Viele Patienten sind bei Ankunft in der Notaufnahme in einem kritischen Zustand und benötigen eine intensivierte notfall- und intensivmedizinische Versorgung. Während die Epidemiologie und die zu erwartenden Verletzungsmuster von Traumapatienten in Deutschland bekannt sind und erfolgreiche Versorgungskonzepte zum Einsatz kommen, liegen für nichttraumatologisch kritisch kranke Patienten im Schockraum weder klare Daten zur Epidemiologie vor, noch bestehen Vorgaben zur Struktur, Organisation und Versorgung. Das vorliegende Leitthema fasst daher die bisherigen Erkenntnisse zu der speziellen Entität nichttraumatologisch kritisch kranker Schockraumpatienten zusammen.

Zielsetzung der Schockraumversorgung

An der Nahtstelle zwischen prähospitaler Versorgung durch den Rettungs- und Notarztdienst und der frühen innerklinischen Versorgung im Schockraum einer Notaufnahme besteht die Notwendigkeit der optimalen Organisation der Übergabe und Weiterversorgung [4, 5, 17]. Der Schockraumpatient ist in der Regel durch ein schweres Trauma oder ein (oft noch unklares) akutes Ereignis vital bedroht und bedarf der akuten, strukturierten Versorgung durch ein interdisziplinäres und interprofessionelles Team [8]. Hierfür ist es essenziell, dass bereits vorab definiert ist, wo welcher kritisch kranke Patient im Krankenhaus zur Aufnahme kommt, welches Team hier zur Versorgung zur Verfügung steht und welche innerklinischen Versorgungspfade nach Identifikation der zugrunde liegenden Ursache der Vitalgefährdung greifen.

Die knappe und hochwertige Ressource Intensivbett kann effizienter genutzt werden

Für Schwerverletzte aller Altersstufen ist seit vielen Jahren zweifelsfrei und einvernehmlich geklärt, dass diese Patienten definitiv und regelhaft im Schockraum einer Notaufnahme zur Aufnahme kommen [28]. Für die entsprechende Schockraumversorgung liegen dabei klare Strukturen und interdisziplinär vereinbarte Vorgaben über das Weißbuch [11] und die S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletztenbehandlung [27] unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) vor. Hierin sind, neben Kommunikationspfaden und Aufnahmekriterien für den Schockraum, auch die räumlichen Vorgaben inklusive Ausstattungsinhalte und die interdisziplinäre und interprofessionelle Teamzusammensetzung geregelt. Für den schwerverletzten Patienten ist daher in Deutschland von einer flächendeckend annähernd vergleichbaren, qualitativ hochwertigen Versorgung auszugehen. Im Rahmen von verbindlichen Qualitätsprogrammen (TraumaRegister der DGU, [29]) wird die Versorgung von Traumapatienten gezielt erfasst und seit vielen Jahren zudem die Ergebnisqualität evaluiert.

Für nichttraumatologisch kritisch kranke Patienten bestehen solche strukturellen, organisatorischen und personellen Vorgaben bisher nicht in vergleichbarer Weise [4, 5, 17]. Seit dem Jahr 2014 haben sich erste Publikationen diesem Thema genähert. Dabei wurde die Schockraumversorgung nichttraumatologisch kritisch kranker Patienten (Synonym: konservatives Schockraummanagement) mit der von Traumapatienten verglichen und ein hoher Grad an Übereinstimmung identifiziert [4, 5]. Es ist derzeit jedoch nicht selbstverständlich, dass nichttraumatologisch kritisch kranke Patienten regelhaft im Schockraum einer Notaufnahme aufgenommen und primärversorgt werden. Neben den nachvollziehbaren Konzepten, in denen Patienten aus dem Rettungs- und Notarztdienst nach Identifikation eines ST-Hebungs-Infarkts in einem Bypassverfahren an der Notaufnahme direkt vorbei auf einen Katheterplatz aufzunehmen sind [18], besteht mancherorts das alternative Konzept, andere nichttraumatologisch kritisch kranke Patienten direkt auf einen Intensivbettplatz aufzunehmen [21]. Auch liegen Daten vor, die zeigen, dass bei fast 50 % der kritisch kranken Patienten die Ursache der Vitalbedrohung zum Beginn der innerklinischen Behandlung zunächst unklar ist [15]. Auch vor diesem Hintergrund hat die initiale Versorgung kritisch kranker Patienten durch ein notfallmedizinisches Team im Schockraum sowohl aus diagnostischer und therapeutischer Sicht als auch ressourcenplanerisch Vorteile. Die knappe und hochwertige Ressource Intensivbett kann hierdurch effizienter genutzt werden [2]. Nachfolgend wird daher auf das Versorgungskonzept nichttraumatologischer kritisch kranker Patienten eingegangen.

