7.1 Einleitung

Der demografische Wandel in Deutschland rückt zunehmend auch Fragen nach der Versorgungssicherheit und -qualität von alten, pflege- und hilfebedürftigen Menschen in den Fokus der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit. Politisch sind derzeit drei zentrale Strategien einer „nachholenden Modernisierung“ der Pflege in Deutschland zu erkennen, die dem erwarteten und mittlerweile auch deutlich erkennbaren Fachkräftemangel (vgl. Bettig et al. 2012) entgegenwirken sollen.

Über eine Professionalisierung der Pflege sollen die Pflegeberufe insgesamt attraktiver gemacht werden, um Fachkräfte für diesen gesellschaftlichen Teilbereich zu gewinnen und nachhaltig binden zu können. Als typischer Frauenberuf (ca. 85 % der beruflich Pflegenden sind Frauen) mit einem immensen Anteil an Teilzeit- und Geringbeschäftigten weist berufliche Pflege lange eine starke horizontale und vertikale Inhomogenität auf. Die Zersplitterung der Berufsbilder (Altenpflege, Krankenpflege, Kinderkrankenpflege) einerseits und der Handlungsfelder (ambulante Pflege, langzeitstationäre Pflege, akutstationäre Pflege) andererseits führt zu unterschiedlichen Einschätzungen des gesellschaftlichen Potenzials der Pflege zwischen sozialpflegerischer (im Bereich der Altenhilfe bzw. Altenpflege) und heilkundlicher, medizinisch-pflegerischer Orientierung (im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege). Im Zuge der Professionalisierung der Pflege konnten in den letzten Jahren allerdings einige Fortschritte verzeichnet werden: Mit der Etablierung der Pflegewissenschaft an deutschen Hochschulen sowie der berufsgesetzlichen Absicherung einer hochschulischen Pflegeausbildung (vgl. Pflegeberufegesetz (PflBG), Bundesanzeiger 2017) kann die Versorgungspraxis zukünftig vermehrt auf wissenschaftliche Handlungsgrundlagen zurückgreifen, die derzeit bereits über wissenschaftlich begründete Standards und Leitlinien in das berufliche Handeln einfließen. Mit der Einrichtung von Pflegekammern (derzeit in Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Schleswig-Holstein) sowie der rechtlichen Absicherung von Teilbereichen der beruflichen Pflegearbeit über das PflBG 2017 verfügt Pflege in Deutschland erstmals über wichtige Grundlagen einer professionellen Handlungsautonomie. Weiterentwicklungen dieser Art sollen die Attraktivität des Berufsfeldes erhöhen sowie die öffentliche Aufmerksamkeit für Fragen der pflegerischen Versorgung in einer Gesellschaft des langen Lebens schärfen.

Eine zweite Strategie besteht darin, Teilbereiche des pflegerischen Handelns aus dem professionellen Profil der Pflege auszugliedern und an zivilgesellschaftlich engagierte Menschen im Quartier zu delegieren. Mit dem gesundheitspolitischen Prinzip „ambulant vor stationär“ wird die Pflege in Deutschland primär im traditionell häuslichen und familiären Raum verortet, der jedoch zunehmend für eine gemeindenahe und zivilgesellschaftlich ausgerichtete Pflege geöffnet werden soll. Die Idee von „Sorgenden Gemeinschaften“ als Ergänzung zur professionellen Pflege gewinnt in der deutschen Sozialpolitik zunehmend an Popularität. Als Leitthema wird sie etwa im achten Familienbericht, im zweiten Engagementbericht und auch im siebten Altenbericht der Bundesregierung zunehmend konkretisiert. Das Prinzip der Sorge durch soziale Gemeinschaften wird dabei als tragfähige Strategie für die Bewältigung kommender Herausforderungen erachtet (vgl. z. B. Deutscher Bundestag 2016; Klie 2014; Hoberg et al. 2013). Für die berufliche Pflege ist diese Entwicklung mit neuen Möglichkeiten und Perspektiven verbunden: Im Zusammenspiel mit weiteren Gesundheitsberufen werden ihr neue Aufgaben und Verantwortlichkeiten zugeschrieben, wie z. B. die Analyse lokaler Infrastrukturen zur gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung, der Aufbau tragfähiger Netzwerke und Unterstützungsstrukturen sowie der Transfer neuer und relevanter Erkenntnisse in die regionale Versorgungspraxis (vgl. Büscher 2013). Es wird aber auch die Perspektive entwickelt, dass sich die professionelle Pflege zukünftig auf Leistungen der Gesundheitsversorgung in engerem Sinne, d. h. einer medizinisch-pflegerisch orientierten Pflegearbeit konzentrieren soll (Pflege als Cure-Arbeit im Sinne des SGB V) und sozialpflegerische Aufgaben und Tätigkeiten (Pflege als Care-Arbeit im Sinne des SGB XI, z. B. Alltagsbegleitung, soziale Teilhabe) dagegen von lebensweltnahen Instanzen (Familien, Freunde, Nachbarschaften etc.) übernommen werden (vgl. Hoberg et al. 2013).

