Bei nahezu allen Patienten, die sich einer intensivmedizinischen Behandlung unterziehen müssen, liegen Organdysfunktionen zugrunde, die überwiegend Folge einer gestörten Makro- und/oder Mikrozirkulation sind und mit einer dadurch erheblich eingeschränkten zellulären Sauerstoffversorgung einhergehen (Hypoxidose).

Daneben treten meistens auch Störungen des pulmonalen Gasaustauschs als sog. respiratorische Insuffizienz in Erscheinung, bei der sich der erniedrigte arterielle Sauerstoffpartialdruck (PaO2) als arterielle Hypoxämie manifestiert. Neben dem Lungenversagen als solches können eine herabgesetzte Sauerstofftransportkapazität des Bluts (anämische Hypoxie) und ein reduzierter Blutfluss (z. B. Schock, eingeschränkte kardiale Pumpfunktion) als Stagnationshypoxie die globale Hypoxie noch weiter deutlich verstärken.

Neben dem kardialen Lungenödem und der Lungenarterienembolie ist das „acute respiratory distress syndrome“ (ARDS) für den Intensivmediziner von besonderer Relevanz, da die Schwere und Komplexität der Störung neben der Beseitigung des eigentlichen Auslösers meist eine längerdauernde invasive Beatmung notwendig macht.

Respiratorische Insuffizienz

Aktuell unterscheidet man das akute hypoxämische Lungenversagen als akute respiratorische Insuffizienz Typ I und das hyperkapnische Versagen als akute respiratorische Insuffizienz Typ II. Der Typ-I-Insuffizienz liegt eine Störung innerhalb des Lungenparenchyms zugrunde. Vor allem der äußere Gasaustausch ist kompromittiert und es entsteht eine arterielle Hypoxämie (PaO2 erniedrigt; Partialinsuffizienz). Hierbei können die alveoläre Ventilation, die alveolokapilläre Diffusion von Sauerstoff, die kapilläre Durchblutung der Alveolen (Perfusion) sowie die regionale Verteilung von Ventilation und Perfusion zueinander (Distribution) betroffen sein.

Demgegenüber steht die Insuffizienz der Atempumpe (Typ II), wodurch im Rahmen einer Hypoventilation eine Hyperkapnie manifest wird (PaCO2 erhöht; Globalinsuffizienz). Der Begriff der Atempumpe beinhaltet sämtliche anatomischen und auch funktionellen Gegebenheiten, die für die Atmung des Patienten erforderlich sind: Neben der zentralnervösen Atemsteuerung sind der knöcherne Thorax sowie dessen Muskulatur auf der einen, aber auch die mechanischen Eigenschaften des Lungenparenchyms und der Atemwege (Compliance, Widerstände) auf der anderen Seite gleichermaßen erforderlich. Körperliche Einschränkungen, die diesen Ablauf negativ beeinflussen können, führen im Verlauf fast immer zu einer verminderten Ventilation (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Typen der respiratorischen Insuffizienz. ARDS „acute respiratory distress syndrome“, COPD chronisch-obstruktive Lungenerkrankung

Im klinischen Alltag finden sich allerdings meistens Überlappungen beider Störungen (Typ III): Eine initiale Partialinsuffizienz, die anfänglich noch durch Steigerung des Atemminutenvolumens (Hyperventilation) kompensiert wird, kann durch progrediente Ermüdung der Atemmuskulatur langsam in eine Globalinsuffizienz mit Hyperkapnie übergehen.

Arterielle Hypoxämie

Die arterielle Hypoxämie wird im intensivmedizinischen Alltag in erster Linie durch den arteriellen Sauerstoffpartialdruck (PaO2) definiert, wobei grundsätzlich auch immer die inspirierte Sauerstoffkonzentration (FIO2) berücksichtigt werden sollte. Das Verhältnis aus PaO2 zu FIO2 wird als sog. Oxygenierungsindex (Horovitz-Quotient) zur Schweregradeinteilung des ARDS verwendet.

Um Funktionsstörungen des äußeren Gasaustauschs besser analysieren zu können, wird die alveoloarterielle Sauerstoffdruckdifferenz (AaDO2) hinzugezogen. Eine Erhöhung spricht hierbei für ein pulmonales Parenchymversagen. Damit es zu einem Gasaustausch zwischen den Kompartimenten (Alveole vs. Blut) kommt ist eine Partialdruckdifferenz zwischen Alveolen (PA) und dem arteriellen Blut (Pa) notwendig, entsprechend gilt:

$$AaDO_{2}=PAO_{2}-PaO_{2}.$$

Bei Raumluft liegt der AaDO2 normalerweise ungefähr zwischen 10 und 15 mmHg. Eine Vergrößerung des Aa-Gradienten wird durch einen erniedrigten arteriellen PaO2 und/oder einen erniedrigten arteriellen PaCO2 hervorgerufen.

Die arterielle Hypoxämie stellt gewissermaßen das Leitsymptom der respiratorischen Insuffizienz dar und wird im Wesentlichen von den folgenden 3 Faktoren beeinflusst.

Hypoventilation

Die globale Hypoventilation lässt durch einen Mangel an Sauerstoffzufuhr den alveolären Sauerstoffpartialdruck (PAO2) entsprechend abfallen und bei konstanter peripherer CO2-Produktion den PACO2 gleichzeitig ansteigen, weshalb es zur Ausbildung einer gemischten hypoxämischen hyperkapnischen Insuffizienz kommt. Der AaDO2 bleibt hierbei meistens unbeeinflusst, da der PAO2 und der PaO2 gleichermaßen betroffen sind.

Erhöhte Shuntfraktion (Qs/QT)

Als Shuntfraktion bezeichnet man den Anteil des venösen Bluts, der nicht durch die am direkten Gasaustausch beteiligten Kapillaren fließt. Dieser funktionelle intrapulmonale Rechts-Links-Shunt wird als das Verhältnis aus Shuntvolumen (Qs) zum gesamten Herzzeitvolumen (HZV; QT) definiert. Das Ausmaß einer daraus resultierenden arteriellen Hypoxämie wird demnach sowohl von der Menge der venösen Beimischung als auch von der Höhe des vorliegenden HZV bestimmt. Ab einem Shuntanteil von über 35 % des Gesamt-HZV hat die Erhöhung des FIO2 keinen Einfluss mehr auf die Oxygenierung des arteriellen Bluts.

