassen den „Upper Lip Bite“-Test [13], die Beweglichkeit der Halswirbelsäule, den „Palm Print“-Test [14, 15] und den Wilson Risk Score [16, 17]. Der multifaktorielle Risikoindex nach Arne umfasst 7 unterschiedliche Kriterien [18], sodass verschiedene Prädiktoren erfasst werden.

Empfehlung: Aufgrund der limitierten Aussagekraft von einzelnen Testverfahren sollen die Atemwege auf Symptome und Prädiktoren untersucht werden, die auf eine schwierige oder unmögliche direkte Laryngoskopie oder Intubation hinweisen. Diese Prädiktoren können durch eine Screening-Untersuchung ergänzt werden.

Die Tab. 2 zeigt typische Prädiktoren.

Tab. 2 Prädiktoren der schwierigen oder unmöglichen direkten Laryngoskopie und Intubation. Mit steigender Anzahl verschiedener Prädiktoren oder Symptome steigt das Risiko einer schwierigen oder unmöglichen direkten Laryngoskopie

Prädiktoren der schwierigen indirekten Laryngoskopie

Die Identifikation von Merkmalen oder Testverfahren, die prädiktiv für die schwierige indirekte Laryngoskopie – insbesondere mit videoassistierten Systemen – sind, gelang bislang noch nicht. Vermehrte Sekretbildung und Blutungen in den Atemwegen können die Sicht behindern. Eine hochgradig eingeschränkte Mundöffnung, die das Einführen des jeweiligen Videolaryngoskops nicht mehr erlaubt, scheint gegenwärtig der einzige Prädiktor zu sein.

Techniken zur Sicherung der Atemwege

Präoxygenierung

Empfehlung: Eine Präoxygenierung soll immer vor Einleitung der Allgemeinanästhesie bei spontan atmenden Patienten durchgeführt werden.

Studien zeigen, dass unter Präoxygenierung mit 100 % Sauerstoff Resorptionsatelektasen auftreten können. Allerdings ist bei reduzierter inspiratorischer Sauerstoffkonzentration die O2-Reserve im Falle eines schwierigen Atemwegs reduziert.

Empfehlung: In Abwägung von Nutzen und Risiko soll die Präoxygenierung über eine dicht sitzende Gesichtsmaske mit 100 % Sauerstoff erfolgen.

Dabei sind verschiedene Techniken möglich: 8 maximal tiefe Atemzüge innerhalb von 60 s, Präoxygenieren über 3–4 min oder bis die exspiratorisch gemessene Sauerstoffkonzentration 90 % übersteigt [1921].

Empfehlung: Eine Präoxygenierung sollte – wenn möglich – mit erhöhtem Oberkörper durchgeführt werden [22, 23]. Die Anwendung von nichtinvasiver Ventilation (z. B. Druckunterstützung: 8 cmH 2 O, PEEP 5 cmH 2 O) während der Präoxygenierung von hypoxiegefährdeten Patienten kann die Apnoetoleranz verbessern [24, 25].

Maskenbeatmung

Die Maskenbeatmung ist eine essenzielle Maßnahme des Atemwegsmanagements. Sie kann manuell oder mit druckkontrollierter Ventilation (PCV) durchgeführt werden.

Nach Induktion der Allgemeinanästhesie wird derzeit in den meisten Lehrbüchern noch empfohlen, vor einer neuromuskulären Blockade die Durchführbarkeit der Maskenbeatmung zu prüfen. Dieses Dogma wird allerdings in letzter Zeit infrage gestellt [26, 27]. Mehrere wissenschaftliche Publikationen zeigen sogar, dass durch eine neuromuskuläre Blockade in den meisten Fällen die Maskenbeatmung erleichtert und in keinem Fall erschwert wurde [28, 29].

Empfehlung: Bei fehlenden Prädiktoren für einen schwierigen Atemweg kann eine neuromuskuläre Blockade sofort nach Erreichen einer suffizienten Narkosetiefe durchgeführt werden, ohne dass vorher die Möglichkeit der Maskenbeatmung überprüft wurde.

Extraglottische Atemwegshilfen

Unter dem Begriff „extraglottische Atemwegshilfen“ werden alle Ventilationshilfen subsumiert, die ein Offenhalten der Atemwege zwischen Oropharynx und proximalem Ösophagus gewährleisten, aber außerhalb der Glottis liegen. Neben den unterschiedlichen Larynxmaskentypen umfasst dieser Begriff auch die ösophagealen Verschlusstuben (z. B. Larynxtubus, Kombitubus).

Publikationen zeigen, dass unter optimiertem Cuffdruck die Abdichtung der EGA besser ist und Komorbiditäten wie Halsschmerzen seltener auftreten [30, 31]. Der notwendige bzw. maximal zulässige Cuffdruck hängt von der gewählten Atemwegshilfe und deren Größe ab.

Empfehlung: Nach Platzierung und suffizienter Ventilation soll der Cuffdruck überprüft und ggf. angepasst werden. Hierbei sollen die jeweiligen Herstellerangaben berücksichtigt werden. Im Allgemeinen sollte ein Druck von 60 cmH 2 O nicht überschritten werden.

Extraglottische Atemwegshilfen der sog. zweiten Generation verfügen über einen integrierten Drainagekanal. Durch diesen kann regurgitierter Mageninhalt drainiert werden oder prophylaktisch zur Entlastung eine Magensonde gelegt werden. Verschiedene Tests sind beschrieben, mit denen die Lage dieser EGA überprüft werden kann (s. Tab. 3). Nur bei korrekter Einführtiefe [32], suffizienter Ventilation, negativem „Bubble-Test“ [33] und korrekter Lage der Magensonde nach widerstandsfreier Platzierung ist die EGA korrekt platziert.

