Zusammenfassung
Hintergrund
Die Betreuung reanimationspflichtiger Patienten im palliativen Erkrankungsstadium erfordert in der präklinischen Versorgung häufig ein Abweichen von notfallmedizinischen Algorithmen. Deshalb sollte der Notarzt über besondere rechtliche, palliativmedizinische und ethische Kenntnisse und Erfahrungen in der Betreuung von Palliativpatienten am Lebensende verfügen. Insbesondere aus rechtlicher Sicht erfordern Reanimationen bei Palliativpatienten ein differenziertes Vorgehen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, mittels Darstellung einer Fallserie reanimationspflichtiger Palliativpatienten rechtliche Besonderheiten zu diskutieren und mögliche notärztliche Vorgehensweisen zu empfehlen.
Methodik
Wir analysierten retrospektiv eine Fallserie notfallmedizinischer Einsätze bei Palliativpatienten am Lebensende. Auf der Basis dieser Fälle werden rechtliche Unsicherheiten und begehbare Wege/Optionen in der Versorgung dieser Patienten dargestellt und diskutiert.
Ergebnisse
Die Fallberichte stellen 6 unterschiedliche notfallmedizinische Therapiekonzepte und rechtliche Besonderheiten bezüglich der Versorgung von Palliativpatienten bei Störungen der Herz-Kreislauf-Funktion dar. Die unterschiedlichen therapeutischen Vorgehensweisen zeigen sich in der Entscheidung von Notärzten und Rettungsassistenten, lebenserhaltende Maßnahmen zu beginnen, diese fortzusetzen bzw. zu beenden oder eine symptomkontrollierte Therapie durchzuführen. In der Handlungsweise bestehen zwischen Rettungsassistenten und Notärzten deutliche Unterschiede, die für den Patienten in der weiteren notfallmedizinischen Versorgung bedeutsam sind. So beginnen Rettungsassistenten entsprechend ihrer Ausbildung trotz Vorliegens einer gültigen Patientenverfügung (z. B. Ablehnung lebensverlängernder Maßnahmen) eher mit Reanimationsmaßnahmen als Notärzte.
Schlussfolgerungen
Jeder Notarzt und Rettungsassistent kann mit der Versorgung von sich in der letzten Lebensphase befindenden Patienten konfrontiert werden. In diesen Fällen entspricht eine Versorgung entsprechend notfallmedizinischern Algorithmen nicht immer dem Patientenwunsch. Insbesondere rechtliche Unsicherheiten im Rahmen der Therapieentscheidung, gerade auch bezüglich der aktuellen Gesetzgebung zu Patientenverfügungen, können vom Patienten nicht gewünschte Konsequenzen nach sich ziehen. Der Notarzt und der Rettungsassistent müssen sich trotz einer akuten Situation der rechtlichen Besonderheiten, die sich bei der Behandlung solcher Patienten ergeben, bewusst sein. Insbesondere das Vorliegen einer schriftlichen Verfügung mit eindeutiger Ablehnung von Reanimationsmaßnahmen erfordert grundsätzlich deren Unterlassen.
Abstract
Background
The treatment of out-of-hospital palliative emergency care situations during cardiac arrest is a special situation. The prehospital emergency physician (EP) and the paramedic must be informed about the medical, legal, and ethical specifics of these situations, but this knowledge is not integrated within emergency medical curricula at all. We present a case study to discuss such legal and ethical specifics.
Methods
We retrospectively analysed six emergency cases with palliative care patients in the final stages of their illnesses. On the basis of these case studies, we present six different emergency cases with different regulatory frameworks for each EP and paramedic. In accordance with the Declaration of Helsinki, data were collected pseudonymously.
Results
The six case studies show therapeutic concepts concerning the emergency medical care of palliative care patients during cardiac arrest. The differences are apparent in the treatment given by EPs and by paramedics (such as whether to start or stop resuscitation). EPs and paramedics differ in their therapeutic approach to these specific situations (e.g. paramedics more often start resuscitation during cardiac arrest even though patients would refuse this according to their advance directives). These differences may be important for the patient and his or her caregivers.
Conclusions
Every EP and paramedic may be involved in the care of palliative care patients who are at the end of their lives. EPs and paramedics do not always adapt their treatment to the will or supposed will of the patient (especially in accordance with the new German law concerning advance directives). The reasons for this usually concern legal uncertainties. Therefore, EPs and paramedics should know that different legal meanings could be important in emergency medical care therapy of palliative care patients. A written “do not resuscitate” order as an advance directive must be evaluated as a desired therapeutic limitation.
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Danksagung
Die Autoren danken den Notärzten und Rettungsassistenten der in die Untersuchung einbezogenen Notarztstandorte für ihre konstruktive Zusammenarbeit und für ihre Bereitschaft, an den Befragungen teilzunehmen.
Interessenkonflikt
Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Beteiligung der Autoren an der Untersuchung
Christoph H. R. Wiese, G. Gunnar Hanekop und David Ruppert waren an der Erarbeitung und Durchführung des Studiendesigns und der Studie sowie an der Manuskripterstellung beteiligt. Gunnar Duttge und Alexandra K. Weber bearbeiteten die juristische Beurteilung der exemplarischen Fallberichte. York A. Zausig und Bernhard M. Graf waren an der Mitbearbeitung und Editierung des Manuskriptes sowie wichtigen Korrekturen maßgeblich beteiligt. Alle Autoren haben die Endversion des Manuskriptes gelesen und sind mit der Publikation einverstanden.
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Wiese, C., Duttge, G., Weber, A. et al. Notfallmedizinische Betreuung von Palliativpatienten am Lebensende. Anaesthesist 58, 1097–1106 (2009). https://doi.org/10.1007/s00101-009-1627-8
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00101-009-1627-8
Schlüsselwörter
- Notfallmedizin
- Palliativmedizin
- Notfallmedizinische Algorithmen
- Patientenverfügung
- Entscheidungen am Lebensende