Gestörte Ventilations-Perfusions-Beziehung (VA/QT)

Regionale Belüftungsstörungen (z. B. Sekretverhalt, Obstruktion) aber auch lokale Perfusionslimitierungen (z. B. Mikrothromben) können in unterschiedlichster Weise zu Hypoxämie und Hyperkapnie führen. Aus physiologischer Sicht besteht nahezu ein Gleichgewicht aus Ventilation und pulmonaler Perfusion (VA/QT = 1). Unterschiedlich lange Zeitkonstanten in einzelnen Lungenabschnitten, die durch erhöhte Atemwegswiderstände terminaler Atemwege und/oder eine verringerte Compliance hervorgerufen werden können, bedingen eine deutlich reduzierte VA/QT. Die Summe der regional erniedrigten VA/QT-Areale sowie der Anteil der reinen Rechts-Links-Shunts bestimmen die Höhe der venösen Beimischung am Gesamt-HZV und damit auch das Ausmaß der zu erwartenden arteriellen Hypoxämie. Im Gegensatz zum Rechts-Links-Shunt fällt der Anteil der venösen Beimischung der erniedrigten VA/QT-Areale zum arteriellen Blut allerdings wesentlich geringer aus, weshalb eine Erhöhung des FIO2 in aller Regel noch zu einer besseren Oxygenierung führen kann.

„Acute respiratory distress syndrome“

Bei dem akuten Lungenversagen handelt es sich um ein Syndrom, keine Krankheit per se, die zunehmend auch im deutschen Sprachgebrauch verkürzt als ARDS bezeichnet wird. Kürzlich wurde die ARDS-Definition im Rahmen einer Expertenkonferenz in Berlin überarbeitet [1]. Es wurden v. a. die Begrifflichkeiten klarer definiert und zuvor gebräuchliche, jedoch verwirrende theoretische Konstrukte, wie das Kontinuum von „acute lung injury“ (ALI) zum Vollbild des ARDS, abgeschafft. Konkret existiert nur noch das ARDS, das in 3 Schweregrade eingeteilt wird. Im Mittelpunkt steht weiterhin der Horovitz-Quotient (PaO2/FIO2). Erfüllung der Begleitkriterien (bilaterale Infiltrationen, nichtkardiales Ödem) vorausgesetzt erfolgt die Schweregradeinteilung des ARDS nach Ausmaß des Horovitz-Quotienten in eine leichte, moderate und schwere Form (Tab. 1 ). Zwar muss der positive endexpiratorische Druck (PEEP) hierfür mindestens > 5 cmH2O sein, doch wird sein absoluter Wert nicht berücksichtigt. Ein beatmeter Patient mit einem FIO2 von 0,9 bei einem PEEP von 7 und einem resultierenden PaO2 von 65 mmHg hat zumindest rechnerisch einen Horovitz-Quotienten von 72. Wird bei gleichem Patienten nun der PEEP auf ein adäquates Niveau von 15 cmH2O angehoben, steigt der PaO2 infolge der Rekrutierung bei gleichzeitiger Reduktion des FIO2, wodurch das per definitionem initial schwere in ein nun moderates ARDS überführt wird.

Tab. 1 Schweregradeinteilung des ARDS nach Ausmaß des Horovitzquotienten

Epidemiologie

Literaturangaben zur Inzidenz des Lungenversagens variieren teilweise erheblich, was nicht zuletzt auf die Heterogenität des betroffenen Kollektivs zurückzuführen ist. Die ausführlichsten epidemiologischen Daten basieren auf einer prospektiven Studie aus dem US-Bundesstaat Washington und zeigen eine altersadjustierte Inzidenz von 86,2 Fällen pro 100.000 Einwohner. Die Inzidenz steigt in der Altersgruppe der 75- bis 84-Jährigen bis auf 306 Fälle pro 100.000 Einwohner an. Geschlechterspezifische Unterschiede scheinen nicht zu bestehen [2]. In den 1980er-Jahren lag die ARDS-Mortalität noch zwischen 64 und 70 % [3]. Erfreulicherweise hat sich hier durch die moderne intensivmedizinische Versorgung im Lauf der vergangenen Jahrzehnte eine Reduktion auf 29–42 % erzielen lassen [2, 4].

Ätiologie

Direktes Lungenversagen

Beim direkten Lungenversagen („primäres“ ARDS) liegt eine primäre intrapulmonale Erkrankung vor, bei der das Lungenparenchym selbst Ausgang der Schädigung ist. Häufige Ursachen eines solchen intrapulmonalen Fokus sind Infektion, Lungenkontusion sowie Aspiration. Hierbei kommt es zu einer direkten Schädigung des Alveolarepithels mit der Folge einer Permeabilitätserhöhung und einer konsekutiven Schrankenstörung.

Indirektes Lungenversagen

Im Gegenteil zur direkten Schädigung der epithelialen Barriere kommt es beim indirekten Lungenversagen („sekundäres“ ARDS) im Rahmen von systemischen Inflammationsreaktionen (SIRS) und Sepsis zu sekundären Schädigungen v. a. des kapillaren Endothels gefolgt von einem pathologischen Zusammenbruch der Gefäßbarriere. Es ist also v. a. die zelluläre Zielstruktur der Schädigung unterschiedlich. Das Nettoresultat, nämlich der gestörte Gasaustausch durch massive Akkumulation von Flüssigkeit und Infiltration inflammatorischer Zellen im Alveolarraum, ist kaum vom primären ARDS zu unterscheiden. Zu den klinisch häufig beobachteten Ursachen einer indirekten Lungenschädigung zählen neben der Sepsis v. a. die Pankreatitis, die Verbrennungskrankheit und das transfusionsassoziierte Lungenversagen.

Pathogenese und Pathophysiologie

Die morphologischen Veränderungen sind eng mit den daraus resultierenden pathophysiologischen Störungen verbunden, wobei unterschiedliche Phasen der einzelnen ARDS-Stadien zeitgleich in verschiedenen Lungenkompartimenten vorhanden sein können.

