Die Sepsis ist die schwerste Verlaufsform einer Infektionserkrankung, die sich aus jedem Infektionsfokus entwickeln kann. Sie kann durch Viren, Bakterien, Pilze oder Parasiten hervorgerufen werden und Patientinnen und Patienten jeder Altersstufe betreffen [1]. Nach einer Weiterentwicklung der Sepsisdefinition ist das Vorliegen von Kriterien des sog. systemischen inflammatorischen Response-Syndroms (SIRS) nicht mehr Voraussetzung für die Diagnose einer Sepsis, sondern das Auftreten einer neuen Organdysfunktion, die durch die Wirtsantwort des Körpers auf eine Infektion ausgelöst wird [2]. Die schwerste Verlaufsform der Sepsis ist der septische Schock (Tab. 1). Die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO) geht davon aus, dass auch bei ca. 5 % der an COVID-19 erkrankten Patienten eine Sepsis vorliegt und entsprechend therapiert werden muss [3].

Tab. 1 Definition der Sepsis nach aktuellen Sepsiskriterien (Sepsis-3) [4]

Mit einer Sepsisdiagnose ist nicht nur ein erhöhtes Mortalitätsrisiko verbunden, Sepsisüberlebende haben auch ein im Vergleich zur Normalbevölkerung 3,3-fach erhöhtes Risiko, unter Einschränkungen im alltäglichen Leben zu leiden [5]. Dies kann diverse Einschränkungen oder neu aufgetretene Morbiditäten beinhalten wie beispielsweise ein kognitives oder neurologisches Defizit, motorische Einschränkungen oder eine Beatmungs- oder Dialysepflichtigkeit. Die mit den tatsächlichen Sepsiszahlen in den USA einhergehenden jüngsten Schätzungen der Behandlungskosten betragen jährlich 62 Mrd. USD [6].

Sepsis ist eine der häufigsten Erkrankungen und Todesursachen weltweit [7]. Die WHO hat daher 2017 in einer Sepsisresolution gefordert, in allen Mitgliedsstaaten nationale Maßnahmen zu initiieren, die zur Vermeidung von Sepsis, zur Verbesserung ihrer Früherkennung und Diagnose und zur besseren Behandlung von Sepsispatienten führen können [8]. In Deutschland hat aktuell der Gemeinsame Bundesausschusses (G-BA) das Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) mit der Entwicklung eines Qualitätssicherungsverfahrens zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Sepsis beauftragt [9]. Weil Grundlage für eine Verbesserung der Versorgung verlässliche Daten zur Krankenhaus- und Bevölkerungsinzidenz der Sepsis sind, die bisher aus vielen Ländern fehlen, fordert die WHO in ihrer Resolution auch, Sepsis besser im internationalen Klassifizierungssystem (ICD) zu dokumentieren.

Die Sepsisinzidenz ist für die Mehrzahl der Länder unbekannt [10]. In Industrieländern werden zunehmend Routinedaten, konkret Krankenhausabrechnungsdaten, zur Erhebung der Sepsisinzidenz verwendet [10]. International [11,12,13] und auch in Deutschland [14] wurde die Frage aufgeworfen, inwieweit es möglich ist, die Sepsisinzidenz in diesen Daten adäquat zu erfassen. Diese Übersichtsarbeit fasst den aktuellen Forschungsstand zur weltweiten und nationalen Sepsisepidemiologie zusammen und diskutiert Möglichkeiten und Limitationen der Erhebung der Sepsisepidemiologie in Routinedaten. Die dargestellten Daten beziehen sich auf die Sepsis nach Sepsis-3-Definition ([4]; Tab. 1), das heißt auf die Sepsis mit Organversagen, die vormals als schwere Sepsis bezeichnet wurde. Sie schließen Fälle von septischem Schock ein. Wird in den Originalstudien von schwerer Sepsis gesprochen, werden diese Fälle im Sinne einer einheitlichen Darstellung in diesem Beitrag als Sepsis betitelt.

Methodik

Selektive Literaturrecherche zur Identifikation systematischer Übersichtsarbeiten und Erhebungen des Global-Burden-of-Disease-Reports zur Inzidenz der Sepsis. Für Deutschland werden Studien dargestellt, die in einer aktuellen systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse zur weltweiten Sepsisinzidenz identifiziert wurden [15].