Schließlich soll Pflege über den Einsatz von neuen Technologien unterstützt, entlastet und vernetzt werden. Nachdem der Fokus in den vergangenen Jahren vornehmlich auf die Entwicklung und Verbreitung von IKT-Systemen und assistiven Technologien zur Unterstützung der Pflege gerichtet war (vgl. Roland Berger et al. 2017; BAuA 2015), gewinnt die Diskussion um autonome Systeme in der Pflege – oder umgangssprachlich „Pflegeroboter“ – derzeit zunehmend an Bedeutung (vgl. Depner und Hülsken-Giesler 2017; Hülsken-Giesler 2015; Becker et al. 2013; Krings et al. 2012; Meyer 2011). Strukturell wird dem Ansatz eines „Hilfe-Mix“ aus informeller und professioneller Pflege damit ein neues Element hinzugefügt. Innovative technische Systeme sollen einerseits dafür genutzt werden, funktionale Aspekte der Pflegearbeit zu unterstützen (z. B. in Bezug auf Sicherheit, Mobilität, Ernährung, Kommunikation etc.). Andererseits sollen sie die Vernetzung von Hilfeempfängern, informellen und professionellen Helfern verbessern und darüber die Koordination einer bedarfsgerechten Pflegearbeit in komplexen Gefügen sicherstellen (vgl. Hülsken-Giesler und Krings 2015; Hülsken-Giesler 2015). Altersgerechte Assistenzsysteme oder zukünftig auch Pflegeroboter fokussieren häufig darauf, alltags- und lebensweltnahe Unterstützungsleistungen für einen möglichst langen und selbstständigen Verbleib in der gewünschten Lebens- und Wohnumgebung zu ermöglichen. Darüber hinaus bieten viele Systeme auch die Möglichkeit, spezifische medizinisch-pflegerische Daten zu erheben und – meist internetgestützt – über räumliche Distanzen hinweg zu kommunizieren. Es wird erwartet (und EU- wie bundespolitisch erwünscht und gefördert), dass diese Technologien zukünftig eine erhebliche Rolle in Gesundheit und Pflege spielen werden, da ihnen das Potenzial zugesprochen wird, einerseits die Autonomie beeinträchtigter Menschen zu erhöhen und andererseits zu einer psychischen und physischen Entlastung von Pflegenden beizutragen (vgl. BAuA 2015; Europäische Kommission 2015).

Dabei verdankt sich das jüngste Interesse an der Entwicklung und Verbreitung von Pflegerobotik keineswegs eindimensional dem Ansinnen, die erwarteten Engpässe auf der Mikroebene der Versorgung im Kontext der demografischen Entwicklung zu bekämpfen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die mediale Aufmerksamkeit für Pflegerobotik, insbesondere aber auch die erheblichen politischen Bemühungen zur (nicht nur finanziellen) Förderung der Entwicklung und Verbreitung von Pflegerobotik in einem breiten Kontext europäischer Innovationspolitik zu deuten sind (vgl. Lipp 2017, S. 110). Demnach bereitet die massive Unterstützung der Zusammenarbeit von Forschung, Industrie und öffentlichen Einrichtungen am Beispiel der Pflegerobotik auf einen insgesamt breiteren Einsatz von Robotern in sozialen Bezügen vor. Das Projekt robotisierter Pflege steht demnach paradigmatisch und prototypisch für die gegenwärtigen innovationspolitischen Ziele der EU, Robotik als entscheidende Technologie zur Lösung gesellschaftlicher „grand challenges“ zu positionieren. Vor diesem Hintergrund geht es derzeit darum, „Robotik und Pflege als Gegenstand wissenschaftspolitischer Strategiebildung und Priorisierung füreinander disponibel“ (ebd. 119) zu machen. Dabei wird nicht grundlegend infrage gestellt, dass Robotik und Pflege derzeit noch unzureichende Anschlussstellen aufweisen, es soll jedoch aufgezeigt werden, dass sie dennoch prinzipiell (in einem ersten Schritt etwa in experimentellen Kontexten von Laborwohnungen) miteinander in Verbindung gebracht werden können (vgl. ebd.). Der vorliegende Beitrag konzentriert sich vor diesem Hintergrund zunächst darauf, die Logik des pflegerischen Handelns zu explizieren, um auf der Basis des aktuellen Erkenntnisstandes in einem weiteren Schritt zu diskutieren, inwieweit der Stand der robotischen Entwicklung dieser Handlungslogik des Pflegerischen gerecht wird.