In der akuten Phase dominiert eine Entzündungsreaktion mit einem Einwandern von neutrophilen Granulozyten bei gleichzeitiger Freisetzung von pro- und antiinflammatorischen Mediatoren. Dies führt zu einer Steigerung der Permeabilität, dem sog. Capillary-leakage-Syndrom mit einer exzessiven Zunahme des extravaskulären Lungenwassers, wodurch es zu einer erheblichen Beeinträchtigung der vormals noch normalen Lungencompliance kommt.

In der exsudativen Phase dringen Plasmaproteine sowohl in das Interstitium als auch in die Alveolen ein; es kommt zur Fibrinablagerungen (hyaline Membranen) und zur Zerstörung des Surfactantsystems mit konsekutiver Ausbildung von Atelektasen sowie von Mikrothromben in der pulmonal-kapillären Strombahn.

Schwerkraftbedingt befinden sich die nicht mehr belüfteten, aber meist gut perfundierten Atelektasen beim liegenden Patienten in den dorsalen Unterlappensegmenten und führen je nach Anteil der venösen Beimischung am Gesamt-HZV zu einer FIO2-unabhängigen arteriellen Hypoxämie (Rechts-Links-Shunt); gleichzeitig führen die überwiegend ventral gelegenen Überblähungen der noch offenen Alveolen zu einer Perfusionsabnahme (Totraumventilation).

Im fibroproliferativen Spätstadium finden sich überwiegend Alveolarmakrophagen und aktivierte Fibroblasten, die eine langsame Fibrosierung der betroffenen Areale bewirken. Pathophysiologisch steht eine weitere Abnahme der Lungencompliance im Vordergrund, die bei fortschreitender fehlerhafter Regeneration in einem irreversiblen Spätstadium münden kann.

Therapiegrundlagen

Die grundlegenden Therapiemaßnahmen beinhalten immer 2 wesentliche Konzepte: Zum einen gilt es, den entscheidenden Auslöser der respiratorischen Insuffizienz zu beseitigen, zum anderen muss unverzüglich der pulmonale Gasaustausch wieder her- und sichergestellt werden.

Insbesondere beim beatmungspflichtigen Lungenversagen ist es wichtig, bereits innerhalb der ersten beiden Tage zu erkennen, ob eine noch gut korrigierbare Hypoxämie vorliegt oder ob eine drohende bzw. persistierende refraktäre Hypoxämie den Patienten gefährdet. Davon ist v. a. dann auszugehen, wenn trotz ausreichend hohem PEEP ≥ 15 cmH2O eine lungenprotektive Ventilation des Patienten nicht zuverlässig gewährleistet werden kann oder der Horovitz-Quotient weiterhin unter 100 liegt. In einem solchen Fall sollte über den Einsatz sog. Rescue-Therapiemaßnahmen, wie z. B. extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO), inhalatives Stickstoffmonoxid etc., die in aller Regel spezialisierten Zentren vorbehalten sind, nachgedacht werden.

Beatmung

Wenn ein Patient im Rahmen eines Parenchym- und/oder Pumpversagens die notwendige Atemarbeit, die zur weiteren Aufrechterhaltung des Gasaustausches notwendig ist, nicht mehr aufbringen kann, ist die Indikation für den Einsatz von Atemhilfen gegeben. Gewährleistet wird dies durch den Einsatz von Respiratoren, die entweder vollständig (mandatorisch) oder auch nur teilweise (augmentiert) die Atemarbeit des Patienten übernehmen können.

Bei jeder Form der Beatmung wird von „außen“ ein positiver Druck auf die Atemwege appliziert, der den vorhandenen intraalveolären Druck übersteigt, sodass es zum Lufteinstrom in die Lunge kommt. Neben der klassischen invasiven Beatmung, bei der der Patient sediert und intubiert ist, gibt es auch die Möglichkeit der nichtinvasiven Ventilation (NIV). Mittlerweile etabliert sich zudem mit der nasalen High-flow-O2-Therapie (NHF) zunehmend ein neues Hybridverfahren der klassischen Beatmungsformen.

Nasale High-flow-Sauerstofftherapie

Bei der NHF handelt es sich um ein aus der Pädiatrie stammendes System zur Applikation von bis zu 100 % angefeuchtetem O2 über eine großlumige Nasensonde mit inspiratorischen Gasflüssen von bis zu 60 l/min. Aufgrund der effektiven und bestechenden Simplizität wird die NHF auch zunehmend in der Erwachsenenintensivmedizin eingesetzt.

Der gesamte Nasopharynx wird hierbei mit hohem Gasfluss durchspült, sodass eine Art Frischgasreservoir der oberen Atemwege entsteht, wodurch wiederrum der effektive Totraum reduziert wird. Zumindest theoretisch kann dies auch zur Elimination von CO2 führen. Im Vergleich zur NIV sind der subjektive Patientenkomfort und damit auch die Therapietoleranz/-adhärenz deutlich höher.

Die Therapietoleranz ist bei nasaler High-flow-O2-Therapie erhöht

Die Patienten können essen, trinken, sprechen und zur Prävention der muskulären Dekonditionierung aktiv an Physiotherapieprogrammen teilnehmen. Theoretisch wird bei Patienten mit vermehrter Sekretbildung auch der mukoziliäre Transport gefördert, wodurch möglicherweise das Risiko von Atemwegsinfektionen reduziert wird.

Zur Behandlung des akuten hypoxämischen Lungenversagens mit NHF liegen mittlerweile überzeugende multizentrische Studienergebnisse mit verbesserter Mortalität bei Patienten im nichthyperkapnischem Lungenversagen vor [5].

Erwähnt werden sollte aber auch, dass einige aktuelle Studien die Begeisterung für den allzu globalen Einsatz des NHF-Verfahrens ein wenig gedämpft haben. So konnte weder bei adipösen Patienten nach herzchirurgischen Eingriffen noch zur apnoischen Oxygenierung im Rahmen von Notfallintubationen ein klinisch relevanter Benefit gezeigt werden [6, 7]. In Tab. 2 sind die bis dato untersuchten Einsatzgebiete der High-flow-O2-Therapie evidenzstratifiziert kurz zusammengefasst. Kritisch beachtet werden sollten in jedem Fall die sorgfältige Indikationsstellung und die rechtzeitige Therapieeskalation im Sinne einer invasiven Beatmungstherapie, falls klinisch indiziert. Eine eigentlich notwendige Intubation sollte auf keinen Fall durch die NHF-Therapie verzögert und dadurch eine potentiell riskantere Notfallsituation provoziert werden.