Sepsisinzidenz weltweit

Die Schätzung der weltweiten Sepsisinzidenz ist mit vielen Unsicherheiten verbunden, da Studien zur Sepsisinzidenz bis auf wenige Ausnahmen nur aus Industrieländern stammen, in ihrer Methodik sowie Sepsisdefinition und -erfassung häufig nur eingeschränkt vergleichbar sind und oft nur die Häufigkeit von Sepsis unter krankenhaus- oder intensivstationsbehandelten Patienten, nicht aber die Bevölkerungsinzidenz berichten [16, 17]. Einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Sepsisepidemiologie weltweit liefert die jüngste Studie des Institute for Health Metrics and Evaluation (IHME) (Washington, USA) die von 49 Mio. jährlichen Sepsisfällen und 11 Mio. sepsisassoziierten Todesfällen ausgeht [7]. Dies entspricht 19,7 % aller globalen jährlichen Todesfälle. Die Bevölkerungsinzidenz wird auf 677,5 pro 100.000 Personenjahre in 2017 geschätzt; diese nahm zwischen 1990 und 2017 um 37,0 % ab. Die IHME-Studie basiert auf der Extrapolation multikausaler Todesursachenstatistiken aus 4 Ländern und Krankenhausstatistiken aus 10 Ländern unter Einbeziehung länderspezifischer Daten zu Zugang und Qualität der Gesundheitsversorgung (sog. Healthcare Access and Quality [HAQ] Index). Sie bildet Sepsis erstmals in der Systematik des Global-Burden-of-Disease-Reports ab, in dem Sepsis als schwerste Komplikation von Infektionserkrankungen bisher nur über die auslösende Infektion und nicht als eigenständiges Syndrom erfasst wurde. Die neue Methodik ermöglicht es auch, die zugrunde liegenden Erkrankungen zu differenzieren. Es zeigte sich, dass etwa ein Drittel der Sepsisfälle bei Patienten mit zugrunde liegenden nichtübertragbaren Erkrankungen oder nach Unfällen auftritt.

Die errechneten weltweiten Fallzahlen der IHME-Studie sind deutlich höher als Schätzungen basierend auf einer aktuellen Metaanalyse von 51 Beobachtungsstudien [10], die eine Bevölkerungsinzidenz der Sepsis von 189 krankenhausbehandelten Sepsisfällen pro 100.000 Personenjahre fand (Sterblichkeit 26,7 %). Hier fand sich ein Anstieg der Sepsisinzidenz seit 2008 im Vergleich zum Zeitraum 1979–2008 (+46 %). Die Metaanalyse basiert primär auf Studien aus Ländern mit hohem Einkommen („high income countries“, HIC) und ein großer Teil der Studien basiert auf Routinedaten, was als Erklärung für die zur IHME-Studie gegensätzliche Beobachtung steigender Fallzahlen betrachtet werden kann (siehe Kapitel Möglichkeiten und Limitationen der Erhebung der Sepsisinzidenz in Routinedaten).

Der Anteil von Sepsis unter intensivstationsbehandelten Patienten liegt nach Erkenntnissen einer großen multizentrischen Beobachtungsstudie, an der im Jahr 2014 730 Intensivstationen aus 84 Ländern teilnahmen, international bei 29,5 % [18]. Bei 18,0 % der Patienten bestand die Sepsis bereits bei Aufnahme auf die Intensivstation. Es verstarben 35,3% dieser Patienten im Krankenhaus [18].

Der Anteil von nosokomialer Sepsis unter allen Sepsisfällen wird in einer aktuellen Metaanalyse auf 23,6 % (95 %-KI 17–31,8 %) geschätzt [19]. In 24,4 % (95 %-KI 16,7–34,2 %, „range“ 10,3–42,5 %) der auf Intensivstation behandelten Fälle wird die Sepsis als auf der Intensivstation erworben erachtet, in 48,7 % als im Krankenhaus erworben. Die gepoolte Inzidenz der nosokomialen Sepsis wird mit 56,5 (95 %-KI 35–90,2) pro 1000 Intensivstationspatienten beziffert.