Tab. 3 Tests zur Prüfung der korrekten Lage einer extraglottischen Atemwegshilfe (EGA) mit gastralem Drainagekanal

Verschiedene Larynxmasken erlauben nach Positionierung auch das Platzieren eines Endotrachealtubus. In einem zweizeitigen Verfahren ist somit bei unerwartet schwierigem Atemweg erst eine Oxygenierung des Patienten über die EGA möglich, und im Anschluss kann die Intubation erfolgen. Ein blindes Vorschieben des Endotrachealtubus mit hoher Erfolgsrate ist nur für die Intubationslarynxmaske beschrieben, die speziell als Führungsschiene zur endotrachealen Intubation konzipiert ist. Scheitert das blinde Vorschieben oder wird primär eine andere EGA gewählt, so kann mithilfe eines flexiblen Intubationsendoskops der Tubus oder zunächst ein Intubationskatheter als Leitschiene tracheal platziert werden [3436].

Direkte Laryngoskopie

Die konventionelle Intubation kann mithilfe verschieden geformter Spatel erfolgen. Neben geraden (z. B. Miller) und gebogenen Spateln (z. B. Macintosh) existieren Weiterentwicklungen, wie z. B. der McCoy-Spatel, der (mittels eines Hebelmechanismus) über eine bewegliche Spitze zur Anhebung der Epiglottis verfügt.

Indirekte Laryngoskopie

Unter dem Begriff „indirekte Laryngoskope“ werden Instrumente subsumiert, mit denen keine direkte Visualisierung der Glottisebene nötig oder möglich ist. Dies kann prinzipiell auf 2 Arten erreicht werden: Zum einen durch Verwendung von kleinen Digitalkameras, deren Bild auf einen Monitor übermittelt wird (z. B. Videolaryngoskope, flexible und starre Intubationsendoskope). Zum anderen mittels eines optischen Systems, mit dem man über Glasfasern (z. B. klassische Fiberoptik) oder über Prismen Sicht durch ein Okular bekommt. Durch das Okular kann man entweder direkt sehen, oder das Bild wird mittels einer Kamera auf einen externen Monitor übertragen.

Videolaryngoskopie

Durch die Integration einer kleinen Kamera und Lichtquelle in den Spatel verlagert die Videolaryngoskopie das Auge des Anwenders von extraoral in die Nähe der Glottis. Unabhängig von der Form des verwendeten Laryngoskopspatels wird bereits allein durch diese technische Entwicklung ein verbesserter Blick auf die Glottis ermöglicht. Die Sicht auf die Glottisebene kann nach schwieriger oder unmöglicher direkter Laryngoskopie mit der Videolaryngoskopie oftmals verbessert werden [3739]. Aber trotz guter Sicht kann die Intubation zeitlich verlängert und auch erfolglos sein [40].

Der Begriff Videolaryngoskopie umfasst heute eine Vielzahl von Geräten, die sich in ihrer Form, Technik und Handhabung teilweise grundsätzlich voneinander unterscheiden. Dabei ist ein wichtiges Unterscheidungskriterium der Videolaryngoskope die Spatelform [41, 42].

Videolaryngoskope mit Macintosh (ähnlichem)-Spatel

Großer Vorteil eines Macintosh-Videolaryngoskops ist, dass der Anwender mit der Spatelform vertraut ist und unabhängig von der videolaryngoskopischen Sicht auf dem Monitor auch eine direkte Laryngoskopie durchführen kann. Bei unerwartet schwieriger direkter Laryngoskopie kann mit diesem Spateltyp oftmals eine indirekte Visualisierung der Glottisebene erzielt werden. Mithilfe dieser Instrumente kann eine optimierte und erleichterte Ausbildung in der Technik der endotrachealen Intubation erfolgen [43].

Videolaryngoskope mit stärker gekrümmtem Spatel

Mit stärker gekrümmten Spateln ist eine Einstellung der oropharyngolaryngealen Achse nicht notwendig, sodass der Intubationsvorgang indirekt mit obligat videolaryngoskopischer Sicht erfolgt. Die eigentliche Schwierigkeit bei der Intubation mit einem Videolaryngoskop mit stark gekrümmtem Spatel ergibt sich trotz optimaler Visualisierung beim Intubationsvorgang: Der Tubus muss in einem der Krümmung des Spatels entsprechenden steilen Winkel vorgeschoben und die Tubusspitze nach Passage der Stimmbänder abgesenkt werden. Daher ist bei Verwendung dieser Spatelform generell ein Führungsstab erforderlich und Erfahrung auch außerhalb von Notfallsituationen notwendig. Die Vermeidung einer zu starken Reklination des Kopfes, ein zungenmittiges Einführen des Spatels sowie das vorsichtige Aufladen der Epiglottis können während des Intubationsvorgangs hilfreich sein.

Videolaryngoskope mit Endotrachealtubusführung

Bei diesen Systemen befindet sich am Laryngoskopspatel eine Führungsschiene, die den Endotrachealtubus zur Glottis dirigieren soll. Aufgrund der stark gekrümmten Spatel sind alle Systeme dieser Art obligat indirekte Laryngoskope.

Starre Intubationsendoskope

Starre Intubationsendoskope stellen eine Alternative für die Intubation bei unerwartet schwierigem Atemweg dar [44, 45]. Um diese Instrumente auch in Notfallsituationen erfolgreich einzusetzen, ist eine ausreichende Erfahrung bei Patienten mit normalem Atemweg notwendig [46].

Flexible Intubationsendoskope

Das flexible endoskopische Vorgehen ist eine gebräuchliche Technik zur endotrachealen Intubation sowohl beim unerwartet als auch beim erwartet schwierigen Atemweg. Das klassische Instrument ist eine Fiberoptik mit Glasfasern für die optische Darstellung über ein Okular. Zunehmend sind Endoskope verfügbar, die einen Kamerachip an der Spitze des Instrumentes haben und das Bild als elektrisches Signal zu einem Monitor übertragen.