7.2 Professionelle Pflege als personenbezogene Dienstleistung – Besonderheiten eines beruflichen Handlungsfeldes

Der gesellschaftliche Auftrag des pflegeberuflichen Handelns umfasst präventive, kurative, rehabilitative, palliative und sozialpflegerische Maßnahmen (§ 5, Abs. 2, Pflegeberufegesetz (PflBG), Bundesanzeiger 2017). Berufliche Pflege gilt vor diesem Hintergrund als personenbezogene Dienstleistung mit besonders engem Personenbezug. Mit Hacker (2009) liegt die große Herausforderung von personenbezogenen Dienstleistungen darin, dass der „Arbeitsgegenstand“ selbst ein Mensch, das „Objekt“ der Dienstleistung also ein „Subjekt“ ist, das als Adressat und auch als Koproduzent in der Dienstleistung von Bedeutung ist. Die Dienstleistungserbringer müssen vor diesem Hintergrund eine „Bearbeitungsbeziehung“ aufbauen, über die die Ziele, die konkrete Ausgestaltung, der Verlauf und die Weiterentwicklung der Dienstleistungsbeziehung immer wieder neu ausgehandelt werden müssen, um die Prozesse erfolgreich zu gestalten (Böhle und Glaser 2006; Böhle et al. 2015). Chase und Garvin (1989) hatten bereits früh darauf hingewiesen, dass personenbezogene Dienstleistungen grundsätzlich immateriell sind, dem Uno-actu-Prinzip folgen (Produktion und Konsum der Dienstleistung also zusammenfallen) und eine Standardisierbarkeit der Dienstleistung kaum möglich ist. Vor diesem Hintergrund wird personenbezogener Dienstleistung im Kern auch der Charakter einer Interaktionsarbeit zugeschrieben, die ganz zentral aus Elementen der Kooperationsarbeit, der Gefühlsarbeit, der Emotionsarbeit sowie des subjektivierenden Arbeitshandelns besteht – also dem Vermögen, mit Unabwägbarkeiten und Grenzen der Planbarkeit des Handelns umzugehen und diese im praktischen Handeln durch Kommunikation sowie situative und sinnlich fundierte Entscheidungsfindung zu bewältigen (Böhle et al. 2015). Vor besondere Herausforderungen sind dabei jene Dienstleistungsberufe gestellt, die längerfristige, kontinuierliche und unmittelbar auf die Person bezogene Dienstleistungen erbringen – wie etwa im Bereich der Gesundheitsberufe und speziell im Bereich der Pflege (Dunkel und Weihrich 2010). Oevermann (1996) knüpft die Professionalität des Handelns in Bezügen der personenbezogenen Dienstleistung an das Vermögen der handelnden Akteure, einer doppelten Handlungslogik gerecht zu werden: personenbezogene Dienstleistung ist als systematisches Handeln anzulegen, das seine Begründung einerseits in Bezug auf wissenschaftliche Erkenntnisse (externe Evidenz) und andererseits im Rückgriff auf die je spezifischen individuellen Präferenzen und Ziele der Hilfeempfänger (interne Evidenz) erhält. Professionelles Handeln in der personenbezogenen Dienstleistung bemisst sich demnach an der Kompetenz von konkreten beruflichen Akteuren, allgemeingültige Regeln auf der Basis eines wissenschaftlichen Wissens handlungspraktisch mit den Besonderheiten des Einzelfalls, also der lebenspraktischen Situation eines Hilfeempfängers, zu vermitteln und Urteile und Entscheidungen auf dieser Basis zu begründen. Die Frage, wie Unterstützungs-, Beratungs- oder auch Pflegebedarf von konkret betroffenen Personen in ihrer individuellen, lebensgeschichtlichen und situativen Besonderheit erlebt werden und welche Normen und Werte dabei von Bedeutung sind, welche Ziele und Präferenzen sich situativ wie perspektivisch ergeben und welche Maßnahmen und Interventionen als angemessen gelten können, ist potenziell in jeder Situation immer wieder aufs Neue zu klären. Diese von der Strukturlogik her alle personenbezogenen Dienstleistungsberufe charakterisierende doppelte Handlungslogik ist mittlerweile auch für den Bereich der beruflichen Pflege ausbuchstabiert und konkretisiert worden (vgl. Weidner 2004; Remmers 2000; Hülsken-Giesler 2014). Demnach ist pflegerisches Handeln subjektivierendes Arbeitshandeln, das sich durch situatives und exploratives Vorgehen in alltags- und lebensweltlichen Kontexten auszeichnet und neben distanzierend kognitiv-rationalen Begründungen auch komplexe sinnliche – also körperlich-leibliche – Wahrnehmungen in die berufliche Entscheidungsfindung einbezieht. Alltagsweltlich generiertes Wissen ist demnach ebenso wie Kommunikations-, Beziehungs- und Gefühlsarbeit von konstitutiver Bedeutung für ein professionelles Pflegehandeln und darf daher keineswegs als Residualkategorie gegen ein ausschließlich rational begründetes Pflegehandeln (etwa im Sinne der externen Evidenz) ausgespielt und aus dem Wissenskanon des professionellen Handelns ausgegrenzt werden. Professionelle Pflege ist damit konstitutiv an der Schnittstelle von (Gesundheits-)System und Lebenswelt (der Hilfeempfänger) zu verorten. Sie kann ihren konkreten (einzelfallbezogenen) Auftrag ausschließlich über eben diese „Doppelseitigkeit“ beziehen und begründen und wird auch ihrer gesellschaftlichen Aufgabe der Vermittlung medizinisch-pflegerisch orientierter Versorgung und sozialpflegerisch orientierter Sorge ausschließlich über eben diese „Doppelseitigkeit“ gerecht.

