Die maschinelle Beatmung über einen invasiven Zugang (Trachealtubus oder Tracheostoma) ist seit Jahrzehnten als lebensrettende Intervention bei akuter Atmungsinsuffizienz etabliert. Mit dem Tubus einhergehende Nachteile, z. B. das Risiko der ventilator- oder tubusassoziierten Pneumonie (VAP) und die meist notwendige tiefe Sedierung, lassen sich jedoch bei vielen Patienten durch Einsatz eines nichtinvasiven Beatmungszugangs vermeiden.

Gestützt auf Ergebnisse der breiten klinischen Forschung haben die Anwendungsmöglichkeiten der nichtinvasiven Beatmung („non-invasive ventilation“, NIV) als Therapie der akuten respiratorischen Insuffizienz (ARI) in den letzten 20 Jahren erheblich zugenommen. Dennoch ist die NIV in der Akutmedizin noch nicht so verankert, wie sie es angesichts der Evidenzlage sein könnte. In einer Kohorte von 5183 beatmungspflichtigen Patienten im Jahr 1998 wurden nur 4,9% mit NIV behandelt [1]. In derselben Untersuchung wurden Patienten mit exazerbierter „chronic obstructive pulmonary disease“ (COPD) zu über 83% invasiv beatmet, obwohl die Evidenz für NIV bei dieser Indikation bereits zuvor erwiesen war [2]. Nach wie vor wird der Nutzen der NIV bezüglich unterschiedlicher Indikationen kontrovers diskutiert [2, 3].

Um die Anbindung der NIV an die Akutmedizin auf dem Boden der wissenschaftlichen Evidenz breiter zu etablieren, wurde die Leitlinie zur NIV als Therapie der ARI von 12 medizinischen Fachgesellschaften unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) entwickelt. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) war federführend und an der Finanzierung maßgeblich beteiligt (Infobox 1).

Im Folgenden wird auf die Methodik der Leitlinienentwicklung eingegangen. Die Kernempfehlungen der Leitlinie (mit Angabe der Empfehlungsstärken in Klammern) bilden den Schwerpunkt dieser Übersicht.

Methodik

Mit der Entwicklungsstufe S3 basiert die Leitlinie auf einer systematischen Literaturanalyse und einem interdisziplinären Konsensusprozess [4]. Das Projekt wurde durch die AWMF methodisch begleitet und moderiert. In 6 indikationsspezifischen Arbeitsgruppen führten die 28 Experten zunächst eine mehrstufige systematische Literaturanalyse durch. Eine zentrale Koordinierungsstelle führte die Literaturrecherchen durch und leistete bei der Literaturbewertung logistische Unterstützung. Mithilfe elektronischer Bewertungstabellen konnten individuelle Recherchen und Papierarbeit reduziert werden.

Literaturrecherche

Eine Recherche in den Datenbanken Medline und Cochrane im September 2005 ergab einen Grundkatalog von 2425 Treffern. Diese wurden bis Juni 2007 um 476 Fundstellen aktualisiert. Zusätzlich wurden Quellenverzeichnisse von Übersichtsarbeiten, persönliche Archive und sonstige informelle Hinweise ausgewertet. Jede Arbeitsgruppe hatte zwischen 350 und 1050 Veröffentlichungen zu analysieren.

Relevanzbewertung und qualitative Analyse

Im ersten Schritt wurden die Fundstellen auf ihre Relevanz untersucht. Jede Arbeit wurde von 2 Experten bewertet. Wesentliche Kriterien waren:

  • akute Atmungsinsuffizienz (d. h. keine Studien zur chronischen Atmungsinsuffizienz),

  • Therapie mit NIV und

  • eine je nach Indikation nicht zu schwache Evidenzstufe.

Mit dem letzten Punkt wird die Tatsache berücksichtigt, dass eine Studie auf niedrigem Level für Indikationen mit generell hoher Evidenz kaum zusätzliche Beweiskraft hat. Arbeiten in anderen Originalsprachen als Englisch oder Deutsch wurden nur ausnahmsweise berücksichtigt. Die Arbeitsgruppen akzeptierten nach diesen Kriterien zwischen 15 und 25% aller Publikationen.

Auch systematische Übersichten auf der Basis von Metaanalysen wurden bei homogener Datenlage als beweiskräftig akzeptiert. Reine Übersichtsarbeiten wurden dagegen als Expertenmeinungen niedriger Evidenzstärke klassifiziert.