Translaryngeale/transtracheale Techniken

Die Sicherung des Atemwegs durch translaryngeale und transtracheale Techniken ist die „Ultima Ratio“ im Atemwegsmanagement. Dabei können diese sowohl primär, beispielsweise bei einer supraglottischen Atemwegsobstruktion, als auch sekundär bei drohender Asphyxie nach frustranen Versuchen der Atemwegssicherung mit weniger invasiven Techniken erforderlich sein.

Koniotomie

Bei einer Koniotomie (synonym: Krikothyreotomie, Krikothyreoidotomie) wird das Lig. cricothyroideum durchtrennt und eine Kanüle oder ein Endotrachealtubus unterhalb der Glottisebene in den Atemweg eingeführt. Es werden 3 Techniken unterschieden: Bei der Catheter-over-needle-Technik erfolgt die Punktion des Atemwegs vergleichbar der Anlage einer Venenverweilkanüle. Bei der Seldinger-Technik wird nach Punktion der Trachea erst ein Führungsdraht eingelegt und anschließend darüber die Kanüle platziert. Die chirurgische Koniotomie beinhaltet das Durchtrennen des Lig. cricothyroideum mithilfe eines Skalpells, das Auseinanderdrängen von Schild- und Ringknorpel sowie das Platzieren eines dünnen Endotrachealtubus.

Zahlreiche Untersuchungen an Patienten [47], menschlichen Leichen [4850] und Tiermodellen [5155] liefern sehr widersprüchliche Ergebnisse zur Erfolgsrate bei Durchführung einer Koniotomie und der zu präferierenden Technik. Sowohl die persönliche Erfahrung der Anwender mit dieser „Ultima Ratio“ des invasiven Atemwegsmanagements als auch der medizinische Ausbildungsstand sind sehr inhomogen und die Fallzahlen meist sehr niedrig, sodass sich eine evidenzbasierte Empfehlung zur optimalen Technik der Koniotomie nicht ableiten lässt. Die Komplikations- und Misserfolgsrate bei notfallmäßigen, durch Anästhesisten durchgeführten Koniotomien ist mit bis zu über 50 % sehr hoch [56].

Tracheotomie

Eine Tracheotomie kann elektiv unter erhaltener Spontanatmung in Lokalanästhesie durchgeführt werden. Typische Indikationen sind stenosierende Tumoren im Bereich des Larynx und des Hypopharynx.

Auch im Rahmen eines Atemwegsnotfalls kann die chirurgische Tracheotomie durch einen versierten Chirurgen im Einzelfall (Stichwort: Tracheotomiebereitschaft) eine Alternative zur Koniotomie darstellen [57]. Voraussetzung sind die sofortige Verfügbarkeit des Materials, gute Umgebungsbedingungen (z. B. im Operationssaal) und exzellente Routine, um dieses Verfahren auch in einer Notfallsituation unter hohem Zeitdruck technisch sicher und vor allem sehr rasch durchführen zu können.

Translaryngeale/transtracheale Oxygenierung und Ventilation

Vor allem nach der notfallmäßigen Platzierung von dünnen Kanülen durch das Lig. cricothyroideum besteht zwar ein trachealer Zugang, aber aufgrund des kleinen Lumens nur eine sehr eingeschränkte Möglichkeit der Ventilation. Durch Insufflation von Sauerstoff mit hohem Fluss in die Trachea kann nach dem Prinzip der apnoeischen Oxygenierung [58] eine Diffusionsoxygenierung etabliert werden. Methodenimmanente Probleme dieser translaryngealen/transtrachealen Oxygenierung sind die oftmals unzureichende Exspiration bzw. Ventilation mit konsekutiver Hyperkarbie sowie die Gefahr eines Barotraumas und einer Störung der Hämodynamik, insbesondere bei Okklusion der supraglottischen Atemwege. Die CO2-Elimination kann durch Systeme verbessert werden, die auch bei einem komplett obstruierten oberen Atemweg eine Exspiration bzw. ein Abströmen der Exspirationsluft gewährleisten [5962].

Strategien zur Sicherung der Atemwege

Ebenen der Atemwegssicherung

Zur Sicherung der Atemwege können 4 Ebenen mit möglichen Zugängen für eine Oxygenierung bzw. Ventilation des Patienten unterschieden werden:

  • Ebene 1: Spontanatmung, unterstützte Beatmung oder kontrollierte Beatmung mit einer Gesichtsmaske,

  • Ebene 2: Verwendung einer extraglottischen Atemwegshilfe (EGA),

  • Ebene 3: Platzierung eines Endotrachealtubus in der Trachea,

  • Ebene 4: translaryngealer/transtrachealer Zugang.

Primäre Atemwegssicherung mit extraglottischen Atemwegshilfen

Die Verwendung von extraglottischen Atemwegshilfen zur primären Atemwegssicherung bei elektiven Eingriffen bietet zahlreiche Vorteile gegenüber der Beatmung mittels Gesichtsmaske und bei bestimmten Eingriffen auch gegenüber der Beatmung über einen Endotrachealtubus. Die Verwendung erscheint daher grundsätzlich bei bestimmten Routineeingriffen indiziert, sofern keine Einschränkungen dagegen sprechen (Tab. 4).

Tab. 4 Einschränkungen zur Anwendung von extraglottischen Atemwegshilfen (EGA) bei Patienten mit elektiven Eingriffen

Kontrovers wird der Einsatz bei den sog. erweiterten Indikationen diskutiert. Hierzu zählen vor allem die Anwendung einer Larynxmaske bei einer geplanten Operationsdauer von > 2 h, bei laparoskopischen Operationen, bei Patienten mit einem Body-Mass-Index > 30 kg/m2 und bei Operationen, die in Bauchlage durchgeführt werden. Hier müssen vor allem die erhöhten Atemwegsdrücke und eine mögliche Aspirationsgefahr in Betracht gezogen werden.

