Vor Hitze schützen Der Klimawandel ist mit gesundheitlichen Risiken verbunden - für Pflegebedürftige ebenso wie für Pflegende. Wie können Maßnahmen zum gesundheitlichen Schutz der Pflegekräfte, Angestellten und Bewohner*innen in Einrichtungen strukturiert und implementiert werden?
Das Umsetzen und Implementieren von Maßnahmen zum gesundheitlichen Hitzeschutz gewinnt vor dem Hintergrund der zunehmenden Hitzebelastung seit einiger Zeit starken Auftrieb. Auf nationaler Ebene erarbeiten und setzen beispielsweise Kommunen erste Hitzeaktionspläne als Leuchtturmprojekte um, in denen die Pflege und Versorgung älterer Menschen und damit auch die in der Pflege Tätigen eine wichtige Rolle einnehmen. Institutionen, Verbände, Einzelakteur*innen etc. vernetzen sich zunehmend, um gesundheitlichen Hitzeschutz gemeinsam in die Breite und ins Bewusstsein der Öffentlichkeit sowie wichtiger Multiplikator*innen, wie der Ärzte/Ärztinnen und Pflegekräfte, zu bringen. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass wir in Deutschland noch relativ am Anfang dieses Weges stehen. Unsere europäischen Nachbarn wie Frankreich, Italien oder Österreich sind wesentlich weiter und haben teilweise schon nach der Hitzewelle 2003 begonnen, nationale Hitzeaktionspläne zu erarbeiten. Ein solcher fehlt in Deutschland bisher, weshalb die Vernetzung untereinander sowie das proaktive Umsetzen gesundheitlicher Hitzeschutzmaßnahmen umso wichtiger ist. Die Pflege spielt hierbei eine zentrale Rolle beim Schutz älterer, chronisch erkrankter und unterstützungsbedürftiger Menschen. Aber auch die Gesundheit der Pflegekräfte in Hitzeperioden darf nicht außer acht gelassen werden.
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Maßnahmen strukturieren
Maßnahmen zum gesundheitlichen Hitzeschutz können nach unterschiedlichen zeitlichen Aspekten zusammengefasst werden: zum einen, ob sie kurzfristig, also akut, greifen oder ob sie mittel- bis langfristig ausgelegt sind; je nachdem, ob es sich um richtiges Lüften, um die Begrünung der Außenanlage oder Baumaßnahmen handelt. Gleichzeitig ist festzulegen, ob die Maßnahmen in Vorbereitung auf den Sommer (z.B. Schulungsmaßnahmen), während des Sommers (z.B. Verlegung des Aufenthaltsbereichs in einen kühleren Raum) oder nach dem Sommer (z.B. Evaluation / Überprüfung der Maßnahmen) anfallen. Gleichfalls kann die Umsetzung gesundheitlicher Hitzeschutzmaßnahmen an das TOP-Prinzip (Abb. 1), ein Leitprinzip der Prävention im arbeitsmedizinischen Kontext, angelehnt werden. Hiermit können, beginnend mit den technischen, organisatorischen und persönlichen (inkl. pflegerischen) Möglichkeiten, die Hitzeschutzmaßnahmen strukturiert werden. Damit beginnt das TOP-Prinzip mit den technischen Möglichkeiten, die möglicherweise die Notwendigkeit für weiterführende organisatorische und / oder pflegerische Maßnahmen reduzieren. Gesundheitlicher Hitzeschutz erfordert derzeit jedoch ein paralleles Denken und Agieren in allen drei Kategorien.
