Zusammenfassung
Deutschland gehört zwar nicht zu den klassischen Einwanderungsländern, es wird aber spätestens seit Mitte der 1950er Jahre durch ein hohes Maß an Zuzügen von verschiedenen Migrantengruppen geprägt (Bade & Oltmer 2004; Meier-Braun 2006>; Oltmer 2010). Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es umfangreiche Wanderungsbewegungen. Zwischen 1945 und 1949 kamen etwa zwölf Millionen Menschen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten nach Deutschland, davon etwa acht Millionen nach West- und vier Millionen nach Ostdeutschland. Den Vertriebenen und Flüchtlingen deutscher Volkszugehörigkeit folgten ab 1950 die Aussiedlerinnen und Aussiedler mit ihren Familienangehörigen. Seit 1993 spricht man von ‚Spätaussiedlern‘, die nach dem Bundesvertriebenengesetz deutsche Volkszugehörige sind, unter einem Kriegsfolgenschicksal gelitten haben und nach 1992 ein Aussiedlungsgebiet verlassen haben. Die Zuwanderung dieser Gruppe umfasste im Zeitraum zwischen 1950 und 2010 etwa 4,5 Mio. Personen. Die nach der Gründung der beiden deutschen Staaten im Jahr 1949 bedeutsamste Zuwanderung ist allerdings jene der angeworbenen ‚Gastarbeiterinnen‘ und ‚Gastarbeiter‘ sowie ihrer Familienangehörigen in den Jahren zwischen 1955 und 1973. In diesem Zeitraum reisten 9,5 Mio. Personen ausländischer Herkunft in die Bundesrepublik Deutschland ein. Für die hier interessierende demografische Alterung der Migrantenbevölkerung spielen diese beiden Zuwanderergruppen eine zentrale Rolle.
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Notes
- 1.
Obwohl das Lebensalter ein zentrales Merkmal der Integrationsprognose ist, liegt keine nach Alter gegliederte Zuzugsstatistik für jüdische Zuwanderinnen und Zuwanderer vor. Insofern muss auf andere Quellen wie die Bestandszahlen im Ausländerzentralregister (AZR) zurückgegriffen werden, in dem alle ausländischen Personen im Bundesgebiet u. a. auch nach dem Aufenthaltstitel gespeichert sind. Für jüdische Zuwanderinnen und Zuwanderer gibt es im AZR jedoch keinen speziellen Speichersachverhalt, so dass dieser Personenkreis nicht direkt aus dem Register ermittelt werden kann. Sie können jedoch als Teilmenge der Personen definiert werden, die eine Niederlassungserlaubnis nach § 23 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erhalten haben und aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion stammen, da nur Personen aus diesen Staaten als jüdische Zuwanderinnen und Zuwanderer anerkannt werden (vgl. Schimany 2012).
- 2.
Nicht unter den Begriff der Migrantin bzw. des Migranten fallen im Folgenden inländische Ruhesitzwanderinnen und -wanderer und Personen ohne Migrationshintergrund, die zumeist mit Eintritt in den Ruhestand ihren (Haupt-)Wohnsitz vorübergehend (saisonal) oder endgültig von Deutschland ins Ausland verlegen. Hier steht der Aspekt ‚Altern in der Migration (von Zugewanderten)‘ und nicht die ‚Migration im Alter (von Einheimischen)‘ im Vordergrund. Keine gesonderte Berücksichtigung erfahren zudem Angehörige nationaler Minderheiten wie Dänen, Friesen, Sorben sowie Sinti und Roma (Bundesministerium des Inneren 2010), die Teil der deutschen älteren Bevölkerung sind.
- 3.
Infolge unterschiedlicher Erhebungsmethoden und aufgrund einer umfangreichen Registerbereinigung des AZR weicht die Gesamtzahl der Ausländerinnen und Ausländer in der Bevölkerungsfortschreibung und im Ausländerzentralregister insbesondere ab dem Jahr 2004 deutlich voneinander ab.
- 4.
Zahlen zu den über 80-Jährigen sind vielfach sehr gering. Sie werden in der Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes daher nicht angegeben.
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Schimany, P., Baykara-Krumme, H. (2012). Zur Geschichte und demografischen Bedeutung älterer Migrantinnen und Migranten in Deutschland. In: Baykara-Krumme, H., Schimany, P., Motel-Klingebiel, A. (eds) Viele Welten des Alterns. Alter(n) und Gesellschaft, vol 22. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19011-2_2
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