Tab. 2 Potenzielle Indikationsgebiete der nasalen High-flow-O2-Therapie (NHF)

Kontrollierte Ventilation

Bei der kontrollierten Ventilation wird die In- und Exspiration unabhängig von der ggf. noch vorhandene Eigenatmung des Patienten komplett vom Respirator gesteuert. Sie eignen sich bevorzugt für die invasive Ventilation; unterschieden werden v. a. die 2 folgenden Hauptstrategien:

  • druckkontrolliert Ventilation (PCV): Vorgabe des ∆P durch Einstellung von Pinsp und PEEP, steuert Atemzugvolumen (AZV);

  • volumenkontrollierte Ventilation (VCV): Vorgabe des Atemzugvolumens, steuert den Pinsp.

Augmentierte Ventilation

Bei augmentierter Ventilation liegt eine Kombination aus erhaltener und ggf. unterstützter Spontanatmung des Patienten und maschineller Ventilation vor. Diese Form ist sowohl für die NIV als auch für die invasive Beatmung gleichermaßen geeignet.

Typische Formen der augmentierten Beatmung sind : „continuous positive airway pressure“ (CPAP), „biphasic positive airway pressure“ (BIPAP; auch BiLevel, DuoPAP), „pressure support ventilation/augmented spontaneous breathing“ (PSV/ASB) und „synchronized intermittent mandatory ventilation“ (SIMV). Darüber hinaus gibt es noch eine ganze Reihe anderer Beatmungsformen, die je nach Hersteller unterschiedliche Bezeichnungen haben.

Nichtinvasive Ventilation

Ein wichtiger Vorteil einer NIV gegenüber der invasiven Beatmung liegt in der Vermeidung von Komplikationen der endotrachealen Intubation per se und von Folgeproblemen der invasiven Beatmung und Analgosedierung. Beim hyperkapnischen Atemversagen (z. B. COPD, Obesitas-Hypoventilationssyndrom) ist die NIV-Therapie Methode der Wahl, gleiches gilt für Patienten im prolongierten Weaning. Grundvoraussetzung zur Durchführung einer NIV ist – neben der Expertise der behandelnden Ärzte – die engmaschige Betreuung und Bereitschaft, jederzeit eine notfallmäßig invasive Beatmung einleiten zu können sowie die Beachtung der Kontraindikationen (erhaltene Vigilanz/Schutzreflexe/Spontanatmung des Patienten, nur geringe hämodynamische Instabilität, vorhandene Mitarbeit etc.). Der Indikationsstellung von NIV bei hypoxämischen Patienten ist dagegen aufgrund der ätiologischen Inhomogenität nicht immer einfach zu beantworten.

Beim kardialen Lungenödem liegen insgesamt gute Daten vor, die den Einsatz von CPAP zur Behandlung rechtfertigen. Der positive Druck führt zu einer Reduktion der kardialen Vor- und Nachlast und verbessert das Ventilations-Perfusions-Verhältnis. Für den NIV-Einsatz bei einer Pneumonie oder dem ARDS ist die Datenlage insgesamt nicht besonders aussagekräftig. Zumindest in den Frühstadien beider Erkrankungen kann durch eine NIV-Therapie die subjektive Atemnot des Patienten gesenkt und eine drohende Erschöpfung durch Senkung der Atemarbeit verhindern bzw. verzögern werden. In beiden Fällen werden aber wahrscheinlich sehr hohe Atemwegsdrücke appliziert werden müssen, um ein Mindestmaß an erfolgreicher Rekrutierung zu bewerkstelligen, die wiederrum individuell sehr unterschiedlich von den einzelnen Patienten toleriert werden. Es gibt zumindest kleinere Studien, die zeigten, dass durch frühzeitige Initiierung einer NIV-Therapie beim leichten ARDS eine Intubation erfolgreich verhindert werden konnte.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass beim nichtkardiologisch-hypoxämischen Lungenversagen die NIV-Therapie nicht den gleichen Stellenwert hat, den sie beim hyperkapnischen Lungenversagen genießt.

Beatmungsstrategien beim ARDS

Ziel der Behandlung ist die Wiedereröffnung von Atelektasen und das Offenhalten der betroffenen Kompartimente durch die Umsetzung einer möglichst schonenden lungenprotektiven Beatmung mit ausreichend hohem PEEP, eine Lagerungstherapie mit möglichst frühzeitiger Spontaneisierung der Atmung sowie eine forcierte Flüssigkeitsrestriktion, damit die Lungencompliance wieder verbessert werden kann.

Einen allgemeingültigen Algorithmus zur Auswahl und Eskalation der optimalen Beatmungsstrategie kann es aufgrund der komplexen Ätiologie leider nicht geben; eine Individualisierung ist unabdingbar. Abb. 2 illustriert das aktuelle Armentarium der optimalen ARDS-Therapiestrategie in Abhängigkeit von der Schwere der Lungenschädigung.

Abb. 2
figure 2

Therapieoptionen gemäß Schwergrad des ARDS. ARDS „acute respiratory distress syndrome“, PEEP positiver endexpiratorischer Druck; ECCO2-R „extracorporeal CO2 removal“; vv ECMO venovenöse extrakorporale Membranoxygenierung, V T Tidalvolumen. (Modifiziert nach [26])

Lungenprotektive Ventilation

Vor nun rund 15 Jahren wurden die bahnbrechenden Ergebnisse des ARDS Network Trial publiziert. Sie zeigten eindrucksvoll, dass die Mortalität durch eine Reduktion des Tidalvolumens (VT) auf maximal 6 ml/kg ideales KG bei gleichzeitig ausreichend hohem PEEP-Niveau und einer Limitierung des Pinsp auf unter 30 cmH2O von 40 % (Vergleichskollektiv mit VT von 12 ml/kgKG) auf 31 % reduziert wurde [8].

Inzwischen weiß man, dass jede Form der Beatmung einen nicht unerheblichen Stress für die Alveolen darstellt. Dieser Stress kann je nach Aggressivität der Beatmungseinstellung über eine Freisetzung von Inflammationsmediatoren zu einer generalisierten SIRS-ähnlichen Reaktion führen, in dessen Verlauf sich ein Multiorganversagen ausbilden kann.