Laut den Ergebnissen der IHME-Studie treten ca. 50 % der Sepsisfälle bei Kindern und Jugendlichen auf (in 2017: 20,3 Mio. inzidente Sepsisfälle bei Kindern unter 5 Jahren und 4,9 Mio. bei Kindern und Jugendlichen zwischen 5–19 Jahren; [7]). Die Inzidenz der neonatalen Sepsis wurde auf 2824 Fälle pro 100.000 Lebendgeburten in einer weiteren Metaanalyse geschätzt [20]. Die Sterblichkeit wird mit 17,6 % angegeben.

Sepsisinzidenz in Deutschland

Erste Daten zur Sepsisepidemiologie in Deutschland lieferte eine prospektive Punktprävalenzstudie, an der sich im Jahr 2003 454 Intensivstationen aus 310 deutschen Krankenhäusern beteiligten. Diese fand eine Sepsispunktprävalenz von 11,0 % unter Intensivstationspatienten. Die Intensivstations- bzw. Krankenhaussterblichkeit lagen bei 48,4 % bzw. 55,2 % für diese Patienten [21]. Zehn Jahre später fand eine prospektive multizentrische Beobachtungsstudie (INSEP-Studie) in 133 Intensivstationen in 95 Krankenhäusern in Deutschland eine Punktprävalenz von 17,9 % unter Intensivpatienten in Deutschland, was einer Inzidenz von 11,6 Sepsisfällen pro 1000 Intensivstationstagen entspricht [22]. Die Sterblichkeit von Sepsispatienten lag bei 34,3 % auf der Intensivstation und war 5,5-fach höher als bei Nichtsepsispatienten. Die Krankenhaussterblichkeit lag bei 40,4 %. Die Mehrzahl (57,2 %) der zugrunde liegenden Infektionen war im Krankenhaus erworben.

Im Jahr 2015 fand sich in Deutschland eine Inzidenz von 158 Sepsispatienten pro 100.000 Einwohner [23]. Der Anteil von Sepsispatienten unter allen Krankenhauspatienten lag bei 0,7 % [23]. Diese Fallzahlen beruhen auf einer Analyse der deutschlandweiten DRG-Statistik und beziehen sich auf in Krankenhausentlassungsdiagnosen mittels ICD-10-Codes verschlüsselten expliziten Sepsisdiagnosen. 53,8 % der Patienten mit krankenhausbehandelter Sepsis wurden auf Intensivstation behandelt und 41,7 % verstarben im Krankenhaus. Zwischen 2010 und 2015 nahm die Bevölkerungsinzidenz der Sepsis nach Erhebung aus Daten der DRG-Statistik um jährlich durchschnittlich 7,9 % zu, während die Sterblichkeit von 47,8 % auf 41,7 % sank. Das Durchschnittsalter und die mittlere Anzahl von Komorbiditäten der behandelten Sepsispatienten nahmen im Zeitintervall zwischen 2010 und 2015 zu [23]. Die IHME-Studie schätzt auf Basis der neuen Sepsisdefinition 279.000 Sepsisfälle pro Jahr in Deutschland [7].

Die Kosten für die Behandlung von Patienten mit kodierter Sepsis wurden im Jahr 2013 durch das Bundesversicherungsamt auf durchschnittlich 27.468 € pro Patient geschätzt. Basierend auf diesen Daten lassen sich für die stationäre und ambulante Behandlung von Patienten mit Sepsis jährliche Gesundheitskosten von 7,7 Mrd. € extrapolieren [24].