Bedarfsanalyse

Die Anzahl an Traumapatienten ist durch die Analysen der DGU bestens bekannt und wird jährlich mit bis zu 20.000 schwerverletzten Patienten in Deutschland beziffert. Derzeit wird von einer Übertriagierung zugunsten einer Schockraumversorgung von rund 70 % ausgegangen, um wirklich schwerverletzte Patienten nicht zu übersehen [27]. Somit werden jährlich in deutschen Notaufnahmen rund 40.000 Schockraumaktivierungen für Traumapatienten vorgenommen. Abhängig von dem Versorgungslevel der Traumaversorgung, unterteilt in lokales, regionales und überregionales Traumazentrum, ist von durchschnittlich 4 ± 4, 25 ± 25 und 85 ± 43 wirklich schwerverletzten Patienten pro Jahr (Injury Severity Score ≥ 16 Punkten) auszugehen [10]. Dabei ist es durchaus akzeptiert, dass die tatsächlich vorliegende Verletzungsschwere erst nach der Schockraumversorgung festgestellt und benannt werden kann. Der Schockraumdiagnostik kommt damit ein besonders hoher Stellenwert zu.

Eine Schockraumversorgung nichttraumatologisch kritisch Kranker ist vorzuhalten

Erste Daten aus Untersuchungen zur Entität des nichttraumatologischen Schockraummanagements gehen von rund 1,5–2,0 % kritisch kranken Patienten bezogen auf alle Patientenkontakte in der zentralen Notaufnahme pro Jahr aus [7]. Andere Untersuchungen gehen von einem Verhältnis von Nichttrauma- zu Traumaschockraumpatienten von bis zu 4:1 aus [23]. Dies verdeutlicht auch unter den Aspekten der Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) für ein gestuftes System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern [24], dass in Notaufnahmen eine Schockraumversorgung nichttraumatologisch kritisch kranker Patienten vorzuhalten ist. Diese Zahlen zeigen eindrücklich, dass dringend klare Vorgaben zur Organisation, Struktur und Ausstattung der Versorgung dieser Patienten zu formulieren und umzusetzen sind.

Aktueller Stand

In einer Onlineumfrage wurde unlängst durch die Arbeitsgruppe „Schockraum“ der Deutschen Gesellschaft Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) eine Ist-Analyse zur Situation des nichttraumatologischen Schockraummanagements unter Berücksichtigung der vorläufigen Einstufung der Krankenhäuser gemäß des GBA-Beschlusses in Basis-, erweitere und umfassende Notfallversorger durchgeführt [21]. Dabei weisen Notaufnahmen aller 3 Versorgungsstufen die wesentlichen und relevanten Kernelemente hinsichtlich struktureller, organisatorischer und ausstattungstechnischer Vorhaltungen für eine qualitativ hochwertige Versorgung nichttraumatologisch kritisch kranker Patienten auf [21]. Abgefragt wurden in dieser Umfrage die Vorhaltung eines Equipments für

  • Atemwegsmanagement und Beatmung (z. B. konventionelle Laryngoskopie, Videolaryngoskopie, Kapnographie, Bronchoskopie, Beatmungsgerät für nichtinvasive und invasive Beatmung),

  • Kreislauftherapie (z. B. Katecholamine, Spritzenpumpen, intraossäre Punktionssysteme, temporäre Schrittmacher),

  • Primärdiagnostik (z. B. Sonographiegeräte, Blutgasanalysegeräte, 12-Kanal-Elektrokardiogramm),

  • erweiterte Diagnostik (z. B. Röntgendiagnostik, Computertomographie) und

  • Spezialtherapie (z. B. Antidote).