Empfehlung: Nach der derzeitigen Evidenzlage kann eine Larynxmaske nach individueller Nutzen-/Risiko-Abwägung alternativ zum Endotrachealtubus bei den erweiterten Indikationen angewendet werden. In diesen Fällen sollte eine Larynxmaske der zweiten Generation verwendet und über das gastrale Lumen eine Magensonde vorgeschoben werden. Nach Platzierung soll eine Testung von Lage und Dichtigkeit erfolgen (s. Kapitel „Techniken zur Sicherung der Atemwege“).

Vorgehen bei schwierigem Atemweg

Das grundsätzliche Vorgehen zur Sicherung der Atemwege orientiert sich an der Frage, ob ein erwartet schwieriger Atemweg vorliegt: Liegen keine Prädiktoren vor, die Schwierigkeiten bei der Maskenbeatmung, der Laryngoskopie und beim Platzieren des Endotrachealtubus erwarten lassen, so wird die Atemwegssicherung grundsätzlich nach Einleitung der Narkose bei ausreichender Anästhesietiefe erfolgen.

Empfehlung: Für den schwierigen Atemweg soll ein der Klinik angepasster Algorithmus verfügbar sein, der allen beteiligten Personen bekannt ist und die Instrumente und Techniken beinhaltet, die vorgehalten sowie beherrscht werden.

Vorgehen bei erwartet schwierigem Atemweg

Ein erwartet schwieriger Atemweg kann auf allen Ebenen der Atemwegssicherung bestehen. Wichtig bei der Beurteilung des Atemwegs sind vor allem die beiden Techniken „Maskenbeatmung“ und „endotracheale Intubation“.

Empfehlung: Bei erwartet schwierigem Atemweg soll primär ein regionalanästhesiologisches Verfahren erwogen werden.

Empfehlung: Ist ein regionalanästhesiologisches Verfahren nicht möglich und eine Allgemeinanästhesie notwendig, soll bei Vorliegen von Prädiktoren oder anamnestischen Hinweisen für eine schwierige oder unmögliche Maskenbeatmung und/oder endotracheale Intubation die Atemwegssicherung unter Erhalt der Spontanatmung erfolgen.

Obwohl mit zunehmender Anzahl von Prädiktoren die Wahrscheinlichkeit eines schwierigen Atemwegs ansteigt, kann dieses Vorgehen auch bei Vorliegen von nur einem Prädiktor notwendig sein: Typische Beispiele sind eine sehr kleine Mundöffnung oder ein stenosierender subglottischer Tumor.

Grundsätzlich können verschiedene Techniken bei erwartet schwierigem Atemweg zum Einsatz kommen:

Empfehlung: Den höchsten Stellenwert besitzt der Einsatz eines flexiblen Intubationsendoskops. Zum Management des erwartet schwierigen Atemwegs soll dieses daher verfügbar und der betreuende Anästhesist im Umgang mit seiner Anwendung geübt sein.

Es kann ein nasales oder orales Vorgehen in Abhängigkeit von den Patientengegebenheiten gewählt werden.

Empfehlung: Die Spontanatmung soll so lange erhalten bleiben, bis der Endotrachealtubus sicher in der Trachea platziert ist. Beim wachen Patienten soll eine topische Anästhesie der Atemwege erfolgen. Eine medikamentöse Sedierung soll so niedrig dosiert wie möglich durchgeführt werden, um eine Apnoe und/oder Atemwegsverlegung zu verhindern.

Diese Technik der wachen endoskopischen Intubation ist mit einer sehr hohen Erfolgsrate verbunden [63, 64].

Weitere beschriebene Techniken nach ausreichender Lokalanästhesie oder topischer Schleimhautanästhesie sind die Tracheotomie [65], die Etablierung eines translaryngealen/transtrachealen Zugangs, die Anwendung der Videolaryngoskopie [66, 67] und die Platzierung einer EGA [68, 69] am wachen, spontan atmenden Patienten.

Der Algorithmus „Vorgehen bei erwartet schwierigem Atemweg“ stellt diese Empfehlungen grafisch dar (Abb. 1).

Vorgehen bei unerwartet schwierigem Atemweg

Maskenbeatmung

Die Maskenbeatmung als erste Ebene der Atemwegssicherung stellt die Basismaßnahme zur Beatmung des Patienten dar und ist eine wichtige Rückfalloption bei unerwartet schwierigem Atemweg. So dient sie zur Oxygenierung des Patienten, während beispielsweise weiteres Material oder Hilfe herbeigeholt werden muss.

Empfehlung: Im Falle einer schwierigen Maskenbeatmung beim suffizient anästhesierten Patienten sollen Maßnahmen durchgeführt werden, um den Zungengrund anzuheben und damit den oberen Atemweg zu öffnen.

Zu den einfachen Maßnahmen zählen der Einsatz von nasopharyngealen (z. B. Wendl-Tubus) und/oder oropharyngealen (z. B. Guedel-Tubus) Tuben in adäquater Größe.

Empfehlung: Bei fehlenden Kontraindikation soll der Kopf rekliniert sowie ein Esmarch-Manöver durchgeführt werden. Die Beatmungsmaske in passender Größe soll dazu mit beiden Händen gehalten werden, um eine bestmögliche Abdichtung zu erreichen.

Die Ventilation erfolgt durch einen zweiten Helfer oder durch einen adäquat eingestellten Ventilator mittels druckkontrollierter Beatmung.

Empfehlung: Falls noch keine neuromuskuläre Blockade erfolgt ist, sollte diese mit einem schnell anschlagenden Muskelrelaxans (Succinylcholin, Rocuronium) in adäquater Dosierung erwogen werden [27, 29].