Abb. 1:
TOP - ein Leitprinzip der Prävention
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In der Einrichtung verankern
Empfehlenswert ist, das Verankern von Maßnahmen zum gesundheitlichen Hitzeschutz in einen einrichtungsinternen Hitzeaktionsplan einzubetten, der die im oberen Abschnitt genannten Aspekte beinhaltet. Die Leitungsebenen, das Qualitätsmanagement, ggf. ergänzt um eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe "Hitze", können die nötigen Strukturen und Prozesse zum gesundheitsschützenden Umgang mit Hitzewellen einleiten und überprüfen. Eine Vorlage nach dem in der medizinischen und pflegerischen Versorgung gängigen Gliederung nach Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität ist im "Hitzemaßnahmenplan für stationäre Einrichtungen der Altenpflege. Empfehlungen aus der Praxis für die Praxis" enthalten und kann gemäß der im oberen Abschnitt vorgestellten Strukturierung eingeordnet werden. Zum Umgang mit Hitzeereignissen werden folgende Schritte vorgeschlagen:
Gefahren durch Hitze kennen
Hitzemaßnahmenplan nutzen und interdisziplinär umsetzen
Ressourcen für Schulungen bereitstellen
Hitzewarnungen koordinieren
Bewohner*innen und Angehörige aufklären
Kompetenz der Pflegekräfte über hitzebedingte Symptome und Risiken stärken
Maßnahmen zur Prophylaxe hitzebedingter Erkrankungen und bei Vorerkrankungen kennen
Prophylaxen bei hitzebedingten Erkrankungen durchführen
Prophylaxe bei hitzebedingten Erkrankungen evaluieren
Ärztliche Unterstützung bei hitzebedingten Erkrankungen hinzuziehen
Zusätzliche Getränken bereitstellen
Kompetenz der Mitarbeiter*innen der Küche erhöhem
Kompetenz der Haustechnik-Mitarbeiter*innen verbessern
Die ordnungsgemäße Lagerung von Medikamenten
Im Fokus - die Pflegekräfte
Das Umsetzen und erfolgreiche Etablieren von Hitzeschutzmaßnahmen erfordern das gemeinsame "an einem Strang ziehen" aller Professionen und Mitarbeitenden einer Pflegeeinrichtung. Reinigungskräfte können beispielsweise im Rahmen ihrer Aufgabe in den Sommermonaten die Raumtemperatur beachten; der Sozialdienst die Intensität seiner Aktivitäten den Temperaturen anpassen und in Absprache mit der Pflege Trinkrituale einbauen. Zentral in der Umsetzung gesundheitlicher Hitzeschutzmaßnahmen sind gemäß ihres Tätigkeitsspektrums die Pflegekräfte. Hierzu gehört u.a. das Vermeiden einer Exsikkose und das Sicherstellen eines ausgeglichenen Wasserhaushalts bei den Pflegebedürftigen. Hierfür können verschiedene organisatorische, praktische und pflegerisch beratende Maßnahmen formuliert werden. Welcher Unterstützungsbedarf bei den Pflegebedürftigen dahingehend besteht, kann z.B. mithilfe einer Checkliste eingeschätzt werden.
Auf Bewährtes besinnen
Nicht nur der gesundheitliche Schutz der Pflegebedürftigen bei Hitze ist wichtig - das Wohlbefinden der Pflegekräfte und aller weiteren Professionen sollte aus arbeitsmedizinischer Sicht in Hitzeaktionsplänen unbedingt berücksichtigt werden. Dies betrifft sowohl das Wohlbefinden während der Arbeitszeit als auch im privaten Umfeld, damit Erholung und körperliche Regeneration nach einem heißen, anstrengenden Arbeitstag möglich sind.
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Hitzeschutz im persönlichen, privaten Umfeld ist oftmals ein Rückbesinnen auf bewährte Alltagstipps gegen Hitze, beispielsweise richtiges Lüften und Verschatten, die Auswahl geeigneter Bettwäsche, geeigneter Kleidung oder einer kühlen Dusche am Abend. So kann nach einem anstrengenden Hitzetag die Schlafqualität verbessert und die nächtliche Regeneration erhöht werden. Privater Schutz vor Hitze bedeutet auch, fitter in den kommenden Arbeitstag, möglicherweise wieder bei anstrengend heißen Temperaturen, zu starten oder sich bei z.B. vorliegenden chronischen Erkrankungen entsprechend zu informieren und gut auf sich zu achten.
Arbeitsschutzmaßnahmen anpassen
Besonders wichtig für den Berufsalltag ist es, trotz hoher Arbeitsbelastung und Zeitmangel an ausreichendes Trinken zu denken, möglichst häufigere Pausen einzulegen, luftige Kleidung unter der Arbeitskleidung zu tragen und die Zeit beim Händewäschen gleichzeitig dafür zu nutzen, kühles Wasser über die Handgelenke laufen zu lassen oder den Nacken zu betupfen. Idealerweise sollten Hitzeschutzmaßnahmen die Gesundheit am Arbeitsplatz berücksichtigen, sodass z.B. die Tagesgestaltung angepasst oder Getränke für die Mitarbeitenden bereitgestellt werden.