Nur für einige wenige Ausstattungsmerkmale scheint in Abhängigkeit von der Versorgungsstufe noch ein Anschaffungsbedarf zu bestehen. In einem sehr hohen Prozentsatz werden in den befragten Notaufnahmen alle relevanten Notfallprozeduren (z. B. Atemwegsicherung inklusive alternatives Atemwegsmanagement, Beatmung, Bronchoskopie, Kreislaufstabilisierung, Punktionsverfahren des Abdomens und des Thorax, Instrumentierung zentraler Venen und arterieller Zugänge) und Schrittmacheranlagen durchgeführt [21].

Die meisten befragten Notaufnahmen führen alle relevanten Notfallprozeduren durch

Diese Umfrage zeigte jedoch auch, dass für die Vorhaltung fach- bzw. oberärztlicher Präsenz auch im Spät- und Nachtdienst noch erheblicher Erweiterungsbedarf besteht. Zudem ist die Zusatzweiterbildung „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ unabhängig von der zugrunde liegenden Facharztanerkennung als Qualifikationskriterium für das Kernteam zu fordern [21].

In Analogie zur Schwerverletztenversorgung (Advanced Trauma Life Support®, ETC®) besteht auch für nichttraumatologisch kritisch kranke Schockraumpatienten aus Sicht der Befragten dieser Umfrage die Notwendigkeit zur Entwicklung eines geeigneten Ausbildungskonzepts, das auf die Besonderheiten und den Bedarf im Rahmen der nichttraumatologischen Schockraumversorgung eingeht und vom Spektrum her weit über die bisherigen Kurskonzepte (Advanced Cardiac Life Support, ACLS®, Advanced Medical Life Support, AMLS®) hinausgeht [21].

Studienlage

Bisher liegen noch wenige Daten zur Versorgung nichttraumatologisch kritisch kranker Patienten vor. Die erste Untersuchung in Deutschland zu diesem Thema war die OBSERvE-Studie („observation of critically ill patients in the resuscitation room of the emergency department“), die über einen 1‑Jahres-Zeitraum die Schockraumversorgung von 532 nichttraumatologisch kritisch kranker Patienten in einer universitären Notaufnahme untersuchte [7]. Von den rund 34.300 Patientenkontakten wurde in 1,55 % eine nichttraumatologische Schockraumversorgung notwendig. Die Patienten (männlich: 58 %) der OBSERvE-Studie waren 67 ± 17 Jahre alt und wiesen eine Krankenhausletalität von 34 % auf. Das zur Schockraumaufnahme führende Problem gemäß des etablierten „ABCDE“-Schemas waren

  • in 4 % Atemwegsnotfälle („A“, Atemweg),

  • in 27 % respiratorische Probleme („B“, Be‑/Atmung),

  • in 35 % „C-Probleme“ („circulation“, Kreislauf),

  • in 33 % „D-Probleme“ („disabilities“, Vigilanzstörungen/Neurologie) und

  • in 1 % „E-Probleme“ („environement“, z. B. Hypo‑/Hyperthermie).

Das Spektrum der zugrunde liegenden Erkrankungen wies eine erstaunlich hohe Spannbreite auf (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Verteilung des Erkrankungsspektrums der 532 in der OBSERvE-Studie („observation of critically ill patients in the resuscitation room of the emergency department“) eingeschlossenen nichttraumatologisch kritisch kranken Schockraumpatienten. COPD chronisch-obstruktive Lungenerkrankung. (Modifiziert nach [7])

Eine fehlende Intensivbettenkapazität ging mit einem verlängerten Schockraumaufenthalt einher