Das „baby lung concept“ soll deshalb die sog. ventilatorassoziierten Lungenschäden (VALI) möglichst gering halten. Hierzu zählen:

  • Volu-/Barotrauma: alveoläre Überdehnung infolge von hohen VT und eines hohen Pinsp,

  • Atelekttrauma: zyklischer Alveolenkollaps (zerstört alveoläres Surfactantsystem),

  • Sauerstofftoxizität: ab einem FIO2 über 60 %.

Damit das Ausmaß dieses sog. Biotraumas nicht zu hoch ausfällt, wird die Beatmung so gewählt, dass auf der abgeflachten statischen Druck-Volumen-Kurve der Pinsp unterhalb des oberen Inflektionspunkts angesiedelt ist (Vermeidung der alveolären Überdehnung; Volutrauma) während gleichzeitig der PEEP knapp oberhalb des unteren Inflektionspunkts eingestellt wird (Vermeidung des Alveolarkollaps; Atelekttrauma). Zwischen den beiden Inflektionspunkten besteht eine lineare Beziehung mit der optimalsten Compliance der Lunge, sodass mit geringem Druckaufwand möglichst viel Volumen appliziert werden kann. Beim ARDS ist der Kurvenverlauf erheblich abgeflacht und entsprechende Volumenzuwächse fallen verhältnismäßig gering aus (Abb. 3). Nach Überschreiten des Alveolarverschlussdrucks (unterer Inflektionspunkt) verläuft die statische Kurve bei nur gering geschädigter Lunge nahezu linear bis zum Erreichen des oberen Inflektionspunkts. Innerhalb dieses Bereichs kann mit gering appliziertem Druck ein Maximum an Volumenzunahme erreicht werden (lungenprotektiver Bereich). Eine weitere Zunahme des ARDS-Schweregrads führt dann aber zu einer Abnahme der Lungencompliance und somit zu einer Abflachung der Kurve (rote Kurve in Abb. 3, schweres ARDS). Selbst durch Hinzunahme von hohen Beatmungsdrücken lassen sich nur noch geringe Volumen generieren.

Die daraus resultierende alveoläre Hypoventilation mit Anstieg des PaCO2 stellt den Intensivmediziner deshalb oft vor große Probleme. Die einzige Möglichkeit, dem entgegenzuwirken, besteht in der Erhöhung der Atemfrequenz, damit bei gleichbleibenden AZV das Atemminutenvolumen (AMV) angehoben werden kann (cave: Erhöhung der Totraumventilation).

Bei der sog. Hysterese handelt es sich um das Phänomen, dass bei gleichbleibenden intrapulmonalen Drücken das Lungenvolumen in der Exspiration größer ist als in der Inspiration (gestrichelte Linie in Abb. 3). Entsprechend sollte die Höhe des PEEP noch vor der beginnenden Derekrutierung der Alveolen in der Exspiration eingestellt werden, um eine verbesserte Oxygenierung zu erlangen (PMC; „point of maximum curvature“).

Abb. 3
figure 3

Volumen-Druck-Beziehung bei unterschiedlichen Schweregraden von „acute respiratory distress syndrome“ (ARDS). OIP oberer Inflektionspunkt, PMC „point of maximum curvature“, UIP unterer Inflektionspunkt. (Adaptiert nach [27])

Aus pathophysiologischer Sicht ist der transpulmonale Druck (PTP) und nicht alleine der Pinsp der entscheidende Parameter zum Offenhalten der Alveolen. Er ist definiert als Druckdifferenz aus dem alveolären und dem intrapleuralen Druck (PTP = PALV − PPL) und muss entsprechend im positiven Bereich liegen. Bei gleichzeitig vorliegenden extrathorakalen Druckerhöhungen (z. B. abdominelles Kompartmentsyndrom) darf der PALV (oder Pinsp) auch höher als 30 cmH2O sein, solange der PTP noch relativ niedrig positiv bleibt und sich somit kein typisches Barotrauma ausbilden kann. Aus diesem Grund stellt der PTP die eigentliche Richtgröße zur Vermeidung atmungsassoziierter Biotraumen dar und kann im klinischen Setting durch Zuhilfenahme einer Ösophagusdrucksonde bestimmt werden.

Die Beatmung mit einer möglichst kleinen Druckamplitude (∆P) führt in den meisten Fällen zu der schon angesprochenen Steigerung des PaCO2 (Hyperkapnie durch Steigerung der Totraumventilation). Metabolische Kompensationsmechanismen liegen gerade in dieser akuten Phase noch nicht vor und es dauert häufig mehrere Tage, bis die Niere in ausreichender Menge Bikarbonat (HCO3 ) zur Verfügung stellen kann, um der manifesten Acidose entgegenzuwirken.

Das Konzept der permissiven Hyperkapnie erlaubt höhere CO2-Werte

Das Konzept der permissiven Hyperkapnie sieht dabei vor, auch höhere CO2-Werte zu tolerieren und die protektive Ventilation unbedingt beizubehalten. Einen absoluten pH-Grenzwert gibt es hierbei nicht, allgemein wird empfohlen, einen pH-Wert bis 7,2 zu tolerieren, solange es nicht zur hämodynamischen Instabilität kommt. Auch gilt es, etwaige Nebenwirkungen, insbesondere einen Anstieg des pulmonalen Gefäßwiderstands, sowie die Kontraindikation bei Vorliegen von Hirnödem, eingeschränkter kardialer Pumpfunktion, zerebralem Krampfleiden, hoher Katecholaminpflichtigkeit und pulmonaler Hypertonie zu berücksichtigen.