Direkte Laryngoskopie

Ist bei direkter Laryngoskopie keine ausreichende Sicht auf die Glottis möglich, können einfache Handgriffe die Sicht verbessern. Als Larynxmanipulationsmanöver sind OELM („optimal external laryngeal manipulation“) bzw. BURP („backward upward rightward pressure“) beschrieben [70, 71]. Bestehen keine Kontraindikationen, kann eine optimierte Positionierung des Kopfes durch Anheben und/oder Reklination hilfreich sein [72, 73].

Empfehlung: Bei eingeschränkter Sicht auf die Glottis trotz entsprechender Manipulationsmanöver kann die Verwendung von speziellen Tubuseinführhilfen mit weicher, atraumatischer Spitze erwogen werden [74, 75]. Die Technik des aus dem Endotrachealtubus vorstehenden, starren Führungsstabes soll nicht durchgeführt werden.

Empfehlung: Die Anzahl der Intubationsversuche mit direkter Laryngoskopie soll auf maximal 2 limitiert werden.

Das Risiko von schwerwiegenden, lebensbedrohlichen Komplikationen wie schwere Hypoxie, Regurgitation, Aspiration, Hypotension, Bradykardie und Herz-Kreislauf-Stillstand steigt mit jedem weiteren erfolglosen Intubationsversuch [7679].

Empfehlung: Bei unerwartet schwierigem Atemweg soll nach einem erfolglosen Intubationsversuch ein weiterer Versuch mit direkter Laryngoskopie nur dann unternommen werden, wenn Maßnahmen zur Optimierung der Intubationsbedingungen getroffen wurden.

Zu diesen Maßnahmen zählen u. a. eine verbesserte Lagerung des (Kopfes des) Patienten, Absaugen von Sekret zur Verbesserung der Sicht sowie Verwendung von Tubuseinführhilfen und alternativen Spateln. Dies gilt auch für Situationen, in denen eine Maskenbeatmung möglich ist. Durch wiederholte Manipulation kann es zu Schwellungen kommen, sodass auch eine primär mögliche Maskenbeatmung sekundär insuffizient wird.

Indirekte Laryngoskopie

Bei der indirekten Laryngoskopie stellt die Videolaryngoskopie heutzutage die wichtigste Technik für das Management des unerwartet schwierigen Atemwegs dar, da nach einem primär erfolglosen direkten Intubationsversuch hierdurch häufig eine korrekte Tubusplatzierung möglich ist [80].

Beim anästhesierten Patienten mit unerwartet schwierigem Atemweg ist eine starre oder flexible endoskopische Intubation ebenfalls möglich. Im Vergleich zum Vorgehen bei erwartet schwierigem Atemweg ist der Einsatz der flexiblen Intubationsendoskope jedoch häufig schwieriger und zeitaufwendig [81].

Extraglottische Atemwegshilfen

Extraglottische Atemwegshilfen haben beim Management des unerwartet schwierigen Atemwegs eine zentrale Bedeutung, da eine erfolgreiche Positionierung auch bei schwieriger Maskenbeatmung und/oder frustraner Laryngoskopie möglich sein kann. Ist nach der erfolgreichen Einlage einer EGA eine Intubation zwingend erforderlich, so kann diese je nach verwendeter EGA blind oder mithilfe eines flexiblen Intubationsendoskops erfolgen.

Rückkehr zur Spontanatmung

Empfehlung: Bleibt die Sicherung der Atemwege bei suffizienter Oxygenierung (z. B. Maskenbeatmung möglich) frustran, soll geprüft werden, ob eine Rückkehr zur Spontanatmung möglich ist. Je nach verwendeten Medikamenten zur Einleitung der Allgemeinanästhesie soll auch eine Antagonisierung bzw. Reversierung erwogen werden.

Empfehlung: Im Rahmen einer „cannot intubate, cannot ventilate“-Situation soll diese Option ebenfalls geprüft werden.

Allerdings stellt dieses Vorgehen bei unmöglicher Oxygenierung je nach verwendeten Medikamenten zur Einleitung der Allgemeinanästhesie auch bei sofortiger Reversierung der neuromuskulären Blockade (Sugammadex nach Rocuronium) keine verlässliche Option dar, da der tatsächliche Zeitpunkt der Rückkehr der Spontanatmung nicht vorhersagbar ist [82, 83].

Translaryngealer/transtrachealer Zugang

Empfehlung: Scheitert die Atemwegssicherung auf den ersten 3 Ebenen, so soll bei drohender Asphyxie eine Oxygenierung über einen translaryngealen oder transtrachealen Zugang erfolgen.

Keinesfalls darf die Invasivität dieser Maßnahme oder deren (im Einzelfall unsicherer) Erfolg dahingehend interpretiert werden, aus vermeintlichen Sicherheitsaspekten eine indizierte Koniotomie zu unterlassen, da dies noch fatalere Konsequenzen (hypoxischer Hirnschaden oder Tod) nach sich zieht.

Algorithmus für den unerwartet schwierigen Atemweg

Im Algorithmus „Vorgehen bei unerwartet schwierigem Atemweg“ wird unter Beachtung der oben genannten Empfehlungen der Ablauf grafisch dargestellt (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Algorithmus „Vorgehen bei unerwartet schwierigem Atemweg“. EGA extraglottische Atemwegshilfe

Der Algorithmus beginnt mit der Situation „Fehlgeschlagene Sicherung der Atemwege“. Hierdurch ist ein sofortiger Einstieg in den Algorithmus ohne lange Orientierungsphase möglich. Es folgt die wichtige Gabelung „Maskenbeatmung“. Ist eine suffiziente Oxygenierung mit Maskenbeatmung möglich, besteht keine akute Gefährdung des Patienten. Bei erfolgloser Intubation oder frustraner Platzierung einer EGA können weitere Erfolg versprechende Techniken und Instrumente zur Atemwegssicherung eingesetzt werden.