Von diesen Patienten mussten 18 % prähospital und 12 % im Schockraum kardiopulmonal reanimiert werden. Die Überlebensrate der reanimierten Patienten war mit 27 % höher im Vergleich zu anderen europäischen Studien (EuReCa ONE: 10 % [13], EuReCa TWO: 8 % [14]). Die mittlere Versorgungsdauer im Schockraum bis zur Primärstabilisation betrug 34 ± 24 min. Am Ende der Schockraumversorgung wurde bei einem Anteil von 73 % der nichttraumatologisch kritisch kranken Patienten eine invasive bzw. nichtinvasive Beatmung und bei 25 % eine Katecholamintherapie durchgeführt. Die OBSERvE-Studie wies auch erstmals für das nichttraumatologische Schockraummanagement anhand der Surrogatparameter Blutdruck, Herzfrequenz, pulsoxymetrische Sauerstoffsättigung nach, dass in einem hochsignifikanten Anteil der Patienten eine Stabilisierung der Vitalfunktionen erreicht werden konnte [7]. In rund 20 % der Fälle kam es in der OBSERvE-Studie nach Abschluss der Schockraumversorgung zu Verzögerungen aufgrund von fehlenden innerklinischen Ressourcen. Führend war bei diesen Verzögerungen eine fehlende Intensivbettenkapazität in 70 % der Fälle, die mit einem verlängerten Schockraumaufenthalt bis zur Verlegung auf eine Intensivstation von im Mittel 56 ± 50 min einherging.

Eine weitere Untersuchung, die 2514 Patienten (Alter: 57 ± 22 Jahre, männlich: 59 %) mit einem Anteil nichttraumatologischer Ursachen von 77 % einschloss, stammt aus Belgien [23]. Die Tab. 1 zeigt dabei die Verteilung des Patientenspektrums im Vergleich zur OBSERvE-Studie sortiert nach den häufigsten verursachenden Erkrankungen, die zu einer Schockraumversorgung führen.

Tab. 1 Verteilung der Ursachen der Schockraumversorgungen

Darüber hinaus bestehen noch 2 Subgruppenanalysen zu dem Patientenspektrum der nichttraumatologischen kritisch kranken Patienten: In der sog. OcEAN-Studie wurde das prähospital und innerklinisch im Schockraum durchgeführte Atemwegsmanagement anhand der Daten der OBSERvE-Datenbank analysiert [3]. Die spezielle Entität des „Komas unklarer Ursache“ greift eine Studie der Charité in Berlin auf [9]. Hier wurden 325 Patienten (Alter: 66 Jahre, männlich: 56 %) in einem interdisziplinären „Komateam“ im Schockraum versorgt. Von diesen Patienten wurden 85 % auf einer Intensivstation aufgenommen und die Patientenkohorte wies eine Krankenhausletalität von 23 % auf.

Die Ergebnisqualität des nichttraumatologischen Schockraummanagements ist zu evaluieren

Analog zum Traumamanagement muss sich das nichttraumatologische Schockraummanagement kritisch kranker Patienten zukünftig auch einer noch zu etablierenden, aber nachvollziehbaren Evaluation der Ergebnisqualität unterziehen, um ebenso wie die Traumaversorgung eine flächendeckende, qualitativ hochwertige Notfallversorgung zu erreichen [4, 5]. Die ersten Schritte diesbezüglich wurden bereits unternommen, eine umfassende Umsetzung ist aber noch Gegenstand aktueller Bemühungen.

