„Die Klimakrise ist ein medizinischer Notfall“, so Dr. Thomas Lob-Corzilius, Osnabrück, der blitzlichtartig die Folgen des Klimawandels für die Pneumologie erläuterte. Und die sind weitreichend. Neben vermehrter Belastung des Einzelnen durch Hitze, Luftschadstoffe und Pollenflug wird auch das Gesundheitswesen insgesamt in Mitleidenschaft gezogen.
Wochenlange Waldbrände durch schwere Hitzewellen: Solche Bilder stammten lange Zeit vor allem aus Australien, Neuseeland oder dem Westen der USA. Inzwischen sind sie vor unsere Haustür gerückt, ebenso wie schwere Überschwemmungen. Das bedeutet eine Mehrbelastung durch Luftschadstoffe, von denen laut Lob-Corzilius vor allem toxische Verbrennungsprodukte, Feinstäube und Ozon relevant sind. Sie belasten die Atemwege erheblich. Das Risiko für allergisches und nicht-allergisches Asthma steigt. Das geschieht im Wesentlichen über zwei Mechanismen: Das Einatmen von Feinstaub und Stickstoffdioxid führt zu einer Aktivierung der Immunantwort hin zu einer TH2-Stimulation und verursacht eine Sensibilisierung. Weiterer Kontakt mit einem Allergen führt dann zu einer allergischen Reaktion. Über einen zweiten Weg kommt es unter dem Einfluss von Schadstoffen zu einer Inflammation des Bronchialepithels, getriggert auch durch Infektionen und körperliche Aktivität. Dies bereitet auch den Boden für nicht-allergisches Asthma.
Gewitterasthma nach Starkwetterereignissen
Ein besonderes, hierzulande noch seltenes, Phänomen ist das „Gewitterasthma“ das bei Starkwetterereignissen wie Hitze mit anschließenden Regengüssen auftreten kann. Dabei, so Lob-Corzilius, brechen bereits eine bis zwei Stunden vor Gewitterbeginn Pollen vermehrt auf, und zwar infolge eines „osmotischen Schocks“, herbeigeführt durch Wärme und hohe Luftfeuchtigkeit. Die Pollenallergene binden an Feinstäube. Gleichzeitig wird die vermehrte Freisetzung von PALMS (pollenassoziierte Lipidmediatoren) getriggert, was die Wirkung verstärkt. Sie werden dann in die kleinsten Bronchien inhaliert und lösen das „Gewitterasthma“ aus. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsene ist es häufig zu beobachten. Sie haben in der Regel bisher nur geringe Asthmasymptome. Ein antiasthmatischer Notfallspray oder gar eine Dauertherapie sind meist nicht notwendig. Kritisch werden kann die Situation dagegen bei Menschen, die bereits unter Atemwegsbeschwerden leiden.
Pollenexposition von Kleinkindern?
Auch der Pollenflug ändert sich durch den Klimawandel. Die in Deutschland besonders relevanten Birken- und Gräserpollen werden früher unterwegs sein, nämlich schon im Januar und Februar und nicht wie jetzt noch erst im Frühjahr. Birkenpollen werden dabei langfristig weniger auftreten, weil auch die Zahl der Birken wegen des Klimawandels zurückgehen wird. Gräser mit mehr als 300 verschiedenen Spezies werden dagegen bleiben, erläuterte Pollenexperte Professor Dr. Jeroen Buters, Helmholtz-Zentrum München. Sein Vorschlag: Um Allergien durch Pollen zu vermeiden, könnten Mütter mit Kleinkindern bei starkem Pollenflug ins Freie gehen und den Nachwuchs mit Pollen exponieren – nach dem Motto „ran ans Allergen“, so Buters, nicht ohne Schmunzeln. Aber: Das könnte schützend wirken. Klare Ablehnung zeigte er gegenüber Apps zur Bestimmung der lokalen Pollenaktivität, da diesen Aussagen zu wenig Daten zugrunde liegen.
Langzeitfolgen nicht vergessen
Die vermehrte Belastung der Lunge durch Schadstoffe hat aber auch Langzeitfolgen auf die Lungengesundheit, wie Lob-Corzilius erläuterte. Bei Kindern und Jugendlichen ist das Lungenwachstum vermindert, bei Erwachsenen und Jugendlichen die Lungenfunktion eingeschränkt. Ein bestehendes Asthma bronchiale verschlechtert sich. Es kommt häufiger zu Atemwegserkrankungen, auch mit Hospitalisierung. Last but not least steigt auch die Mortalität infolge von Atemwegserkrankungen.
Kritisch: Schutzanzug bei Hitze
Was aber macht die Klimakrise mit unserem Gesundheitswesen? Insbesondere die Hitze belastet das dort arbeitende Personal ganz besonders, etwa durch das Tragen von Schutzanzügen auch an heißen Tagen. Die ohnehin am Limit arbeitenden Schwestern und Pfleger werden kaum entlastet, mehr Pausen sind kaum möglich. Gleichzeitig steigt die Zahl der Patienten, denn auch die Bevölkerung leidet vermehrt unter der Hitze. Stephan Böse-O´Reilly, forderte deshalb ähnlich dem Hygieneplan einen Hitzeplan, den es aber noch kaum in den Kliniken gebe.
Basierend auf: DGP-Kongress 2022, 25.05. – 28.05.22 Leipzig; „Umweltmedizinisches Symposium“, 26. Mai 2022