Empfehlung: Bei suffizienter Maskenbeatmung soll die Alternative verwendet werden, die in der entsprechenden Situation die größten Erfolgsaussichten hat, verfügbar ist und die der Anwender beherrscht. Scheitert auch diese, können bei suffizienter Maskenbeatmung weitere Versuche der Atemwegssicherung durchgeführt werden. Allerdings soll jeder weitere Versuch sorgfältig geplant sein: Bei fehlender Erfolgsaussicht oder Gefahr der Atemwegsverlegung soll dieser unterbleiben und eine Rückkehr zur Spontanatmung angestrebt werden. Nach Spontanisierung und/oder Erwachen des Patienten kann dann ein alternatives Verfahren analog zum Vorgehen bei erwartet schwierigem Atemweg gewählt werden.

Scheitert die Maskenbeatmung als Rückfalloption nach einem ersten Intubationsversuch oder wird sie im Verlauf insuffizient, so liegt eine „cannot intubate, cannot ventilate“-Situation vor. Hier besteht eine akute Hypoxiegefahr für den Patienten.

Empfehlung: In der „cannot intubate, cannot ventilate“-Situation soll sofort Hilfe geholt werden. Aufgrund der fehlenden Oxygenierung sollen nur wenige Versuche der Atemwegssicherung durchgeführt werden. Zur Oxygenierung soll eine EGA platziert werden. Ist dies primär bereits gescheitert, sollte eine andere Größe oder eine alternative EGA verwendet werden. Scheitert auch dies, soll eine direkte oder indirekte Laryngoskopie erfolgen. Einen wichtigen Stellenwert hat hierbei die Videolaryngoskopie. Bei fortbestehender Erfolglosigkeit ist zu überdenken, ob eine Rückkehr zur Spontanatmung möglich ist. Ist dies der Fall, so soll man den Patienten spontanisieren bzw. aufwachen lassen. Ist dies nicht möglich, soll mit einer weiteren Alternative ein Versuch der Atemwegssicherung durchgeführt werden. Hier soll das Instrument/Hilfsmittel gewählt werden, welches in der entsprechenden Situation die besten Erfolgsaussichten hat, unmittelbar verfügbar ist und vom Anwender beherrscht wird. Parallel soll bereits ein translaryngeales oder transtracheales Verfahren vorbereitet werden. Scheitert auch dieser Versuch, soll bei fallender bzw. unzureichender Sauerstoffsättigung das translaryngeale oder transtracheale Verfahren eingesetzt werden. Nur bei guter Oxygenierung kann erneut über das Aufwachen des Patienten nachgedacht werden und ggf. ein weiterer Versuch zur Atemwegssicherung erfolgen.

Obwohl mithilfe dieses Algorithmus die Mehrzahl von unerwartet schwierigen Atemwegssituationen bewältigt werden kann, ist er nicht uneingeschränkt auf jede erdenkliche Situation übertragbar.

Empfehlung: Eine Beurteilung der Atemwege (Warum scheitert die Sicherung der Atemwege?) sowie eine Kontrolle der Vitalparameter soll bei jedem Schritt des Algorithmus erfolgen und dieser Schritt bei Aussichtslosigkeit oder drohender Asphyxie übersprungen werden.

Jeder erfolgreiche Versuch der Atemwegssicherung endet mit der Kontrolle der Ventilation bzw. Spontanatmung. Trotzdem kann es möglich sein, dass weitere Maßnahmen notwendig sind: Wird beispielsweise mithilfe einer EGA die akut bedrohliche Situation beherrscht, kann dennoch die anschließende Platzierung eines Endotrachealtubus aus verschiedenen Gründen erforderlich sein.

Sicherung der Atemwege bei Patienten mit Aspirationsrisiko

Empfehlung: Bei Patienten mit hohem Aspirationsrisiko soll die Einleitung der Allgemeinanästhesie primär ohne Maskenbeatmung erfolgen. Sind Prädiktoren für einen schwierigen Atemweg vorhanden, sollte die Indikation zur Intubation unter erhaltener Spontanatmung großzügig gestellt werden.

Empfehlung: Bei der sog. „rapid sequence induction“ (RSI, synonym: Ileuseinleitung, Crush-Intubation, Blitzeinleitung) soll nach Einleitung der Allgemeinanästhesie und suffizienter neuromuskulärer Blockade ohne Zwischenbeatmung die endotracheale Intubation erfolgen. Bei akut hypoxiegefährdeten Patienten kann eine druckbegrenzte Zwischenbeatmung oder eine maschinelle druckkontrollierte Beatmung die Oxygenierung sicherstellen [84].

Die Datenlage zur Anwendung des Krikoiddrucks zur Verhinderung einer möglichen Regurgitation von Mageninhalt bei aspirationsgefährdeten Patienten ist nicht eindeutig. So zeigen Publikationen, dass der Krikoiddruck häufig technisch inkorrekt durchgeführt wird [85], ein zuverlässiger Verschluss des Ösophagus durch den Krikoiddruck nicht regelhaft erreicht werden kann [86, 87] und der Muskeltonus des unteren Ösophagussphinkters durch das Manöver herabgesetzt werden kann [88]. Zudem kann die Anwendung des Krikoiddrucks eine Maskenbeatmung und direkte sowie indirekte Laryngoskopie erschweren [89]. Andererseits ist die Kompression des Ösophagus möglich [90], sodass eine gewisse Barriere bei einer Regurgitation besteht [91].

Empfehlung: In Abwägung von potenziellem Nutzen und Risiko kann auf die routinemäßige Anwendung des Krikoiddrucks verzichtet werden. In Einzelfällen, speziell unter Sichtkontrolle, kann der Krikoiddruck hilfreich sein, um eine Regurgitation zu verringern oder zu verhindern. Bei schwieriger Maskenbeatmung oder schwieriger Laryngoskopie soll der Krikoiddruck gelockert oder aufgehoben werden.

