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20.12.2018 | Intensivstation | Nachrichten

Untergrenzen allein reichen nicht aus!

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Der von Gesundheitsminister Spahn verordnete Personalschlüssel macht nichts besser – eher schlechter, glauben Klinik-Vertreter.

Pflegekraft © Julian Stratenschulte / dpaBereits ab Januar gilt für Intensivstationen die neue Personaluntergrenze. Dann darf eine Pflegekraft – rein rechnerisch – tagsüber maximal für 2,5 Patienten zuständig sein.

Die ab Jahresbeginn geltenden Untergrenzen für Schwestern und Pfleger auf Intensivstationen dürften kaum Probleme lösen können. So lautet zumindest der Tenor einer Diskussion beim Kongress der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin in Leipzig.

Der dann geltende Plan sei sogar noch schlechter als der gegenwärtige Zustand und als international üblich, sagte Professor Christian Karagiannidis, Leitender Oberarzt am Klinikum Köln-Merheim.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte im Oktober per Verordnung festgelegt, dass ab Januar auf Intensivstationen tagsüber ein Pfleger für 2,5 Patienten zuständig sein soll und nachts für 3,5 Patienten. Für die Zeit ab 2021 ordnete er an, dass in der Tagschicht eine Schwester zwei Patienten betreut und in der Nachtschicht drei Patienten. Krankenhäuser, die sich nicht an die Vorgaben hielten, müssten Vergütungsabschläge hinnehmen, schrieb das Ministerium.

Als Grund führte Spahn an, dass die Verhandlungen zwischen dem GKV-Spitzenverband und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) gescheitert seien, die seit Juli 2017 geführt worden seien.

GKV weist Schuld der DKG zu

Mechtild Schmedders, Referatsleiterin beim GKV-Spitzenverband, gab bei der Diskussion in Leipzig die Schuld dafür der DKG. „Wir hatten eine Vereinbarung mit der DKG fertig, die ein Verhältnis von einem Pfleger und 1,7 Patienten vorsah“, berichtete Schmedders.

„Dann ist der Vorstand der DKG ausgestiegen und hat gesagt, das tragen wir nicht mit. Ich persönlich bin sehr enttäuscht davon.“ Schmedders Enttäuschung bezog sich ausdrücklich auch auf die Verordnung des Gesundheitsministeriums: „Wir hätten uns strengere Vorgaben gewünscht.“

Peer Köpf, bei der DKG zuständig für Personalwesen in Krankenhäusern, erwiderte: „Hätten wir ein Verhältnis von einem Pfleger und zwei Patienten festgelegt, hätten 50 bis 60 Prozent der Kliniken Probleme bekommen, diese Vorgaben zu erfüllen.“

Schmedders fügte an, sie „erwarte, dass wir für 2020 differenzierte Untergrenzen für die Intensivmedizin vereinbaren werden“.

Risiko für Burnout steigt

Karagiannidis verlangte einen Aktionsplan Pflege, um den Personalmangel in der Intensivpflege zu lindern. Der Oberarzt berichtete davon, dass das Risiko für Pfleger, an Burnout zu erkranken, steige, wenn sie zusätzliche Patienten zu betreuen hätten. Zugleich sei es so, dass sich die Wahrscheinlichkeit erhöhe, dass Patienten auf Intensivstationen stürben, wenn eine Schwester für zu viele Kranke zuständig sei.

Er schilderte, dass etwa jede zweite Klinik täglich zwei Betten auf ihren Intensivstationen sperren müsse, weil zu wenig Schwestern und Pfleger da seien. „Dazu brauchen wir viele verschiedene Maßnahmen“, ergänzte Karagiannidis, „eine einzelne reicht nicht aus, auch nicht die Festlegung von Personaluntergrenzen.“

Professor Gernot Marx, Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care am Universitätsklinikum Aachen, sprach davon, „dass es eigentlich darum geht, den Beruf der Pflege in der Intensivmedizin attraktiver zu machen – über Ausbildung und Vergütung“. Thomas van den Hooven, Vorstandsmitglied beim Universitätsklinikum Münster, forderte, die Pflege müsse im Abrechnungssystem ein „Erlösfaktor werden und nicht länger nur ein Kostenfaktor sein“.

Der Pflegedirektor und frühere Fachkrankenpfleger für Intensivpflege führte aus, dass „viele Kliniken Gelder, die für Pflege bestimmt sind, für andere Bereiche verwenden, weil Mittel für die Infrastruktur der Krankenhäuser fehlen“.

Schmedders zeigte sich offen für Veränderungen: „Eine bessere Erfassung der pflegerischen Leistung würden wir als GKV-Spitzenverband unterstützen.“

Pfleger ohne Interessenvertretung

Vorstand van den Hooven ergänzte, er sehe in der Verordnung des Ministeriums über Untergrenzen den Versuch, „zu verhindern, dass Pfleger die Mistgabeln nehmen und auf die Barrikaden gehen“.

Miriam Bongartz, die im Publikum saß und sonst als stellvertretende Leiterin der Intensivpflege am Uniklinikum Köln arbeitet, stand auf und meldete sich zu Wort: „Woran es in Deutschland fehlt, ist eine Organisation, die die Interessen der Pfleger vertritt.“ (se)

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