Die Komplexität der Dienstleistungen erhöht sich dadurch, dass die Perspektive, Pflegearbeit auf die Dyade Helferin/Helfer – Hilfeempfänger zu reduzieren, heute nicht mehr tragfähig ist: Personenbezogene Dienstleistung wird in „kooperativen Dienstleistungssystemen“ erbracht, die das gesamte Umfeld der Dienstleistungserbringung sowie auch die zeitliche Dynamik von Dienstleistungsprozessen zu berücksichtigen haben (Bieber und Geiger 2014; Bienzeisler 2011). Pflegearbeit wird heute in sehr unterschiedlichen (z. B. personellen, räumlichen und zeitlichen) Konstellationen erbracht, die in ihrer zunehmenden Heterogenität etwa über das Konzept der „Pflegearrangements“ beschrieben und analysiert werden (vgl. Blinkert 2007). Verwiesen wird damit z. B. darauf, dass sich neben den klassischen Feldern der pflegerischen Versorgung (stationäre Pflege in unterschiedlichen Einrichtungen der Gesundheitsversorgung, häusliche Pflege, Hospizversorgung) heute zunehmend auch neuere Wohn- und Versorgungskonzepte (etwa Mehrgenerationenhäuser, Wohngruppen, Quartierskonzepte oder komplexere „Caring Communities“) als Rahmungen der Pflege durchsetzen.

7.3 Robotische Systeme in der Pflege: Entwicklungen und Einschätzungen

Eine einheitliche Definition von „Roboter“ liegt derzeit nicht vor, zur Abgrenzung von weiteren computergestützten Artefakten kann aber auf das „sense-think-act paradigm“ zurückgegriffen werden. Autonome Roboter sind demnach dadurch gekennzeichnet, dass maschinelle Sensorik über geeignete Algorithmen mit Aktorik verbunden wird und somit maschinelle „Wahrnehmung“ in maschinelle „Handlung“ überführt werden kann, Maschinen also zu autonomen Systemen werden, die Aufgaben ohne direkte menschliche Steuerung ausführen können (vgl. Thrun 2004; Franklin und Graesser 1997). Pflegerobotik wird dabei in der Regel über den spezifischen Einsatzbereich, also mit Blick auf die praktische Verwendung und die konkreten Funktionen bzw. Funktionalitäten der Systeme (z. B. Assistenz bei Pflegetätigkeiten, Überwachung von Vitaldaten oder auch Unterstützung in sozialpflegerischen Kontexten) definiert und damit weniger über die technischen Möglichkeiten etwa der Spracherkennung, der Emotionserkennung oder der Mobilität (vgl. Van Wynsberghe 2013; Sharkey und Sharkey 2012; Vallor 2011).

Systematisiert man den aktuellen Stand der Pflegerobotik entlang von Einsatzfeldern und Funktionalitäten, zeigen sich im Kern drei relevante Kategorien: 1) sozio-assistive Systeme einschließlich Emotionsroboter, 2) Serviceroboter für Pflegende sowie für Menschen mit Hilfebedarf sowie 3) Rehabilitationsrobotik, die allerdings, legt man die Aufgaben und Verantwortungsbereiche der Pflege in Deutschland zugrunde, anders als im angloamerikanischen Raum nur eingeschränkt als Pflegerobotik gelten kann.