Festzuhalten bleibt, dass die Protektion der Beatmungseinstellung die absolut oberste Priorität hat! Vor diesem Hintergrund gibt es seit einigen Jahren Bestrebungen, durch Einsatz von extrakorporalen Lungenunterstützungssystemen, die effektiv das CO2 im Blut eliminieren, eine sog. ultraprotektive Beatmung mit Tidalvolumen um 3 ml/kgKG umzusetzen. In der im Jahr 2013 publizierten Xtravent-Studie wurden Patienten prospektiv entweder ultraprotektiv (VT etwa 3 ml/kgKG) mit extrakorporaler CO2-Elimination (iLA activve® System, Novolung GmbH, Heilbronn) oder konventionell lungenprotektiv (VT etwa 6 ml/kgKG) beatmet. Der primäre Endpunkt war die Anzahl beatmungsfreier Tage. Ein signifikanter Unterschied ließ sich bezüglich Mortalität und Krankenhausverweildauer nicht nachweisen. Allerdings zeigte sich in der Post-hoc-Analyse, dass in der Subgruppe der schwer erkrankten ARDS-Patienten nach 60 Tagen ein signifikant höherer Anteil mit beatmungsfreien Tagen zu verzeichnen war [9].

Die Protektion der Beatmungseinstellung hat absolut oberste Priorität

Ein weiterer Ansatz, die Lungenprotektion beim ARDS zu optimieren, wurde im Jahr 2013 an einer kleinen Fallserie durch das sog. Wach-ECMO-Konzept in Hannover beschrieben. Hier wurde ARDS-Patienten bereits im Frühstadium ihrer Erkrankung ein pumpenbetriebenes extrakorporales Lungenersatzverfahren implantiert, um eine drohende Intubation zu umgehen [10]. Bei einigen Patienten ließen sich durch dieses Verfahren eine invasive Beatmung und dadurch auch die mit einer Beatmung einhergehenden Komplikationen vermeiden. Es fehlt diesbezüglich aber noch an Identifikationsmerkmalen zur Stratifizierung geeigneter Patienten.

„Driving pressure“ als Outcomeprädiktor

Unter dem Begriff „driving pressure“ versteht man die Differenz zwischen maximalem Plateaudruck und PEEP, also dem ∆ Druck: Plateaudruck – PEEP (∆P = VT/C). Laut einer aktuellen Studie kann der „driving pressure“ v. a. zur Abschätzung der Mortalität von ARDS-Patienten genutzt werden [11]. Amato et al. haben hierzu Anfang des Jahres 2015 eine große statistische Analyse an 3562 ARDS-Patienten veröffentlicht. Im Rahmen einer retrospektiven Auswertung mit komplexer statistischer Analytik konnten die Autoren anhand der dokumentierten Beatmungsparameter und des späteren Patientenüberlebens berechnen, welche Parameter einen besonders großen Einfluss auf das Outcome haben. Interessanterweise fanden die Autoren den „driving pressure“ als beste Variable zum Stratifizieren des Mortalitätsrisikos. Somit ist für das Langzeitüberleben von ARDS-Patienten die Beatmungseinstellung am günstigsten, bei der das niedrigste ∆P erreicht werden kann.

Positiver endexpiratorischer Druck

Die Rekrutierung von atelektatischen Lungenabschnitten erfordert meistens einen sehr hohen „Eröffnungsdruck“ (Pinsp 30–60 cmH2O), in der nachfolgenden Exspirationsphase ein positives Druckniveau folgen muss, das oberhalb des Alveolarverschlussdrucks (unterer Inflektionspunkt) liegt. Durch Anwendung dieses PEEP wird der Alveolarkollaps verhindert und die Lunge offengehalten (Abb. 3). Somit reduziert ein adäquat eingestellter PEEP den Shuntanteil und erhöht gleichzeitig die funktionelle Residualkapazität der Lunge. Ein zu hoher PEEP führt jedoch zur Abnahme des HZV, zur Steigerung der Totraumventilation und letztlich zum Barotrauma.

Es bedarf also klarer Parameter, die die Effektivität des eingestellten PEEP (und damit auch des ∆P) erkennbar werden lassen. Darüber hinaus müssen die Effektivitätskontrollen in regelmäßigen Abständen erfolgen, damit dem dynamischen Prozess der Rekrutierung mittels Anpassungen der Beatmungsdrücke Rechnung getragen werden kann. Infrage kommt hierfür in erster Linie der Gasaustausch: Ein Anstieg des PaO2 bei gleichbleibendem oder fallendem PaCO2 kann als Indiz für eine erfolgreiche Rekrutierung und Steigerung der alveolären Ventilation gewertet werden. Demgegenüber kann man sich auch an einem steigenden AZV und einer Verbesserung der pulmonalen Compliance grob orientieren (Atemmechanik). Dies ist jedoch aufgrund der inhomogenen und regional variablen Schädigungsmuster der ARDS-Lunge eher ungenau.

In Bezug auf die praktikabelste und sicherste Vorgehensweise zur Ermittlung des besten PEEP gibt es verschiedene Ansätze, wie etwa über „PEEP-trials“, bei denen in engen Zeitabständen der PEEP in kleinen Schritten (etwa 2–3 cmH2O) zumeist direkt im Anschluss an ein erfolgtes Rekrutierungsmanöver von einer sehr hohen Einstellung (PEEP > 15 cmH2O) langsam reduziert wird (absteigender „PEEP-trial“). Als Orientierung dient der PaO2-Wert: Der PEEP-Wert, bei dem es zu einer erneuten Verschlechterung des PaO2 kommt, entspricht dem sog. Cut-off-Wert (oder unterer Inflektionspunkt), d. h. der tatsächlich eingestellte PEEP sollte knapp über dem ermitteltem Wert liegen. Etwas schonender für die Lunge dürfte der ansteigende „PEEP-trial“ sein, bei dem Pinsp und PEEP gleichermaßen in Schritten von 2 cmH2O angehoben werden. Solange sich bei konstantem ∆P der PaO2 unter diesem Manöver verbessert, kann der PEEP vorsichtig weiter erhöht werden. Hierbei muss aber auch der PaCO2 genau beobachtet werden, ein Anstieg desselbigen ist als Indiz für eine Überdehnung der Alveolen mit funktioneller Erhöhung der Totraumventilation zu werten.

Eine objektiver steuerbare Methode ist der Einsatz der Ösophagusdrucksonde. Der transpulmonale Druck, der sich als Differenz aus Alveolardruck minus Pleuradruck errechnet, ist letztlich der entscheidende Parameter zum Offenhalten der Alveolen. Der Ösophagusdruck (PÖS) entspricht hierbei dem intrapleuralen Druck, sodass unter Durchführung eines aufsteigenden „PEEP-trial“ mit der Formel PTP = PALV − PÖS genau der PEEP-Wert ermittelt werden kann, bei dem der exspiratorische PTP gerade positiv wird [12, 13].