Möglichkeiten und Limitationen der Erhebung der Sepsisinzidenz in Abrechnungsdaten

Ein zunehmender Anteil von Beobachtungsstudien nutzt Routinedaten, das heißt beispielsweise Krankenhausabrechnungsdaten (DRG-Statistik, Daten nach § 21 Krankenhausentgeltgesetz) oder Daten der gesetzlichen Krankenkassen zur Erhebung der Sepsisinzidenz. Die DRG-Statistik stellt eine Vollerhebung der Entlassdiagnosen deutscher Krankenhäuser dar, was die Möglichkeit bietet, die Inzidenz der Sepsis in einem großen, unselektierten Patientenkollektiv unter Verwendung bereits verfügbarer Daten ohne einen mit prospektiven Studien vergleichbaren Aufwand zu erfassen und insbesondere auch nichtintensivstationsbehandelte Patienten in die Auswertungen einzubeziehen. Es bestehen keine Zweifel daran, dass diese Daten Limitierungen haben. Sie werden für Abrechnungs-, nicht für Forschungszwecke erhoben und sind daher prinzipiell anfällig für externe Einflussfaktoren beispielsweise monetärer Art.

Unter dem Eindruck, dass in den vergangenen 10–15 Jahren die aus administrativen Daten abgeleitete Sepsisinzidenz in den USA jährlich um ca. 5–10 % anstieg, gab es auch in den USA Diskussionen darüber, dass es aus finanziellen Gründen eine Überkodierung von Sepsis in Krankenhausentlassungsdiagnosen geben könnte [11]. Zum besseren Verständnis des Verhältnisses der Sepsisfallzahlen nach ICD-Diagnosen zu den (unbekannten) realen Sepsiszahlen müssen die Sensitivität und Spezifität der ICD-Diagnose betrachtet werden. Diese wurden beispielsweise in Studien durch die systematische Durchsicht von Krankenakten und die Identifikation von „echten“ Sepsisfällen basierend auf den klinischen Sepsiskriterien durch qualifizierte Ärzte untersucht. ICD-Diagnose (positiv vs. negativ) und echte Sepsis können dann abgeglichen werden, um Sensitivität und Spezifität zu berechnen. Abb. 1 gibt die Ergebnisse einer solchen Studie wieder, die am Universitätsklinikum Jena durchgeführt wurde [25].

Abb. 1
figure 1

Validität der ICD-Codierung von Sepsis mit Organdysfunktion

Aus der Tatsache, dass nur 56 % codierter Sepsisfälle auch nach Aktendurchsicht eine Sepsis hatten, könnte fälschlicherweise gefolgert werden, dass die Zahl an Sepsisfällen durch ICD-Diagnosen überschätzt wird. Hierbei würde man jedoch vernachlässigen, dass 75 % (1 – Sensitivität) der echten Sepsisfälle nicht kodiert wurden. Würden die in Abb. 1 berichteten Daten auf Deutschland übertragbar sein, würde sich durch epidemiologische Korrekturformeln [26] ergeben, dass nicht 0,7 % der Krankenhausfälle eine Sepsis hätten, sondern 1,2 % und dass die Zahl der Sepsisfälle somit statt 158 ca. 270/100.000 Einwohner betragen würde. Sofern die Sensitivität der Sepsiscodierung in außeruniversitären Häusern noch geringer ausfiele, würde die Unterschätzung der Fallzahl noch höher sein. Die Validierungsstudie wird derzeit in 10 Krankenhäusern wiederholt, um die Generalisierbarkeit dieser Ergebnisse zu überprüfen (OPTIMISE-Studie, Innovationsfonds-gefördert).

Auf eine deutliche Unterschätzung von Sepsisfällen durch ICD-Diagnosen weisen auch neuere Studien aus den USA und Schweden hin. In Schweden zeigte eine Studie auf Basis einer systematischen Aktendurchsicht zur Identifikation von Sepsisfällen eine Bevölkerungsinzidenz von 780 pro 100.000 Einwohner für Sepsis nach aktueller Sepsis-3-Definition. Nur 16 % der in der Aktenanalyse identifizierten Sepsispatienten hatten auch einen ICD-Entlasscode für Sepsis erhalten [27].