Quantitative Evidenzbewertung

Dieser Teil der Literaturanalyse wurde wiederum im Vieraugenverfahren gemäß den Empfehlungen des Oxford Centre of Evidence Based Medicine (CEBM; [5]) durchgeführt. Die Zuordnung des Evidenzlevels anhand des Studiendesigns und der Qualität der Studien zeigt Tab. 1.

Tab. 1 Schema des Oxford Centre of Evidence Based Medicine für Evidenzstärken (Zusammenfassung; [5])

Standardisierte Checklisten (je eine für Originalarbeiten und systematische Übersichten) vereinheitlichten den Evaluationsprozess. Schließlich wurden 240 Arbeiten in der Leitlinie zitiert (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Literaturrecherche

Konsensuskonferenzen

Unter Moderation der AWMF wurden 2 Konsensuskonferenzen abgehalten. Dabei waren auch die Pflegeberufe und die Beatmungsgerätehersteller (Letztere ohne Stimmrecht) vertreten. Die erste Konferenz im Juli 2006 behandelte zentrale Aussagen im Leitlinientext und Algorithmen. In der zweiten Konferenz im April 2007 wurden die Empfehlungen in ihrer endgültigen Formulierung und die Empfehlungsstärken auf der Basis der Evidenzlage verabschiedet.

Von der Anmeldung des Projekts Ende 2004 bis zur Konsentierung durch 12 medizinische Fachgesellschaften im April 2008 dauerte die Entwicklung der Leitlinie über 3 Jahre.

Ergebnisse

Invasive und nichtinvasive Beatmung

Die mechanische Beatmung ist als oft lebensrettende Intervention zentraler Bestandteil der Intensivmedizin. Insbesondere beim schweren hypoxämischen Atmungsversagen z. B. im Rahmen eines „acute respiratory distress syndrome“ (ARDS), wenn ein positiver Atemwegsdruck über mehrere Tage aufrechterhalten werden muss [6, 7], führt meistens kein Weg an der Intubation vorbei. Invasive Beatmung über einen längeren Zeitraum kann jedoch zur tubus- oder ventilatorassoziierten Pneumonie (VAP) führen; sie stellt damit einen eigenständigen Risikofaktor für die Letalität auf Intensivstationen dar [8]. Die meist notwendige tiefe Sedierung und eine mögliche Abhängigkeit vom Respirator wirken sich nachteilig auf Behandlungsdauer, -kosten und -Outcome aus.

Bei einer Reihe von Indikationen können die Nachteile der invasiven Beatmung durch NIV als Therapie der ARI vermeiden werden (Tab. 2). Die Domäne der NIV ist v. a. die hyperkapnische ARI. Wenn es möglich ist, sollte auf die invasive Beatmung verzichtet und alternativ NIV eingesetzt bzw. frühzeitig extubiert werden [(A); [9]; zum Vergleich von invasiver Beatmung und NIV s. Tab. 3].

Tab. 2 Empfehlungsstärke und Indikationen für den Einsatz von NIV zur Therapie von Krankheitsbildern mit ARI
Tab. 3 Charakteristika der invasiven vs. der nichtinvasiven Beatmung

Die nichtinvasive Beatmung sollte nicht eingesetzt werden, wenn nach sorgfältiger Abwägung wichtige Gründe für einen invasiven Beatmungszugang sprechen (B). Diese sind gegeben, wenn eine hohe Druckkonstanz, das Offenhalten der Atemwege oder eine lange, unterbrechungsfreie Beatmung gefordert sind. Absolute Kontraindikationen der NIV sind in Tab. 4 aufgelistet. Beim Vorliegen einer relativen Kontraindikation für NIV (Tab. 4) kann im Einzelfall ein NIV-Versuch erfolgen. Engmaschiges Monitoring, ständige Intubationsbereitschaft und entsprechende Erfahrung des Behandlungsteams sind unbedingte Voraussetzung.