Versorgungskonzepte

Die dargestellte Studienlage zeigt, dass nichttraumatologisch kritisch kranke Patienten eine hohe Krankenhausletalität aufweisen und im Rahmen der Schockraumversorgung eine hohe notfallmedizinische Qualität und eine Vielzahl an invasiven Notfallprozeduren benötigen [7, 9, 23]. Für die Versorgung nichttraumatologisch kritisch kranker Patienten wird daher im Schockraum ein standardisiertes Vorgehen analog zum traumatologischen Schockraumpatienten gefordert [1, 2, 4, 5, 8]. Bei spezifischen Erkrankungen (z. B. Herzinfarkt, Schlaganfall, Sepsis [25]) gibt es zwar zeitliche Vorgaben und teilweise standardisierte Vorgehensweisen, es gibt aber keine Empfehlungen für das generelle Vorgehen beim kritisch kranken Patienten im Schockraum, oder wie diese zeitlichen Vorgaben am Übergang von prähospitaler zu klinischer Versorgung erreicht werden sollen [12]. Nicht unberücksichtigt bleiben sollte, dass die Schockraumversorgung nichttraumatologisch kritisch kranker Patienten teilweise wesentlich komplexer ist als diejenige von Traumapatienten [17]. Beim Trauma liegt eine häufig anamnestisch nachvollziehbare oder aber klinisch eindrucksvolle sichtbare Gewalteinwirkung auf den Körper vor oder kann anhand des Unfallmechanismus antizipiert werden. Beim kritisch kranken Patienten hingegen sind die Symptome vielfältig und häufig nicht unmittelbar eindeutig einer spezifischen Erkrankung zuzuordnen, sodass hier reflektierte Überlegungen und zahlreiche differenzierte diagnostische Schritte nötig sind, um eine fundierte Diagnose zu stellen [15].

Die Ergebnisse der OBSERvE-Studie [7] belegen auch die Relevanz und Notwendigkeit einer im Schockraum durchgeführten intermittierenden notfallmedizinischen Therapie auf intensivmedizinischem Niveau („bridging“) bis zur Schaffung eines freien Intensivbetts. Verlegungen in andere Krankenhäuser infolge eines Intensivbettenmangels konnten in der OBSERvE-Studie durch die fortgesetzte Betreuung der Patienten in der Notaufnahme auf ein absolutes Minimum reduziert werden [7]. So konnten auch die bekannten Komplikationen und Kosten eines sekundären bzw. postprimären Interhospitaltransfers umgangen werden. Diese Erkenntnisse sind insbesondere vor dem Hintergrund der Verknappung von Intensivkapazitäten zu Lasten der Notfallversorgung besonders bedeutsam, wobei gleichzeitig Kapazitäten für (elektive) operative oder interventionelle Eingriffe oftmals weiterhin frei gehalten werden [16]. Große operative Eingriffe oder komplexe Interventionen benötigen Intensivressourcen, die in direkter Konkurrenz zum Bedarf an Intensivbetten für die Notfallversorgung stehen [26]. Ab einer Auslastung der Intensivstation von 80–85 % ist die Wahrscheinlichkeit einer zeitnahen Intensivstationsaufnahme eines Patienten aus der Notaufnahme erheblich reduziert [19, 20].

Beim kritisch kranken Patienten sind die Symptome vielfältig und nicht unmittelbar zuordenbar

Vor diesem Hintergrund und den vorgestellten Studienergebnissen müssen Notaufnahmen sowohl in der Ausstattung als auch personell über eine ausreichende intensivmedizinische Kompetenz verfügen, um kritisch kranke Patienten auf intensivmedizinischem Niveau zumindest zeitweilig versorgen zu können und ggf. Versorgungsengpässe innerhalb der Klinik zu überbrücken.

Notaufnahmen müssen über eine ausreichende intensivmedizinische Kompetenz verfügen

In einer Untersuchung von Behringer et al. [2] waren Patienten, die durch den Notarzt als Intensivstationspflichtig eingeschätzt wurden, nach der Versorgung in der Notaufnahme nur noch mit 30 % tatsächlich intensivpflichtig. In einer anderen Untersuchung konnte auch gezeigt werden, dass die Fehleinschätzung durch Notärzte hinsichtlich der bestehenden Intensivpflicht eines Patienten bei der Direktaufnahme auf eine Intensivstation dazu führen würde, dass 50 % dieser Patienten unnötigerweise einen Intensivbettplatz belegen [6]. Nicht nur zu Zeiten der Pandemie durch das Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2 (SARS-CoV-2) spielt dieser Umstand eine wesentliche Rolle in der Alltagsroutine vieler Notaufnahmen.