Eine andere Methodik wurde in einer vom Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in diesem Zusammenhang finanzierten Studie [12] angewendet. Sepsisfälle wurden hier auf Basis elektronischer Patientenakten mittels eines Algorithmus, der klinische Informationen, wie Blutkulturentnahme, Medikamentengaben und Vitalparameter, verrechnete, identifiziert. Bei Verwendung dieses Algorithmus fand sich im Vergleich zur Verwendung von ICD-Entlassdiagnosen zur Fallidentifikation eine mehr als doppelt so hohe Krankenhausinzidenz von Sepsis (6,0 % vs. 2,5 % aller Krankenhausfälle). Eine ebenfalls durchgeführte Validierungsstudie belegte die weit bessere Validität des Algorithmus gegenüber der ICD-Diagnosen (Sensitivität von 69,7 % vs. 32,3 %; Spezifität von 98,1 % vs. 99,3 %). Hochgerechnet auf die USA entsprechen diese elektronischen krankenaktenbasierten Daten einer Sepsisinzidenz von 517 Sepsisfällen pro 100.000 Einwohner.

Auch aus der IHME-Studie wird die Unterschätzung der tatsächlichen Sepsisinzidenz auf Basis von ICD-codierten Entlassdiagnosen und Todesursachen deutlich. Dies zeigt sich beim Vergleich mit den Sepsisfallzahlen aus Ländern, aus denen auch Daten basierend auf Auswertungen von Krankenakten vorliegen. So fanden sich auf dieser Basis für die USA 1,7 Mio. Sepsisfälle [12], während die IHME-Studie lediglich von 903.000 Fällen und 174.000 Todesfällen ausgeht. Ähnliche Diskrepanzen bestehen für Schweden zwischen der oben zitierten Studie basierend auf Krankenakten [27] und den IHME-Zahlen.

Insgesamt gibt es keinen objektiven Grund zu der Annahme, dass die Sepsishäufigkeit in den USA oder Schweden, die über Aktenanalysen bzw. elektronische Krankenakten erfasst wurden, höher ist als in Deutschland. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist aufgrund der mangelhaften Kodierung der Sepsis in administrativen Abrechnungsdaten derzeit in Deutschland von einer erheblichen Unterschätzung der Sepsis auszugehen. Die Zunahme der Sepsisinzidenz, die sich in der deutschen DRG-Studie und auch in vielen anderen Studien basierend auf Routinedaten zeigt, ist wahrscheinlich vor allem auf eine gesteigerte Aufmerksamkeit und verbesserte Diagnostik der Sepsis zurückzuführen, denn der Anstieg der im gleichen Zeitraum im ICD dokumentierten Infektionskrankheiten betrug jährlich nur 1,6 %. Es gibt aber auch mögliche objektive Gründe wie den demographischen Wandel und den medizinischen Fortschritt, der mit einem Anstieg der extremen Altersgruppen und einer Zunahme invasiver oder immunsuppressiver Therapien insbesondere bei Frühgeborenen und im hohen Lebensalter einhergeht [23, 28]. Dies kann auch eine Erklärung dafür sein, dass sich in der IHME-Studie zwar weltweit eine Abnahme der Sepsisinzidenz und der Zahl der sepsisbedingten Todesfälle zeigt, andererseits in Studien aus Ländern mit hohem Einkommen eine Zunahme von Infektionserkrankungen und steigende Sepsisfallzahlen zu verzeichnen sind.

Fazit für die Praxis

Sepsis tritt in Deutschland und weltweit mit einer hohen Inzidenz auf. Sie ist etwa mit jedem 5. Todesfall assoziiert. Abrechnungsdaten können als eine unselektierte und breit verfügbare Quelle zur Erfassung und Überwachung der Sepsisinzidenz dienen, sind aber anfällig für Verzerrungen durch Kodiereinflüsse und bilden nur einen Teil der Sepsiskrankheitslast ab. Um diese Defizite zu überwinden, müssen in Deutschland die Forderungen der WHO, die Dokumentation und die Abbildbarkeit der Sepsis im ICD-Kodiersystem zu verbessern und die Awareness für Sepsis zu steigern, dringend umgesetzt werden. Zur Surveillance der Sepsisinzidenz sollten neben Abrechnungsdaten auch elektronische Krankenakten oder prospektive Register genutzt werden, um Risikofaktoren, auslösenden Pathogene und Versorgungsdefizite zu erfassen. Auf dieser Basis können Interventionen zur Verbesserung der Prävention, Diagnostik und Therapie der Sepsis konzipiert und zielgerichtet implementiert werden.