Tab. 4 Kontraindikationen für die nichtinvasive Beatmung

Technik der nichtinvasiven Beatmung

Beatmungsmodus

Die bevorzugte Beatmungsform zur Behandlung der ARI ist die Positivdruckbeatmung mit inspiratorischer Druckunterstützung (d. h. assistierender Modus), kombiniert mit einem positiven Atemwegsdruck in der Exspirationsphase („positive end-expiratory pressure“, PEEP) und Einstellen einer mandatorischen Sicherheitsfrequenz zum Apnoeschutz sowie einer bedarfsweisen Gabe von Sauerstoff zur Sicherstellung einer Sättigung von 85–90% [(D); [2]]. Für die meistens stark agitierten Patienten sind assistierende Beatmungsmodi geeignet, weil sie bei hohem Atemantrieb die Synchronisation zwischen Patient und Ventilator deutlich erleichtern [11]. Kontrollierte Beatmungsmodi werden, obwohl sie die bestmögliche Entlastung der Atemmuskulatur leisten, hier selten eingesetzt.

Wirkung

Die Applikation eines positiven Atemwegsdrucks über eine Maske oder einen Helm [12] führt zur Erhöhung des transpulmonalen Drucks und damit zu einer Vergrößerung des endexspiratorischen Lungenvolumens. Verschlossene Alveolarbezirke (Atelektasen) werden rekrutiert und offen gehalten. Die Atemarbeit des Patienten wird zudem durch inspiratorische Druckunterstützung wirksam entlastet. Nur noch selten kommt die Negativdruckbeatmung zum Einsatz [13].

Beatmungszugang (Interface)

Als Interface stehen Beatmungsmasken in vielen unterschiedlichen Bauformen (Abb. 2 abc) und der Beatmungshelm (Abb. 2 d) zur Verfügung. In der Initialphase der Therapie werden v. a. Mund-Nasen-Masken eingesetzt. Im weiteren Verlauf kann es erforderlich sein, zwischen verschiedenen Maskentypen oder -bauarten zu wechseln, um z. B. der Entstehung von Druckulzera vorzubeugen. Beatmungshelme werden vorwiegend bei Patienten mit hypoxämischer ARI eingesetzt [14]. Eine Übersicht der Interfaces zeigt Tab. 5.

Abb. 2
figure 2

a–d Interfaces. a Nasalmaske, b Mund-Nasenmaske, c Vollgesichtsmaske, d Beatmungshelm

Tab. 5 Vor- und Nachteile gebräuchlicher Interfaces

Beatmungsgeräte

Verschiedenste Beatmungsgeräte von Hightech-Intensivrespiratoren [11] bis hin zu einfachen portablen Geräten können zum Einsatz kommen. Die notwendigen Anforderungen (Tab. 6) werden mittlerweile von vielen Geräten erfüllt.

Tab. 6 Mindestanforderungen an Ventilatoren

Wichtige Aspekte zur praktischen Applikation

Die Vorgehensweise bei der Anwendung von NIV zur Therapie der ARI ist im Prinzip unabhängig von der Indikationsstellung (Abb. 3). In der Initialphase, d. h. während der ersten 1–2 h der NIV, ist darauf zu achten, dass eine ausreichende Ventilation sichergestellt ist und sich ein Erfolg der Beatmung einstellt (Tab. 7).

Abb. 3
figure 3

Algorithmus zur Anwendung der nichtinvasiven Beatmung

Tab. 7 Erfolgskriterien der nichtinvasiven Beatmung

Monitoring

Die wichtigsten Verlaufsparameter sind die arteriellen Blutgase, die Atemfrequenz, die Beurteilung der Dyspnoeempfindung sowie des Vigilanzniveaus des Patienten [(C); [2, 15, 16, 17]]. Verlaufskontrollen der Blutgasanalyse (BGA) sollten nach 30, 60 und 120 min erfolgen. Bei Fortführung der NIV wird die kontinuierliche Überwachung der Sauerstoffsättigung über wenigstens 24 h empfohlen (D). Bei NIV-Versagen muss die NIV umgehend beendet und es muss unverzögert intubiert werden (C).

Auf niedrigem Niveau stabile pH-Werte und ein stabil erhöhter paCO2 können während der NIV-Adaptation auch länger als 2 h toleriert werden, wenn sich der klinische Zustand des Patienten und andere in Tab. 7 aufgeführte Erfolgskriterien bessern [(C); [18]].

Personalbedarf

Der Personalbedarf bei NIV ist in der Initialphase der ARI-Therapie mit einem Patient-Therapeut-Verhältnis von 1:1 relativ hoch. Im weiteren Verlauf der Therapie lassen sich durch NIV Arbeitszeit und -aufwand einsparen [19, 20, 21, 22].