7.3.1 Sozio-assistive Systeme (einschließlich Emotionsrobotik)

Sozio-assistive Systeme fokussieren auf eine Unterstützung der sozial-kommunikativen Aspekte im Bereich der Pflege. Die internationale Studienlage zum Einsatz von sozio-assistiven Systemen zur Unterstützung älterer Menschen zeigt überwiegend positive Effekte, die allerdings aufgrund der limitierten Güte der Studien derzeit noch wenig aussagekräftig sind (Bemelmans et al. 2012). Sozio-assistive Systeme als humanoide Roboter – das sind autonome Systeme von menschenähnlicher Gestalt – wurden z. B. mit Blick auf Aspekte der „Bedienbarkeit“ und der „sprachlichen Interaktion“ untersucht. Die Probanden – darunter auch ältere Menschen, die zuvor noch keinen Kontakt mit Computern hatten – äußern durchaus Interesse und Zufriedenheit mit den eingesetzten Systemen (Louie et al. 2014; Ivari et al. 2013). Neben Humanoiden werden auch Roboter in Tiergestalt bei Seniorinnen und Senioren eingesetzt. Systematische Literaturreviews betonen hier das Potenzial zur Unterstützung von Menschen mit Demenz. Hervorgehoben wird die Möglichkeit einer Substitution von Tiertherapie durch robotische Systeme zur Verbesserung von Kommunikation, zur Förderung von Unabhängigkeit, zur Steigerung von Lebensqualität sowie zur Entlastung von pflegenden Angehörigen. Auch in diesem Zusammenhang wird allerdings auf die begrenzte methodische Güte der untersuchten Studien verwiesen (Huschilt und Clune 2012; Mordoch et al. 2013). Campbell (2012) konkretisiert, dass der Einsatz von Robotertieren die Kommunikationsfähigkeit von Menschen mit Demenz fördern könne, bei gleichzeitig verringertem Allergiepotenzial und Pflegeaufwand im Vergleich zu lebenden Tieren.

Öffentliche Aufmerksamkeit hat in Deutschland das System PARO erfahren, das mittlerweile in der achten Generation verfügbar ist und nicht zuletzt die Diskussion um den Einsatz von Emotionsrobotik im Umfeld demenziell erkrankter Menschen wesentlich stimuliert hat. Auf der Homepage www.parorobots.com lassen sich die kommerziell eingefärbten Informationen zur Emotionsrobbe PARO nachlesen. Dort wird in Aussicht gestellt, dass der Stresspegel bei Patientinnen und Patienten sowie auch bei Pflegenden mit dem Einsatz von PARO reduziert und die Interaktion zwischen Patientinnen bzw. Patienten und Pflegenden verbessert werden kann. Mit dem System soll Entspannung gefördert und die soziale und psychische Situation insgesamt verbessert werden (Parobots 2017).

Aus wissenschaftlicher Sicht sind einige der verzeichneten Aussagen allerdings zu relativieren. Unabhängig davon, ob PARO als Therapieroboter oder als sozio-assistives System zu systematisieren ist, leidet auch dieses wohl meist beforschte System aus dem Umfeld der Pflegerobotik darunter, dass die Güte der vorliegenden Studien umstritten ist: In wenig umfangreichen Studien wurden Fragen des Einflusses von PARO auf die Lebensqualität und Lebensfreude von Probanden erhoben (Moyle et al. 2015, 2013), Vergleiche mit weiteren robotischen Systemen angestellt (Robinson et al. 2013; Valenti Soler 2015), der Einfluss von PARO auf physiologische Parameter von Probanden gemessen (Robinson 2015) sowie Aspekte der Kommunikation und Interaktion in Kontexten der Verwendung des Emotionsroboters untersucht (Sung et al. 2015). In diesen Studien zeigen sich zwar überwiegend positive Effekte des Robotikeinsatzes, die erzielten Ergebnisse können jedoch in keiner Weise als repräsentativ bezeichnet werden (vgl. Robinson 2015; Sung et al. 2015).