Die klinisch praktikabelste Form der PEEP-Steuerung erfolgt anhand der vom ARDSnet-Konsortium empfohlenen PEEP/FIO2-Tabelle (Tab. 3; [14]). Diese Vorgehensweise berücksichtigt sicherlich nicht die individuellen Gegebenheiten, sondern ist als Orientierungshilfe für eine erste Einstellung zu sehen.

Tab. 3 Voraussichtlicher positiver endexpiratorischer Druck (PEEP) in Abhängigkeit von der inspirierten Sauerstoffkonzentration (FIO2). (Adaptiert nach [14])

Es besteht außerdem die Möglichkeit der elektrischen Impedanztomographie, bei der die intrathorakal gemessenen Impedanzänderungen Rückschlüsse auf Veränderungen der regionalen Lungenventilation zulassen und somit die Rekrutierbarkeit der Lunge bestimmt werden kann.

Rekrutierung

Unter Rekrutierung versteht man die Wiedereröffnung von Atelektasen durch den Einsatz hoher Beatmungsdrücke und die damit verbundene Reduktion des Rechts-Links-Shunts. Zur erfolgreichen Wiedereröffnung ist ein initial höherer Druck notwendig, während für das weitere Offenhalten dann deutlich geringere Atemwegsdrücke ausreichend sind. Auch hier gibt es bezüglich der Vorgehensweise unterschiedliche Konzepte:

Bei dem nach Lachmann benanntem Manöver werden bei einer druckkontrollierten Beatmung über einen Zeitraum von wenigen Atemzyklen (etwa 10 Atemzüge) der Spitzendruck auf Werte zwischen 40–60 cmH2O und der PEEP meist über Werte von 20 cmH2O und mehr angehoben. Der Spitzendruck wird danach bis zum Erreichen der lungenprotektiven Grenze von 30 cmH2O wieder zügig schrittweise reduziert, während der „best PEEP“ in einem anschließenden abnehmenden „PEEP-trial“ ermittelt wird.

Ähnlich verläuft auch der „sustained inflation trial“, der im CPAP-Modus durchgeführt wird und bei dem der kontinuierlich positive Atemwegsdruck für etwa 30–60 Sekunden angehoben wird. Auch dieses Manöver wird mit einer gleichzeitigen Erhöhung des PEEP einhergehen.

Eine grundlegende Voraussetzung zur Durchführung eines Rekrutierungsmanövers ist die hämodynamische Stabilität und der Ausschluss von Kontraindikationen, wie Pneumothorax, vorliegendes schweres Lungenemphysem, Hirndruck oder Rechtsherzversagens. Der Erfolg dieser kurzen Manöver wird meist an der unmittelbaren Verbesserung der Oxygenierung gemessen. Die sog. Recruitment-Responder finden sich überwiegend in der ARDS-Frühphase. Demgegenüber stehen ARDS-Lungen mit ausgeprägten Konsolidierungen infolge von Flüssigkeitsansammlungen und schweren strukturellen Schädigungen (z. B. Lungenfibrosen) im fortgeschrittenen ARDS-Stadium, wenn fibroproliferative Umbauvorgänge im Vordergrund sind.

Frühzeitige Spontanatmung des Patienten

Bereits wenige Stunden nach Einleitung einer kontrollierten Ventilation entwickelt sich eine Atrophie von Zwerchfellmuskelfasern, die zur „ventilator-induced diaphragmatic dysfunction“ (VIDD) führen kann. Schon ein geringer Anteil an Spontanatmung kann dieser Entwicklung entgegenwirken, da es neuronal zu einer überwiegend dorsalen Stimulation der Zwerchfellmuskulatur kommt und durch eine dorsalbetonte Zwerchfellauslenkung die Lungenfunktion deutlich verbessert werden kann. Darüber hinaus können erhebliche Mengen an Analgetika und Sedativa eingespart werden, was sich in der späteren Weaningphase in Bezug auf die Ausbildung eines Delirs günstig auswirken kann.

Um das spontane „Dazwischenatmen“ des Patienten möglich zu machen, sollte ein Beatmungsmodus gewählt werden, der mit einer solchen asynchronen Beatmungsform zurechtkommt. Geeignet ist hierfür z. B. der BIPAP (auch BiLevel, DuoPAP etc.)-Modus. Inzwischen gibt es je nach Hersteller aber auch weitere Modi, die hinsichtlich der Synchronisation von Respirator und Patient noch besser eingestellt werden können, z. B. „synchronized intermittend mandatory ventilation“ (SIMV).

Einen eigenen Weg geht hier die neuronal gesteuert Beatmungsform, als „neurally adjusted ventilatory assist“ (kurz NAVA) bezeichnet. Eine mit einer Elektrode versehene Magensonde misst die elektrische Aktivität des Zwerchfells und ermöglicht es dem Respirator, die Inspirationsdauer und Atemanstrengung des Patienten genau zu detektieren. Die verabreichte Druckunterstützung erfolgt somit synchron und wird kontinuierlich an den Patienten angepasst. Gesicherte Ergebnisse und Studien, die den Einsatz dieses Systems beim ARDS befürworten, gibt es allerdings bislang bisher nicht.

Supportive Therapie

Lagerungstherapie

Eine Meilensteinstudie im Kontext supportiver ARDS-Therapien wurde im Jahr 2013 im The New England Journal of Medicine von Guérin et al. veröffentlicht. Sie demonstrierte überzeugend das Potenzial der Lagerungstherapie. Im dem randomisierten kontrollierten PROSEVA Trial wurden insgesamt 466 Patienten mit einem Oxygenierungsindex < 150 eingeschlossen und der Einfluss einer mindestens 16-stündigen Bauchlagerung auf das Überleben untersucht [15]. Die Autoren fanden eine beeindruckende Halbierung der Mortalität. Die pathophysiologischen Überlegungen hinter diesem hocheffektiven Verfahren basieren auf einer

  • Verbesserung der Atemmechanik,

  • Reduktion des Pleuradruckgradienten und einer

  • Reduktion der beatmungsassoziierten Lungenschäden.