Einsatzort

Der bevorzugte Anwendungsort für NIV bei Patienten mit ARI ist die Intensivstation (D). Bei isolierter Atmungsinsuffizienz (Einorganversagen) kann NIV auch auf der Intermediärstation erfolgen [(D); [23, 24, 25, 26, 27]]. Nur unter personell und strukturell sehr günstigen Bedingungen kann NIV als frühzeitige Therapie bei weniger schwer exazerbierter COPD mit pH >7,30 auch auf der spezialisierten Normalstation begonnen werden (D).

Spektrum der Indikationen

Die Leitlinie gibt Empfehlungen für die Themenbereiche bzw. Indikationen:

  • hyperkapnische ARI,

  • hypoxämische ARI beim kardialen Lungenödem,

  • hypoxämische ARI anderer Genese,

  • ARI in der perioperativen Phase,

  • Entwöhnung und Postextubationsphase,

  • NIV in der Pädiatrie und

  • NIV bei palliativer Anwendung.

Hyperkapnische akute respiratorische Insuffizienz

Häufigste Ursache der hyperkapnischen ARI (mit der Definition: pH <7,35 und paCO2 >45 mmHg) ist die akut exazerbierte COPD (AE-COPD). Als Folge des erhöhten Atemwegswiderstands, der dynamischen Lungenüberblähung und der konsekutiven Abflachung des Zwerchfells kommt es hierbei zur Überlastung und drohenden Erschöpfung der Atemmuskulatur [28, 29].

Bei der Indikation „leicht- bis mittelgradige AE-COPD“ mit pH von 7,30–7,35 sollte NIV frühzeitig eingesetzt werden (A). Hierzu liegen randomisierte Studien mit übereinstimmenden Ergebnissen vor [30]. In Kombination mit der Standardtherapie senkt die NIV bereits in der ersten Stunde den paCO2, bessert den pH und senkt die Atemfrequenz. Sie reduziert die Intubationsfrequenz und vermindert die Krankenhausaufenthaltsdauer sowie die Letalitätsrate [31, 32, 33]. Auch für den weiteren pH-Bereich zwischen 7,2 und 7,35 ist die Effektivität der NIV nachgewiesen [30, 34]. Den klinischen Algorithmus zur Anwendung der NIV bei der hyperkapnischen ARI zeigt Abb. 4.

Abb. 4
figure 4

Algorithmus für NIV als Therapie der hyperkapnischer ARI. DNI „Do-not-intubate order”

Hypoxämische akute respiratorische Insuffizienz beim kardialen Lungenödem

Die Anwendung von „continuous positive airway pressure“ (CPAP) bei Patienten mit kardialem Lungenödem normalisiert das Ventilations-Perfusions-Verhältnis, senkt die kardiale Vor- und Nachlast und führt zu einer Reduktion der Atemarbeit sowie zur Verbesserung der Koronarperfusion. Verschiedene randomisierte Studien zeigt für CPAP/NIV bei Patienten mit kardialem Lungenödem gegenüber medikamentöser Standardtherapie eine schnellere Normalisierung der Blutgase und die Linderung der Dyspnoe [35, 36]. Eine multizentrische, randomisierte Studie mit 1069 Patienten fand jedoch keinen Unterschied in der Siebentagemortalität zwischen CPAP/NIV und Standardtherapie [37]. Als Therapie der hypoxämischen ARI bei kardiogenem Lungenödem sollte nach initialer nasaler Sauerstoffgabe primär CPAP eingesetzt werden (A). Die indizierte Pharmakotherapie sowie notwendige kardiologische Interventionen, wie z. B. Herzkatheter, dürfen jedoch nicht verzögert werden [(D); [38, 39, 40]]. Liegt eine Hyperkapnie vor, sollte zusätzlich zur Standardtherapie eine inspiratorische Druckunterstützung, d. h. NIV, zum Einsatz kommen. Sowohl ein adäquater inspiratorischer Druck („inspiratory positive airway pressure“, IPAP) mit dem Ziel der alveolären Normoventilation als auch ein ausreichend hoher exspiratorischer Druck („expiratory positive airway pressure“, EPAP) müssen eingestellt werden [(C); [41, 42, 43, 44, 45]].