7.3.2 Servicerobotik

Robotische Unterstützung im sozio-assistiven Bereich ist von hoher Komplexität geprägt, nachhaltige Wirkungsnachweise sind daher bislang nur schwer zu erbringen. Die Forschungs- und Entwicklungsbemühungen konzentrieren sich daher zunehmend auf robotische Systeme, die einfachere Serviceleistungen erbringen sollen. Bedaf et al. (2015) analysieren in diesem Kontext internationale Studien zu autonomen Systemen zur Unterstützung von älteren und hochaltrigen Menschen. Die Unterstützung erfolgt hier vornehmlich in den Bereichen „Mobilität“, „Selbstpflege“ sowie „Interaktion“ bzw. „Beziehungsarbeit“. Die Autoren konstatieren, dass die derzeitigen Entwicklungen überwiegend technikgetrieben sind („technology-push“, s. auch Krings et al. 2012) und empfehlen dringend, die Bedürfnisse älterer Menschen zukünftig verstärkt zu berücksichtigen. Autonome Systeme zur Unterstützung älterer Menschen sind demnach derzeit noch unzureichend ausgereift und können deshalb noch keinen substanziellen Beitrag zu einem unabhängigen Leben erbringen.

In Deutschland ist das System Care-O-bot® bekannt geworden, das in mehreren Versionen vorgehalten wird. Aktuell ist die vierte Generation des mobilen Roboterassistenten zur aktiven Unterstützung des Menschen im häuslichen Umfeld in Entwicklung (Fraunhofer 2017). Das System Care-O-bot 4 wird von den Herstellern als agiler und modularer als das Vorgängersystem beschrieben und bietet vielfältige Möglichkeiten zur Interaktion. Betont wird, dass bei der Entwicklung auch ökonomische Aspekte von Bedeutung sind. „Je nach Konfiguration lässt sich eine individuelle Roboterplattform für unterschiedlichste Anwendungen aufbauen: Als mobiler Informationskiosk im Museum, Baumarkt oder Flughafen, für Hol- und Bringdienste in Heimen oder Büros, für Sicherheitsanwendungen oder als Museumsroboter zur Attraktion – stets ist der Care-O-bot 4 ein sicherer und nützlicher Helfer des Menschen“, versprechen die Entwickler (Fraunhofer 2017, o. S.). Weiter heißt es: „Care-O-bot 4 ist in der Lage, je nach Situation mehrere Stimmungen über sein im Kopf integriertes Display anzuzeigen. Während das Vorgängermodell als zurückhaltender, eher distanzierter Butler konzipiert war, ist sein Nachfolger so zuvorkommend, freundlich und sympathisch wie ein Gentleman“ (Fraunhofer 2017, o. S.).

Neben Servicerobotern für Menschen mit Hilfebedarf werden auch Serviceroboter zur Unterstützung professionell Pflegender angeboten: Diese fokussieren meist auf logistische Unterstützung im Kontext der akutstationären Pflege (z. B. zur Beschaffung bzw. Bereitstellung von Medikamenten oder als Transportsystem). Kirschling et al. (2009) berichten von der Evaluation eines Roboterkuriers zur Medikamentenlieferung innerhalb eines Krankenhauses. Das robotische System arbeitet zwar langsamer als konventionelle Verfahren, über 90 % der Medikamente konnten aber erfolgreich geliefert werden. Es zeigt sich aber Optimierungsbedarf in der Schulung des Personals, das mit dem System arbeitet, da der erfolgreiche Einsatz des Roboterkuriers von einer gelungenen Mensch-Technik-Interaktion abhängt (Kirschling et al. 2009). Auch für den deutschsprachigen Raum wird die Entwicklung von robotischen Systemen zur Unterstützung von logistischen Aufgaben in der Pflege vorangetrieben: So entwickelt das Fraunhofer IPA derzeit einen robotischen Pflegewagen, der den Befüllungsstand autonom erhebt und ggf. vervollständigt (Fraunhofer 2016).

7.3.3 Rehabilitationsrobotik

Die dynamischen Entwicklungen im Bereich Rehabilitationsrobotik betreffen international auch Handlungsfelder der professionellen Pflege. Robotische Systeme wurden hier etwa im Zusammenhang mit rehabilitativen Ansätzen bei Schlaganfällen, Autismus (insbesondere im Kindesalter), Multipler Sklerose, Parkinson und weiteren neurorehabilitativen Herausforderungen entwickelt und erprobt (vgl. Yang et al. 2015; Yoo und Kim 2015; Bae et al. 2014; Wu et al. 2014). Da entsprechende rehabilitative Interventionen im deutschsprachigen Raum nicht primär durch professionell Pflegende verantwortet werden, soll dieser Bereich hier jedoch nicht weiterverfolgt werden.