Im GBA-Beschluss zur Neustrukturierung der stationären Notfallversorgung wird daher neben dem Anspruch, dass möglichst alle Notfälle über eine zentrale Notaufnahme aufgenommen werden, auch die Verfügbarkeit von Intensivbetten und die Belegung binnen 1 h aus der zentralen Notaufnahme für Krankenhäuser ab der erweiterten Notfallversorgung gefordert [24]. Durch die intensivmedizinische Kompetenz in Notaufnahmen wird diese Forderung sicherlich ergänzt und eingehalten werden können. Zusammenfassend wird deutlich, dass es auch im Bereich der Versorgung kritisch kranker nichttraumatologischer Patienten sinnvoll ist, ein strukturiertes Vorgehen zentral an einem Ort im Schockraum der zentralen Notaufnahme mit Beteiligung aller notwendigen Fachexperten zu etablieren [4, 5, 17]. Dabei darf es nicht darum gehen, bisher gut etablierte und bewährte Strukturen der fachspezifischen Notfallversorgung abzulösen, sondern diese bestmöglich in ein erweitertes Konzept zu integrieren.

Im Schockraum ist ein strukturiertes Vorgehen zu etablieren

Vor diesem Hintergrund erfolgte die strukturierte Entwicklung eines geeigneten Versorgungskonzepts. Die strukturellen und baulichen Anforderungen an die Schockraumversorgung sind in Tab. 2 zusammengefasst.

Tab. 2 Ausstattungsmerkmale für den Akutversorgungsbereich kritisch kranker Patienten in zentralen Notaufnahmen. (Modifiziert nach [4, 5, 17])

Mögliche Indikationen für eine nichttraumatologische Schockraumversorgung wurden bereits publiziert [4, 5, 17, 22] und in der OBSERvE-Studie [7] angewendet (Tab. 3). Für die Anwendung der Schockraumaufnahmeindikatoren in der OBSERvE-Studie wurde gezeigt, dass nur 0,07 % aller Patienten, die nicht durch die festgelegten Schockraumkriterien erkannt wurden, nachträglich den Weg in den Schockraum fanden [7].

Tab. 3 Schockraumaufnahmeindikationena. (Modifiziert nach [4, 5, 17])

Die personelle Besetzung des Schockraumbasisteams im nichttraumatologischen Schockraummanagement umfasst primär immer einen Notfallmediziner als Fach- bzw. Oberarzt des Kernteams der Notaufnahme [17]. Bei der Akutversorgung ist zu Beginn der Schockraumphase ein 2. Arzt erforderlich. Dies kann, in Anlehnung an die Vorgaben des Weißbuchs „Schwerverletztenversorgung“, auch ein Arzt in der Weiterbildung sein. Das Team der Pflegekräfte sollte am Anfang aus mindestens 2 Mitarbeitern bestehen, die zukünftig auch über die Ausbildung zur Notfallpflege verfügen sollten [17]. Je nach Bedarf treten die Ärzte und Pflegekräfte nach der Initialphase und Stabilisierung des Patienten ihre Funktionen wieder ab und widmen sich anderen Aufgaben in der zentralen Notaufnahme. Der Zeitpunkt hierzu wird vom Teamleiter festgelegt. Pflegekräfte sollten speziell für die Anforderungen im akut- und notfallmedizinischen Versorgungsbereich der zentralen Notaufnahme in der Schockraumversorgung von traumatologischen und nichttraumatologischen kritisch kranken Patienten ausgebildet und regelmäßig im Team mit den in der zentralen Notaufnahme eingesetzten Ärzten trainiert werden [17].

Bereits bei der Anmeldung des Patienten kann das Schockraumbasisteam um zusätzliche fachliche Expertisen, in Analogie und im Sinne eines erweiterten Schockraumteams beim Traumapatienten, erweitert werden (z. B. Kardiologie, Neurologie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Allgemeinchirurgie; [17]). Die Mitglieder dieses erweiterten Schockraumteams können sich aus jeder notwendigen Fachabteilung des Krankenhauses rekrutieren und die entsprechende Fachexpertise einbringen, die der individuelle Schockraumpatient benötigt. Hierbei ist eine möglichst zeitnahe (≤30 min) Verfügbarkeit essenziell [11].

