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22.07.2022 | Klima | Nachrichten

Hitzeschutz in Pflegeeinrichtungen

"Anwendbare Konzepte stecken noch nicht in jeder Schublade"

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Die derzeitige Hitzewelle fordert Pflegeeinrichtungen und die Pflegenden selbst heraus. Wie kommen sie durch die Situation und wo gibt es Verbesserungspotenzial? Wir fragten nach bei Bernadette Klapper vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK).

Bernadette Klapper © privatDr. Bernadette Klapper ist Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK).

Springer Pflege: Deutschland leidet unter einer extremen Hitzewelle, die besonders pflegebedürftige Menschen und Senioren gefährdet. Wie erleben Sie den Umgang damit in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen?

B. Klapper: Wir sehen, dass die Fachpersonen und Verantwortlichen in den ambulanten und Stationären Einrichtungen sensibilisiert sind und Maßnahmen ergreifen. Allerdings stehen wir mit dem Thema in Deutschland noch am Anfang, so dass fertige und anwendbare Konzepte, die jetzt rasch und effizient umgesetzt werden können, noch nicht in jeder Schublade stecken. Zumal die Hitzewelle zusätzliche Aufgaben mit sich bringt, die von einem Personal geleistet werden müssen, das Corona-erschöpft ist. Außerdem – so hören wir – ist der Krankenstand gerade wegen neuer und anderer Infektionen aktuell sehr hoch.

Sind die Einrichtungen generell auf solche Ereignisse vorbereitet oder sehen Sie Verbesserungspotenzial?

Noch verzeichnen wir in den Einrichtungen – verständlicherweise – kaum etablierte Routinen. Es wäre aber wünschenswert, wenn jede Einrichtung einen klaren und umsetzbaren Aktionsplan hätte, den sie rasch ausrollen kann. Maßnahmen müssen außerdem auf unterschiedlichen Ebenen getroffen werden – zum Beispiel in der Anpassung der Architektur über Lüftungs- und Kühlungspraktiken in den Räumen bis hin zur individuellen Flüssigkeitsgabe und erfrischenden Wickeln und Bädern.

Wie sieht es bei den Mitarbeitenden aus? Sind sie ausreichend geschult und stehen genügend Ressourcen zur Verfügung, um notwendige Maßnahmen auch umzusetzen?

Die Mitarbeitenden sind sensibilisiert, aber es braucht zukünftig in jedem Fall Schulungen und entsprechende Module in den Ausbildungen. Einerseits geht es um Kompetenz in der individuellen Betreuung, zum Beispiel dem Identifizieren der besonders gefährdeten Personen, das Erkennen einer Überhitzung und Kenntnis über wirksame Maßnahmen. Andererseits aber auch um einrichtungsbezogene Schulungen zum jeweiligen hausinternen Aktionsplan. 

Ein großes Problem dürften die vorhandenen Ressourcen sein: Das Anreichen von mehr Flüssigkeit und das Durchführen von kühlenden Wickeln und Bädern ist zeitintensiv und erfordert entsprechend mehr Personalressourcen, über die wir gerade jetzt angesichts der hohen Krankenstände nicht verfügen.

Für die Pflegenden selbst bedeutet die Hitze arbeiten unter Extrembedingungen. Tun die Arbeitgeber genug, um ihre Mitarbeitenden zu schützen?

Ich bin sicher, dass die Arbeitgeber verstanden haben, hier tätig werden zu müssen, aber sicher sind nicht alle gut vorbereitet. Gerade der Schutz der Mitarbeitenden erfordert, wenn er wirksam ausfallen soll, bauliche und kostspielige Maßnahmen wie zum Beispiel die Anschaffung von Kühlungsgeräten bzw. den Einbau von Klimatisierung. Und wir wissen alle, dass damit wieder extra Energie verbraucht wird, was unser Klimathema verschärft. Was in jedem Fall passieren sollte: Es muss auch für das Personal genug Flüssigkeit kostenlos bereitgestellt werden und es sollten Pausen akzeptabel sein für kurze Kühlungsmaßnahmen wie Armbäder oder ähnliches.

Was können wir aus den Erfahrungen anderer Länder lernen?

Sicher gibt es etliche gute Beispiele in anderen Ländern. Ein erster Blick lohnt sich in die Länder, die traditionell mit großer Hitze umgehen müssen. Da kann es auch sinnvoll werden, Tagesabläufe in den Heimen zu überdenken und die Mittagsruhe deutlich zu verlängern. Im Einzelnen mag es schwierig sein, bei Bewohner:innen für ausreichend Flüssigkeitsaufnahme zu sorgen, vor allem bei Schluckstörungen. Hier könnte ergänzend das Verabreichen subkutaner Infusionen erwogen werden.

Das Interview führte Nicoletta Eckardt.

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