Zusammen führt dies zu einer Homogenisierung der Gasverteilung und somit zu einer Reduktion des Shuntvolumens.

Muskelrelaxation

Einen Trend zu verbessertem Überleben zeigte auch die bereits im Jahr 2010 publizierte ACURASYS-Studie zur Muskelrelaxation [16]. Hier erhielten 340 randomisierte Patienten (Horovitz-Quotient < 150) für 48 h entweder eine Dauerbehandlung mit Atracurium oder mit einem Placebo. Der Mortalitätsunterschied nach 28 Tagen lag bei knappen 9,4 % zugunsten der Relaxation (p = 0,05). Das Verfahren schien überraschend nebenwirkungsarm, insbesondere wurden keine vermehrten Fälle von sog. Critical-illness-Polyneuropathie beobachtet. Eine mögliche Erklärung für den Überlebensvorteil könnte in der resultierenden Reduktion der Desynchronisation von Patient und Respirator bei den schweren Verlaufsformen sein. Eine klare Empfehlung zur Muskelrelaxation wird durch die vorhandenen Studien nicht unterstützt.

Glukokortikoide

Auch die Studienlage zum Einsatz von Glukokortikoiden ist divergent. Trotz positiver Effekte auf das Überleben und hochrangiger Publikation vor mehr als 15 Jahren [17] stellen aktuellere Studien die damaligen Resultate infrage [18]. Zwar fanden die Autoren eine Verbesserung verschiedener sekundärer Endpunkte, doch konnte kein Überlebensvorteil gezeigt werden. Die Studienlage zur Prophylaxe eines ARDS mit Kortison ist vergleichbar heterogen.

Statine

Sogenannte pleiotrope Phänomene einer Hemmung der HMG-CoA-Reduktase durch Statine sind lange bekannt und werden regelmäßig und rege in Expertenrunden diskutiert. Neben antiinflammatorischen Signalen ist auch eine Reduktion der im ARDS klassischerweise erhöhten Permeabilität des Lungenendothels beschrieben. Die Protektion der Gefäßbarriere könnte in diesem Kontext auf einer transkriptionellen Regulation des permeabilitätsinduzierenden Faktors Angiopoietin-2 beruhen [19]. Verschiedene kleinere Studien deuten tatsächlich auf einen Überlebensvorteil hin. In einer rezenten multizentrischen Untersuchung aus dem Jahr 2014 konnte dies abermals jedoch nicht bestätigt werden [20]. Zusammenfassend kann eine Statintherapie nicht empfohlen werden; es gibt jedoch Indizien, die dafür sprechen, eine bestehende Dauertherapie nach Aufnahme auf eine Intensivstation fortzuführen.

Flüssigkeitstherapie

In einer hochrangig publizierten randomisierten kontrollierten Studie an 1000 Patienten wurde eine liberale Flüssigkeitstherapie mit einer restriktiven vergleichen[21]. Zwar zeigte erwartungsgemäß die Gruppe der restriktiven Volumentherapie eine bessere Lungenfunktion und kürzere Beatmungszeiten, doch konnte auch diese Untersuchung keinen signifikanten Überlebensvorteil belegen.

Inhalatives Stickstoffmonoxid

Einige Studien haben den Effekt von inhalativem Stickstoffmonoxid (iNO) untersucht. In einer im Jahr 2004 veröffentlichten randomisierten kontrollierten Studie an 385 Patienten wurde niedrig dosiertes iNO (5 ppm) vs. Placebo untersucht. Erwartungsgemäß zeigte sich zwar rasch eine Verbesserung der Oxygenierung, jedoch keine Verbesserung des Überlebens [22]. Der unselektive Einsatz von iNO beim ARDS kann daher nicht empfohlen werden.

Ernährungsstrategien

Im Rahmen des EDEN Trial wurde die optimale Ernährungsstrategie von Patienten mit akuter Lungenschädigung untersucht. Die Autoren verglichen eine niedrigkalorische Bolusapplikation (10 ml/h) mit einer kompletten enteralen Ernährung (25 ml/h) und fanden keinen relevanten Unterschied [23]. Eine Klärung der Frage nach optimaler Art, Komposition und nach dem optimalen Beginn der Ernährung bei ARDS-Patienten ist basierend auf der aktuellen Datenlage nicht eindeutig möglich.

Ausblick

Moderne spezifische Therapiestrategien mit kausalem Ansatz gegen das hypoxämische Lungenversagen stehen weiterhin nicht zur Verfügung, sind jedoch äußerst wünschenswert. Da die Permeabilität der Lungenkapillaren eine fundamentale Schlüsselrolle in der Pathophysiologie der Schädigung einnimmt, erscheint eine diesbezügliche zielgerichtete Strategie vielversprechend. Generell ist auch eine therapeutische Modulation des Immunsystems hochinteressant. Im vergangen Jahr konnten Kollegen aus London mittels Interferonblockade das Überleben dramatisch verbessern [24]. Einen vollkommen anderen Therapieansatz verfolgt eine Strategie zur Förderung der Regenerationskapazität des geschädigten Lungenparenchyms mittels lokalem „granulocyte macrophage-colony stimulating factor“ (GM-CSF; [25]). Eine multizentrische Studie ist in Deutschland für Anfang des Jahres 2016 geplant.

Fazit für die Praxis

  • Das nun fast 15 Jahre alte Konzept der protektiven Ventilation mit einem Tidalvolumen von maximal 6 ml/kg ideales KG und einer Spitzendruckbegrenzung unter 30 cmH2O unter Inkaufnahme einer permissive Hyperkapnie ist nach wie vor State of the Art.

  • Hochaktuelle Daten deuten daraufhin, dass besonders ein hohes ∆P („driving pressure“), ein negatives Outcome vorhersagen kann. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass entsprechend niedrige ∆P angestrebt werden sollten.

  • Besonders bei niedrigem Oxygenierungsindex (PaO2/FIO2 < 200) ist eine Adjustierung des PEEP auf hohe Werte sinnvoll.

  • Neben zahlreichen, in ihrer Wirkung nicht bewiesenen, supportiven Therapiestrategien überzeugt v. a. die konsequente Bauchlagerungstherapie.

  • Eine spezifische Therapie des hypoxämischen Lungenversagens/ARDS gibt es bis dato nicht.