Ausbildungskonzept Advanced Critical Illness Life Support

Die Ist-Analyse zum nichttraumatologischen Schockraummanagement zeigte, dass ein eigenständiges Versorgungskonzept unter Berücksichtigung des ABCDE-Schemas aus Sicht der Befragten notwendig ist [21]. Das damit assoziierte Ausbildungskonzept wird aktuell unter dem Namen Advanced Critical Illness Life Support (ACiLS®) von der Deutschen Gesellschaft für interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) entwickelt.

In einem neuartigen Kurskonzept werden vorab zunächst theoretische Inhalte der nichttraumatologischen Schockraumversorgung in einem E‑Learning-Modul vermittelt. Der zweitägige Präsenzteil enthält dann im Wesentlichen Praxistrainings, bei denen Kleingruppen interprofessionell und interdisziplinär analog zur geplanten Schockraumbesetzung den universellen Schockraumalgorithmus durchlaufen. Anhand diverser Leitsymptome (z. B. Dyspnoe, Thoraxschmerz, Vigilanzminderung) werden im klinischen Alltag relevante Notfallbilder simuliert und neben der initialen Stabilisierung der Vitalfunktionen („primary survey“) eine strukturierte Differenzialdiagnostik und Therapie vermittelt („secondary survey“).

Die Point-of-Care-Ultraschalluntersuchung (Lungensonographie, Notfallechokardiographie, erweiterte Abdomensonographie, Gefäßsonographie) ist dabei ein essenziellen Bestandteil der Schockraumversorgung und wird mit spezifischen symptomorientierten Untersuchungsabläufen unterstützt.

Für das Kurskonzept wurde ein eigener Schockraumalgorithmus entwickelt

Für das Kurskonzept wurde ein eigener Schockraumalgorithmus (PRE-AUD2IT) entwickelt, der allgemeine notfallmedizinische Versorgungskonzepte unter Berücksichtigung des etablierten ABCDE-Schemas und die Aufteilung in „primary“ und „secondary survey“ im Schockraummanagement enthält, aber der Komplexität nichttraumatologischer Notfallbilder durch eine differenzierte, strukturierte Diagnostik gerecht wird. Leitsymptomorientierte Differenzialdiagnosekarten (sog. LODs) fassen die klinisch relevanten Diagnosen und die benötigte Differenzialdiagnostik als Hilfestellungen bei verschiedenen Leitsymptomen zusammen. Weitere Kursbestandteile sind die Vermittlung notfallmedizinischer Skills, Kommunikation und Grundlagen des Team Resource Management bzw. Crisis Ressource Management (TRM bzw. CRM). Das ACiLS®-Kurskonzept wird derzeit von der Arbeitsgruppe „Schockraum“ der DGINA in Zusammenarbeit mit der DGINA-Akademie entwickelt und im Jahr 2021 inauguriert.

Fazit für die Praxis

  • Eine der wesentlichen Herausforderungen in den kommenden Jahren wird die gemeinsame Entwicklung des nichttraumatologischen Schockraummanagements unter Einbeziehung aller an der Notfallversorgung beteiligten Fachdisziplinen sein.

  • Um Kontinuität und Routine in der Versorgung kritisch Kranker zur gewährleisten und aufgrund der Komplexität der häufig multipel erkrankten Patienten, bedarf es eines in der Notfall- und Intensivmedizin geschulten festen Kernteams in der zentralen Notaufnahme und einer klaren Festlegung im Diagnostik- und Behandlungsablauf (z. B. Ausbildungskonzept Advanced Critical Illness Life Support, ACiLS®).

  • Hierbei muss eine gemeinsame Sprache gesprochen werden, um eine optimale Aufgabenverteilung zu realisieren und interdisziplinär eine Versorgungsstruktur für diese kritisch kranken Patienten in Notaufnahmen zu schaffen.