Hypoxämische akute respiratorische Insuffizienz anderer Genese

Hypoxämie tritt als Symptom bei verschiedenen Grunderkrankungen (z. B. ambulant erworbene Pneumonie oder Thoraxtrauma mit Lungenkontusion oder sekundäres ARDS bei Sepsis) auf. Die Datenlage zum Stellenwert der NIV bei der hypoxämischen ARI ist z. T. schlecht differenziert und nicht homogen wie im Fall der hyperkapnischen ARI.

Bei Patienten mit rein hypoxämischer ARI konnte ein erfahrenes Team durch Einsatz von NIV das Intubationsrisiko, die Rate an septischen Schockgeschehen sowie die 90-Tage-Letalität gegenüber der Standardtherapie signifikant reduzieren [46]. Die nichtinvasive Beatmung wurde auch bei gemischt hypoxämisch-hyperkapnischer ARI, z. B. infolge Pneumonien bei Patienten mit COPD, erfolgreich eingesetzt [21, 47, 48, 49].

Bei (hämato-)onkologischen, immunsupprimierten Patienten sowie bei Patienten mit Aids und Pneumocystis-Pneumonie sollte CPAP bzw. NIV als Therapie der ARI zum Einsatz kommen [(A); [50, 51, 52]].

Die Beatmung von Patienten mit „acute lung injury“ (ALI) und ARDS stellt besondere Anforderung an die kontinuierliche Applikation von externem PEEP. Ursächlich hierfür ist im Wesentlichen die komplexe Pathophysiologie der zur hypoxämischen ARI führenden Grunderkrankungen. In Patientenkollektiven mit hypoxämischer ARI lag die NIV-Versagerquote bei 30% bei ambulant erworbener Pneumonie und mehr als 50% bei Patienten mit ARDS [7, 53]. Daher sollte NIV bei ARDS allenfalls in spezialisierten Zentren und unter engmaschigem Monitoring eingesetzt werden (D).

Akute respiratorische Insuffizienz in der perioperativen Phase

Während länger dauernder chirurgischer Eingriffe unter maschineller Beatmung kann es durch Abfallen der funktionellen Residualkapazität zum endexspiratorischen Verschluss kleiner Atemwege mit Ausbildung von Atelektasen kommen (Abb. 5; [54]). Diese bleiben über mehrere Tage bestehen.

Abb. 5
figure 5

Postoperative Atelektasenbildung. FRC „functional residual capacity“ (funktionelle Residualkapazität), CC „closure capacity“ (Verschlusskapazität)

Art und Dauer des operativen Eingriffs sowie präoperative Risikofaktoren [Rauchen, COPD, hoher American-Society-of-Anesthesiologists- (ASA-)Status, Alter] bestimmen den Schweregrad der postoperativen Lungenfunktionseinschränkung [55]. Nach großen chirurgischen Eingriffen müssen bis zu 20% der Patienten reintubiert werden [56, 57].

Bei Patienten mit erhöhtem Risiko für eine postoperative hypoxämische ARI können die Reintubationsrate und weitere Komplikationen durch die frühzeitige Anwendung von CPAP bzw. NIV unmittelbar nach der Extubation signifikant gesenkt werden (B).

Bei ARI in der postoperativen Phase von kardio- und thoraxchirurgischen Eingriffen führt NIV neben einer Verbesserung des Gasaustausches und der Hämodynamik zur Reduktion der Reintubations-, Komplikations- und Letalitätsrate [58, 59, 60, 61].

Die nichtinvasive Beatmung kann während der Bronchoskopie zur Verbesserung der Ventilation bzw. Oxygenierung eingesetzt werden [(C); [62, 63, 64, 65]].

Entwöhnung vom Respirator und Postextubationsphase

Generell führt die Verzögerung der Extubation zu einer Verschlechterung der Prognose. Daher sollten invasiv beatmete Patienten mit COPD möglichst frühzeitig (d. h. sobald NIV-Fähigkeit gewährleistet ist) extubiert und auf NIV umgestellt werden (A).

Bei Patienten mit hyperkapnischer ARI konnte die Erfolgsrate der Respiratorentwöhnung („weaning“) durch frühzeitige Extubation mit nachfolgender NIV (im Vergleich mit einer invasiv beatmeten Kontrollgruppe) signifikant gebessert werden. Auch die Letalitäts-, Reintubations-, Tracheotomie- und Komplikationsrate ließen sich senken. Beim schwierigen Weaning infolge hypoxämischer Atmungsinsuffizienz ist der Stellenwert der NIV dagegen umstritten.