Der derzeitige Diskussionsstand zum Thema Pflegerobotik verweist auf zunehmende Entwicklungs- und Forschungsaktivitäten, kann dabei jedoch nur auf einen sehr begrenzten Erkenntnisstand zu den Einsatzbedingungen und Effekten im Handlungsfeld zurückgreifen. Der Schwerpunkt der Entwicklung für den engeren Bereich der Pflege liegt bei den sozio-assistiven Systemen sowie der Servicerobotik. Sozio-assistive Systeme zur Unterstützung sozial-kommunikativer Aspekte der Pflege kommen vorzugsweise als humanoide und tierische Systeme zum Einsatz, es liegen erste Hinweise vor, dass diese Systeme bei den Hilfeempfängern auf Aufmerksamkeit und Interesse stoßen und das Interaktionsverhalten möglicherweise verbessern können. Die vorliegenden Studien sind dabei methodisch noch unzureichend und fokussieren in der Regel eher fragmentarisch auf den Einsatz ausgesuchter Systeme. Servicerobotik im Bereich der Pflege zielt derzeit vornehmlich auf Aspekte von Mobilität, Selbstpflege und Interaktion bzw. Beziehungsarbeit von Hilfeempfängern. Servicerobotik für professionell Pflegende adressiert vorzugsweise logistisch-organisatorische Aspekte der Pflegearbeit. Systeme zur Unterstützung der direkten, patientennahen Pflegearbeit finden sich derzeit noch kaum. Die vorliegenden Erkenntnisse betonen die Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Pflegepraxis, Pflegewissenschaft und Technikwissenschaften im Rahmen der Entwicklung und Implementierung der Systeme. Weiterhin wird hervorgehoben, dass die Nutzerinnen und Nutzer von Pflegerobotik über besondere qualifikatorische Voraussetzungen verfügen müssen. Die Studienlage zu den Rahmenbedingungen des Einsatzes dieser Systeme ist derzeit sehr dünn.