Mindestausstattung des anästhesiologischen Arbeitsplatzes

Empfehlung: Grundsätzlich sollen an jedem anästhesiologischen Arbeitsplatz Material und Instrumente kurzfristig verfügbar sein, die eine Atemwegssicherung auf jeder der 4 Ebenen im Rahmen von elektiven Eingriffen, aber auch bei Notfällen erlauben (Tab. 5).

Tab. 5 Mindestausstattung für den anästhesiologischen Arbeitsplatz

Dokumentation und Aufklärung

Empfehlung: Die Dokumentation jeder Atemwegssicherung soll erfolgen und detaillierte Auskunft über aufgetretene Schwierigkeiten geben.

Die zur Maskenbeatmung, Atemwegssicherung und Intubation verwendeten Hilfsmittel, Instrumente, ggf. die beste erreichte Sicht auf die Glottis sowie die Anzahl der Versuche bis zur definitiven Sicherung der Atemwege sollen aus der Dokumentation hervorgehen.

Empfehlung: Die Klassifikation nach Cormack und Lehane soll auch für die Videolaryngoskopie verwendet werden.

Die Aufzeichnung soll so erfolgen, dass zu einem späteren Zeitpunkt nachvollziehbar ist, mit welchem Instrument welcher Laryngoskopiebefund möglich war [92]. Ebenso soll dokumentiert werden, ob für den erhobenen Befund eine externe Manipulation (OELM oder BURP) durchgeführt wurde und ob für die erfolgreiche Intubation ein Führungsstab oder anderes Hilfsmittel notwendig war.

Empfehlung: Für eine spätere Betrachtung sollten Tubusgröße, Cuffdruck, Intubationstiefe, Platzierung einer Rachentamponade und besondere Kopflagerungen dokumentiert werden.

Empfehlung: Nach einer erschwerten Atemwegssicherung sollen die Umstände und die zur Lösung des Problems verwendeten Verfahren im Narkoseprotokoll sorgfältig dokumentiert werden. Zudem soll in diesem Fall immer eine Patienteninformation in allgemein verständlicher Form erfolgen. Dabei sollen Zeitpunkt, Klinik sowie Art und Lösung der Probleme in schriftlicher Form mitgeteilt werden. Dafür soll der von der DGAI herausgegebene Anästhesieausweis vorgehalten und dem Patienten mit den entsprechenden Informationen ausgehändigt werden.

Maßnahmen nach der Atemwegssicherung

Empfehlung: Nach erfolgter Atemwegssicherung soll die korrekte Lage des Endotrachealtubus bzw. der EGA verifiziert werden.

Sichere Verfahren bei Verwendung eines Endotrachealtubus sind die exspiratorische CO2-Messung mittels Kapnographie und die Intubation unter (direkter bzw. indirekter) Sicht.

Empfehlung: Zum Ausschluss einer zu tiefen Tubuslage soll die Auskultation des Thorax erfolgen.

Nach adäquat tiefem Vorschieben einer EGA sind eine typische Kapnographie- sowie Flow-Kurve, hohe Dichtigkeit während der Beatmung und beidseitiges Atemgeräusch Zeichen einer korrekten Lage. Zur Positionskontrolle von EGA mit gastralem Drainagekanal sind verschiedene Tests beschrieben (s. Kapitel Techniken zur Sicherung der Atemwege).

Empfehlung: Sowohl nach Platzierung eines Endotrachealtubus als auch einer EGA soll der Cuffdruck überprüft und ggf. angepasst werden.

Für die Applikation von Kortikosteroiden nach schwieriger Atemwegssicherung oder prolongierten Manipulationen im Bereich des Larynx zur Prävention eines Larynxödems gibt es keine klare Studienlage. Die Gabe einer Einmaldosis 1 h vor geplanter Extubation ist uneffektiv [93, 94]. Im Gegensatz hierzu senken mehrere Einzeldosen beginnend 12–24 h vor Extubation die Inzidenz eines Postextubationsstridors [95, 96].

Extubation nach schwieriger Atemwegssicherung

Die Extubation kann vor allem nach schwieriger Atemwegssicherung ebenso kritisch wie die Intubation sein. Ungefähr ein Drittel der im Rahmen des Atemwegsmanagements beobachteten schwerwiegenden Zwischenfälle treten direkt nach Extubation bzw. in der anschließenden Aufwachraumphase auf [97]. Häufige Ursachen für Atemwegsprobleme nach Extubation zeigt Tab. 6.

Tab. 6 Häufige Ursachen für Atemwegsprobleme nach Extubation
Tab. 7 Konsensuseinstufung

Empfehlungen für die Extubation

Empfehlung: Vor der Extubation sollen Prädiktoren für eine schwierige Reintubation erkannt werden. Bei möglichen Problemen sollte für die geplante schwierige Extubation eine klare Strategie verfolgt werden.

In Abhängigkeit vom Patienten und der durchgeführten Prozedur kann die Evaluation des supraglottischen Bereichs vor Extubation am schlafenden Patienten sinnvoll sein. Dies kann mithilfe der Videolaryngoskopie erfolgen.

Empfehlung: Zur Erkennung eines Larynxödems kann der Nebenlufttest durchgeführt werden.

Hierzu wird der Cuff entblockt und bei den ersten 6 Atemzügen die Differenz aus in- und exspiratorischem Tidalvolumen bestimmt. Bei einem (mittleren) Nebenluftvolumen von mehr als 110 ml pro Atemzug besteht ein geringes Risiko für ein klinisch relevantes Larynxödem [98].

Die fachliche Kompetenz eines Hals-Nasen-Ohren- oder Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgen kann unmittelbar erforderlich sein. Gegebenenfalls ist eine „Koniotomie-/Tracheotomiebereitschaft“ notwendig.

Empfehlung: In besonderen Situationen kann ein Atemwegskatheter (z. B. spezieller Extubationskatheter) vor Extubation endotracheal platziert werden, über den eine Sauerstoffinsufflation bzw. (Jet-)Ventilation möglich ist und der als Leitschiene für eine notwendige Reintubation dienen kann.