Eine Umfrage im Sommer 2020 von ca. 430 Pflegekräften aus dem stationären (Altenpflege und Krankenhaus) und ambulanten Bereich hat gezeigt, dass an dieser Stelle noch große Lücken bestehen. So berichteten 67% der Pflegekräfte, dass sie an heißen Tagen bei Arbeit in Schutzkleidung mehr tranken, aber nur 42,9% konnten bestätigen, dass die zusätzlich nötigen Getränke von ihrer Einrichtung bereitgestellt wurden. Von Anpassungen an die hohen Temperaturen in der Pflege- und Tagesplanung konnten knapp 10% der Befragten berichten. Was wiederum dazu geführt hat, dass in stationären Pflegeheimen tätige Pflegekräfte verschiedene Tätigkeiten reduzierten: Gespräche um 5,9%, Mobilisation um 7,3% Reinigungsarbeiten um 6,5% und Körperpflegetätigkeiten um 3,7%. Eine Erklärung hierfür könnten die geäußerten körperlichen Symptome bei der Arbeit an heißen Tagen sein: fast alle befragten Pflegekräfte berichteten von Erschöpfung (96,5%), Müdigkeit (90,3%), Unzufriedenheit (82,8%), Gereiztheit (74,8%), von Kopfschmerzen (71,2%) oder Kurzatmigkeit (69,3%). Weitere Symptome waren Hautprobleme, Schwindel, Nervosität, Unsicherheit und Magen-Darm-Beschwerden. Auch die Angst, Fehler zu machen, stieg an.
Das Umsetzen strukturierter Hitzeschutzmaßnahmen bekommt einen immer höheren Stellenwert zum Schutz der Mitarbeitergesundheit und der Gesundheit der Pflegebedürftigen. Die Pflege ist nicht nur eigenverantwortlich zentrale Akteurin, sondern spielt beispielsweise auch in kommunalen Hitzeaktionsplänen eine wichtige Rolle, da sie Zugang zu einer wichtigen Risikogruppe für hitzebedingte Gesundheitsprobleme besitzt.
Checkliste: Trinken
Mit folgenden Fragen kann Handlungsbedarf für pflegerische Unterstützung beim Trinken erkannt werden - eine Beantwortung mit "ja" weist auf einen Bedarf hin.
Ist es für den Bewohner/die Bewohnerin schwer, selbst für seine/ihre Flüssigkeitszufuhr zu sorgen?
Vergisst er/sie zu trinken?
Erkennt er/sie sein Getränk nicht?
Fehlt die Motivation zu trinken?
Äußert sich der Bewohner/die Bewohnerin nicht, wenn er/sie etwas trinken möchte?
Besteht eine eingeschränkte Beweglichkeit?
Zittert der Bewohner/die Bewohnerin?
Kann er/sie den Trinkbecher nicht selbstständig füllen und halten?
Ist eine Unterstützung bei der Kleiderwahl erforderlich?
Sieht er/sie schlecht?
Hat er/sie Schmerzen?
Bestehen Einschränkungen beim Trinken?
Hat der Bewohner/die Bewohnerin eine Schluckstörung?
Ist das Durstgefühl reduziert?
Leidet er/sie unter Übelkeit/Geschmacksveränderungen?
Hat er/sie eine Munderkrankung wie Mundsoor, Aphten oder Zahnprobleme?
Besteht eine Inkontinenz?
Sorgt er/sie sich, die Toilette nicht mehr rechtzeitig zu erreichen?
Leidet er/sie an chronischen Erkrankungen, die einen Einfluss auf den Flüssigkeitshaushalt haben (z.B. Nieren-, Herzinsuffizienz)?
Gibt es eine akute Erkrankung (z.B. Durchfall, Fieber, Infektionen), die zu erhöhtem Flüssigkeitsverlust führt?
Besteht eine hohe Atemfrequenz, Atemnot oder Hyperventilation?
Besteht Adipositas?
Nimmt der Bewohner/die Bewohnerin Medikamente ein, die bei Hitze einen unerwünschten Effekt haben können?
Entnommen aus: Hitzemaßnahmenplan für stationäre Einrichtungen der Altenpflege. Empfehlungen aus der Praxis für die Praxis. LMU Klinikum München, Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin.
Pflege einfach machen
Ein Hitzeaktionsplan fehlt in Deutschland bisher, deshalb ist die Vernetzung untereinander sowie das proaktive Umsetzen gesundheitlicher Hitzeschutzmaßnahmen umso wichtiger.
Nicht nur der gesundheitliche Schutz der Pflegebedürftigen bei Hitze ist wichtig - das Wohlbefinden der Pflegekräfte und aller weiteren Professionen sollte aus arbeitsmedizinischer Sicht in Hitzeaktionsplänen unbedingt berücksichtigt werden.
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Das Umsetzen und erfolgreiche Etablieren von Hitzeschutzmaßnahmen erfordern, dass alle Professionen und Mitarbeitenden einer Pflegeeinrichtung gemeinsam handeln.
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