7.4 Herausforderungen des Einsatzes von robotischen Systemen aus der Perspektive der Pflegewissenschaft

Zur Skizzierung einiger Herausforderungen im Zusammenhang mit der dynamischen Entwicklung im Bereich der Pflegerobotik soll an dieser Stelle auf die jüngst veröffentlichte Studie „ePflege“ (Roland Berger et al. 2017) verwiesen werden. Die über das Bundesministerium für Gesundheit in Auftrag gegebene Studie betont, dass die weitere Entwicklung durch eine verstärkte Nutzer- und Alltagsorientierung geprägt sein muss. Als Ausgangspunkt der Entwicklung sind damit nicht in erster Linie Aspekte der technologischen Innovation anzuvisieren, vielmehr ist zu fragen, wie soziale Innovationen in den Handlungsfeldern der personenbezogenen Dienstleistung Pflege ermöglicht werden können, ob robotische Systeme dazu beitragen können und wie diese dazu ggf. zu gestalten sind (Stichwort „Soziotechnische Innovation“). Nimmt man die hier skizzierten Charakteristika der professionellen Pflege zum Ausgangspunkt (siehe Abschn. 7.2), wäre dies etwa über die Bereitstellung (und institutionelle Absicherung!) von Zeit für die Kernaufgaben der personell gestützten beruflichen Pflege (etwa durch Entlastung im logistischen Bereich) oder auch über die Bereitstellung von Daten und Informationen für eine fachlich begründete Professionalität in der Pflege durch interne und externe Evidenz möglich. Soziotechnische Innovation kann nicht unabhängig von den konkret anvisierten Entwicklungsfeldern realisiert werden. Die Bereitstellung von modularisierten Systemen, die – unabhängig von den spezifischen Herausforderungen im Handlungsfeld – in Museen und Baumärkten, in Flughäfen und Büros oder eben auch in Pflegeheimen und Krankenhäusern zum Einsatz kommen sollen, ist diesem Innovationsgedanken allerdings fern. Die Studie „ePflege“ spricht sich weiterhin für die Einrichtung eines „Netzwerks IKT in der Pflege“ aus. Mit dieser Institutionalisierung sollen interdisziplinäre und interprofessionelle Positionen und Interessen im Umfeld von IKT in der Pflege ausgetauscht, übergreifende Zielsetzungen für die weitere Entwicklung identifiziert und priorisiert und Impulse für sektorenübergreifende Entwicklungen gegeben werden. Sollte das Forschungs- und Entwicklungsfeld Pflegerobotik tatsächlich (wie eingangs angedeutet, s. Abschn. 7.1) prototypisch für eine europäische Innovationspolitik der Verbreitung von sozialer Robotik in zukünftigen Gesellschaften stehen, erscheinen entsprechende Netzwerkarbeiten umso dringlicher, um die spezifischen Anforderungen an eine Pflegerobotik im Kontext dieser Gesamtinitiative verteidigen zu können. Die Studie „ePflege“ mahnt weiterhin offensive Diskurse zu den Voraussetzungen, Möglichkeiten und Herausforderungen der Technikverwendung in der Pflege an. Gezielte und öffentliche (z. B. mit Blick auf potenziell pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen) wie fachöffentliche (professionelle Pflege, Technikentwicklung u. a. m.) Diskurse sind in diesem Zusammenhang beispielsweise mit Blick auf ethische, rechtliche oder ökonomische Fragen anzustoßen und zu führen, aber auch mit Blick auf ganz subjektive Sorgen, Ängste und Befürchtungen etwa in Bezug auf Fragen der Entpersonifizierung und Deprofessionalisierung der Pflege durch robotische Systeme. Verwiesen wird überdies auf die Notwendigkeit, die Akteure im Handlungsfeld qualifikatorisch auf die neuen technischen Systeme vorzubereiten. Dabei müssen allerdings über rein technisch-instrumentelle Kompetenzen zum sachgerechten Einsatz von technischen Innovationen in der Pflege hinaus weitere zentrale Kompetenzen angelegt werden: Insbesondere, wenn es darum gehen soll, dass robotische Systeme zukünftig zu soziotechnischen Innovationen in der Pflege beitragen, und die Pflegenden selbst diese Innovationen mit zu entwickeln haben, sind sie in die Lage zu versetzen, den Technologieeinsatz in größeren Gesamtzusammenhängen zu verstehen, also z. B. Fragen der Mensch-Technik-Interaktion in der Pflege im Zusammenhang mit neuen Arbeitsprozessen und Aufgabenverteilungen zwischen Mensch und Maschine zu denken. Hinzu kommen sozialkommunikative Kompetenzen, die etwa in Kontexten der Pflegeberatung im Umfeld eines Technologieeinsatzes von Bedeutung sind, aber auch emotionale Kompetenzen, etwa die Befähigung, im Umgang mit emotionsstimulierenden robotischen Systemen professionelle Distanz zu bewahren. Eine zentrale Kompetenz wird – sollte der Einsatz von Pflegerobotik zukünftig tatsächlich zur Option werden – darin liegen müssen, dass Pflegende reflexiv zu einer situationsgerechten Verwendung der Systeme in der Lage sind, das heißt also insbesondere entscheiden können, wann der Einsatz von Pflegerobotik gerechtfertigt und fachlich legitim ist, wann dies aber ggf. auch nicht der Fall ist. Herausforderungen, auch darauf verweist die Studie „ePflege“, sind weiterhin im Bereich der Forschungsförderung und der Technikentwicklung zu bewältigen: Ansätze einer partizipativen Technologieentwicklung sind bereits seit längerem in Diskussion, müssen aber insbesondere unter methodischen Gesichtspunkten konsequent weiterentwickelt werden, um einen Paradigmenwechsel von der technischen zur soziotechnischen Innovation zu erreichen und dabei auch den Ansprüchen einer technologischen Unterstützung von komplexen „Pflegearrangements“ gerecht zu werden. In diesem Zusammenhang sind auch Ansätze einer prospektiven ethischen Bewertung des Robotereinsatzes in der Pflege zu berücksichtigen (vgl. Depner und Hülsken-Giesler 2017).

7.5 Fazit und Ausblick

Das Thema Pflegerobotik gewinnt international wie auch in Deutschland an Bedeutung. Der Entwicklungs- und Forschungsstand verweist dabei einerseits auf einen unzureichenden Erkenntnisstand in Bezug auf die Rahmenbedingungen und die Effekte eines Einsatzes von Pflegerobotik, andererseits ist aber deutlich erkennbar, dass die spezifischen Charakteristika des professionellen pflegerischen Handelns als personenbezogene Dienstleistung bislang kaum angemessen adressiert werden. Dies kann ggf. als ein Hinweis darauf gelesen werden, dass die massive politische Förderung von Pflegerobotik in Europa letztlich nicht darauf abzielt, die spezifischen Bedarfe, Bedürfnisse und Besonderheiten in den verschiedenen Handlungsfeldern der Pflege (stationäre Akutpflege, stationäre Langzeitpflege, ambulante Pflege) zu adressieren, sondern die gesellschaftliche Debatte um die Herausforderungen der demografischen Entwicklung dafür zu nutzen, technologische Lösungsoptionen für soziale Problemlagen handlungsfeldunspezifisch zu erproben. Für die Pflege und Pflegewissenschaft wird eine wichtige Aufgabe darin bestehen, immer wieder auf die spezifischen Problemlagen und Besonderheiten in der Pflege zu verweisen und entsprechende Entwicklungen und Bewertungen einzufordern, zu unterstützen und gesellschaftlich zur Diskussion zu stellen.