Bei Patienten mit erwarteten Schwierigkeiten während der Extubation aufgrund eines hyperreagiblen Tracheobronchialsystems kann in besonderen Situationen zur assistierten Ventilation und zur Vermeidung eines Hustenreizes der Endotrachealtubus frühzeitig entfernt und eine EGA platziert werden.

Empfehlung: Die Überwachung des extubierten Patienten soll durch qualifiziertes Personal erfolgen. Neu auftretende Symptome, die auf die Entstehung einer Atemwegskomplikation hinweisen, wie z. B. Heiserkeit, (zunehmende) Schwellung, Schluckbeschwerden, Thoraxschmerzen und Emphysembildung, sollen frühzeitig erkannt werden.

Im Algorithmus „Vorgehen bei geplanter Extubation“ wird das Vorgehen grafisch dargestellt (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Algorithmus „Vorgehen bei geplanter Extubation“

Abb. 4
figure 4

Sicht auf die Glottisebene nach Cormack und Lehane. Die Grade I–IV entsprechen einer zunehmend geringer werdenden Anzahl sichtbarer Strukturen: Grad I: Stimmbänder komplett einsehbar. Grad II: nur Aryknorpel und hinterer Abschnitt der Stimmritze sichtbar. Grad III: nur Epiglottis sichtbar. Grad IV: Epiglottis nicht einstellbar, nur Zungengrund sichtbar (keine anatomischen Strukturen des Larynx einstellbar) [99]

Abb. 5
figure 5

Modifizierte Mallampati-Klassifikation der Atemwege nach Samsoon und Young: Grad I: volle Sichtbarkeit des weichen Gaumens, der Uvula und der seitlichen Gaumenbögen. Grad II: seitliche Gaumenbögen und Spitze der Uvula nicht mehr sichtbar. Grad III: weicher und harter Gaumen sichtbar. Grad IV: nur harter Gaumen sichtbar [99].

Ausbildung und Training

Empfehlung: Für die erfolgreiche Sicherung des unerwartet und erwartet schwierigen Atemwegs sollen eine fundierte Ausbildung und regelmäßiges Training erfolgen.

Bei Problemen der Atemwegssicherung sind nur die Instrumente und Techniken Erfolg versprechend, die auch bei elektiven Patienten regelmäßig eingesetzt und somit beherrscht werden.

Empfehlung: Für die translaryngealen/transtrachealen Techniken sollte ein regelmäßiges Training an Atemwegstrainern erfolgen.

Zudem können durch die regelmäßige Anwendung der translaryngealen Anästhesie im Rahmen von flexiblen endoskopischen Intubationen unter Spontanatmung die Identifizierung und die Punktion des Lig. cricothyroideum erlernt werden.

Empfehlung: Das Erlernen der einzelnen Techniken sollte grundsätzlich in 4 Schritten erfolgen:

  1. 1.

    Erwerben der theoretischen Kenntnisse,

  2. 2.

    Übung der Techniken und Fertigkeiten an Atemwegsphantomen und Atemwegssimulatoren,

  3. 3.

    Einsatz der Techniken unter Aufsicht bei Patienten mit einem unauffälligen Atemweg. Dies soll so lange erfolgen, bis eine sichere Handhabung auch in Notfallsituationen gewährleistet ist,

  4. 4.

    Einsatz der Techniken unter Aufsicht bei Patienten mit schwierigem Atemweg und regelmäßiger Einsatz in der klinischen Routine

Kernbotschaften

  1. 1.

    Zur präoperativen Evaluation des Atemwegs sollen eine Anamnese erhoben und eine klinische Untersuchung durchgeführt werden.

  2. 2.

    Folgende Mindestanforderungen zur Sicherung der Atemwege gelten für jeden anästhesiologischen Arbeitsplatz: Möglichkeit der Maskenbeatmung, Vorhaltung von EGA, Hilfsmittel zur direkten Laryngoskopie, Alternative zum Macintosh-Spatel (z. B. Videolaryngoskop) und Instrumentarium zur translaryngealen/transtrachealen Oxygenierung/Ventilation.

  3. 3.

    Bei Vorliegen von Prädiktoren oder anamnestischen Hinweisen für eine schwierige oder unmögliche Maskenbeatmung und/oder endotracheale Intubation soll die Intubation beim wachen, spontan atmenden Patienten mithilfe von flexiblen Intubationsendoskopen erfolgen.

  4. 4.

    Für den Einsatz von EGA im Rahmen der erweiterten Indikationen sollten Larynxmasken der zweiten Generation verwendet werden.

  5. 5.

    Nach Platzierung von EGA und suffizienter Ventilation soll der Cuffdruck überprüft und ggf. angepasst werden. Im Allgemeinen sollte ein Druck von 60 cmH2O nicht überschritten werden.

  6. 6.

    Bei unerwartet schwierigem Atemweg soll die Anzahl der primären direkten Laryngoskopieversuche auf 2 begrenzt bleiben.

  7. 7.

    Die Videolaryngoskopie hat einen wichtigen Stellenwert beim Management des unerwartet schwierigen Atemwegs.

  8. 8.

    Bei gescheiterter Intubation und frustranem Oxygenierungsversuch mit anderen Hilfsmitteln soll bei fallender bzw. unzureichender Sauerstoffsättigung umgehend ein translaryngealer oder transtrachealer Zugang etabliert werden.

  9. 9.

    Für eine geplante schwierige Extubation soll eine klare Strategie bestehen.

  10. 10.

    Für das erfolgreiche Management des unerwartet und erwartet schwierigen Atemwegs sollen eine fundierte Ausbildung und regelmäßiges Training erfolgen sowie ein an die jeweilige Klinik adaptierter Algorithmus verfügbar sein.