Vor allem bei Risikopatienten mit COPD, hohem Alter, Herzinsuffizienz und Hypersekretion, die nach Extubation eine hyperkapnische ARI entwickeln, führt der prophylaktische Einsatz von NIV zur Reduktion der Reintubations- und Letalitätsrate [66, 67, 68, 69]. Randomisierte und kontrollierte Studien [3, 70] sprechen jedoch gegen den frühzeitigen Einsatz von NIV bei Patienten mit hypoxämischer ARI in der Postextubationsphase. Bislang kamen nur kleine, monozentrische Studien [71] hierbei zu positiven Ergebnissen.

Nichtinvasive Beatmung in der Pädiatrie

Die akute respiratorische Insuffizienz kann auch bei Kindern und Jugendlichen effektiv durch NIV behandelt werden (C). Anders als bei Erwachsenen gibt es jedoch bei Kindern und Jugendlichen außerhalb der Neugeborenenperiode kaum randomisierte Studien, die einen Vorteil der NIV gegenüber invasiver Beatmung belegen. Alle Empfehlungen hierzu beruhen daher auf Beobachtungsstudien.

Ein Therapieversuch der ARI mit NIV sollte bei folgenden Indikationen der invasiven Beatmung vorgezogen werden, sofern keine Kontraindikationen vorliegen (C):

  • akut exazerbierte zystische Fibrose (C),

  • ARI bei neuromuskulären Erkrankungen (C) und

  • bei immunsupprimierten Patienten (C).

Die nichtinvasive Beatmung als Therapie der ARI sollte bei Kindern immer auf der Intensivstation durchgeführt werden (C).

Nichtinvasive Beatmung als Palliativmaßnahme

Auch wenn palliative Therapie grundsätzlich mit dem Rückzug lebensverlängernder Maßnahmen einhergeht, kann der Einsatz der NIV in manchen Situationen indiziert sein. Ein Vorteil besteht in dieser speziellen Situation darin, dass während der Intervention eine gewisse Autonomie der Patienten erhalten bleibt. Eine aktuelle Erhebung ergab, dass ca. 30% der Patienten, die sich an ihrem Lebensende auf einer Intermediärstation befanden, mit NIV behandelt wurden [72]. Der Einsatz von NIV als palliative Maßnahme kann die Dyspnoe lindern und die Lebensqualität bessern [(C); [72, 73, 74]]. Auch beim Vorliegen einer Patientenverfügung, in der eine Intubation – aber nicht prinzipiell die Beatmung – abgelehnt wird, kann nach ausführlicher Aufklärung mit NIV begonnen werden [(B); [73, 75, 76, 77, 78, 79]]. Es ist aber streng darauf zu achten, dass die NIV bei dieser Indikation nicht zur Verlängerung des Leidensweges bzw. des Sterbevorgangs führt [80].

Fazit für die Praxis

Als Therapie der hyperkapnischen ARI, wie z. B. im Rahmen einer akut exazerbierten COPD, sollte NIV frühzeitig eingesetzt werden. Bei der hypoxämischen Verlaufsform ist CPAP bzw. NIV in bestimmten Fällen der invasiven Beatmung vorzuziehen; dies sind z. B. Patienten mit kardialem Lungenödem und immungeschwächte Patienten. Die nichtinvasive Beatmung kann zur postoperativen Prophylaxe des Intubationsversagens und bei schwierig von Langzeitbeatmung zu entwöhnenden Patienten mit hyperkapnischer ARI eingesetzt werden.

Die hypoxämische ARI auf dem Boden einer Pneumonie oder eines ARDS führt aus verschiedenen Gründen zu einer relativ hohen NIV-Versagerquote von 30 bis über 50%. Daher kann die Anwendung von NIV bei diesen Patienten nicht generell empfohlen werden.

Für die oben genannten Indikationsbereiche ist mittlerweile eine relativ gute Datenlage verfügbar. Diese spiegelt sich jedoch in der praktischen Anwendung der NIV im intensivmedizinischen Bereich noch nicht hinreichend wider. Die nun vorliegende Leitlinie soll hier Abhilfe schaffen.