Zusammenfassung
Wenn in Politik, Öffentlichkeit, Statistik und Wissenschaft von Familie und Haushalt die Rede ist, werden bei den Begriffen wie Familie, Kernfamilie, erweiterte Familie, Haushalt und Haushaltsmitglieder immer bestimmte Ordnungsvorstellungen mitgedacht, die den jeweiligen politischen, wirtschaftlichen und juristischen Gegebenheiten bestimmter Gesellschaften entsprechen. Ob die Menschen dieser Gesellschaften aber tatsächlich so leben, wie dies in diesen Begriffen zum Ausdruck kommt, wird dagegen selten untersucht. Hierfür hat Hans-Paul Bahrdt (1973) ein Beispiel skizziert. Das deutsche Steuerrecht begünstigte lange Zeit Zweifamilienhäuser gegenüber Einfamilienhäusern mit der Konsequenz, daß viele Häuser gebaut wurden mit einer Hauptwohnung und einer kleinen Einliegerwohnung. Für Politik, Steuerrecht und Statistik handelte es sich hier um zwei unabhängige Haushalte, die nichts miteinander zu tun hatten. Wie viele Großeltern oder verwitwete Großmütter aber in diesen Einliegerwohnungen lebten, weist keine Statistik aus. Für Politik, Wissenschaft und Statistik lebten in einem solchen Haus eine isolierte Kleinfamilie und ein Single. Walter Bien (1995) zeigt in seinen Analysen, daß viele Einpersonenhaushalte statistisch Singlehaushalte, aber in ein dichtes Netz privater Beziehungen eingebunden sind. Wenn man sich fragt, warum die gelebten Beziehungen der Individuen im familiären Kontext nur selten Gegenstand der Analyse sind, gibt es dafür eine ganze Reihe von Gründen.
Mein Dank gilt dem Deutsch-Amerikanischen Akademischen Konzil (DAAK) für die Möglichkeit, diesen Beitrag als Fellow 1998/99 am Center for Advanced Study in the Behavioral Sciences in Stanford, USA, zu schreiben.
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Bertram, H. (2000). Die verborgenen familiären Beziehungen in Deutschland: Die multilokale Mehrgenerationenfamilie. In: Kohli, M., Szydlik, M. (eds) Generationen in Familie und Gesellschaft. Lebenslauf — Alter — Generation, vol 3. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01318-1_6
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