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Erschienen in: Pflegezeitschrift 4/2018

01.04.2018 | Pflegewissenschaft Zur Zeit gratis

Haarpflege mit Duschrobotern

verfasst von: Markus Hieber

Erschienen in: Pflegezeitschrift | Ausgabe 4/2018

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Zusammenfassung

Das europäische Forschungsprojekt „I-SUPPORT“ entwickelt einen mit Sensoren ausgestatteten Duschroboter, der aus einem Duscharm und einem beweglichen Stuhl besteht. Dieser Roboter kann multimodal per Fernbedienung, durch Ansprache oder mittels Gesten gesteuert werden. Doch wie sieht es mit ihrer Akzeptanz in Pflegeheimen aus?
Nicht alles Neue und Digitale findet in Pflegeheimen Zuspruch — weder bei den Bewohnern noch bei den Pflegenden. Deshalb wurden die potentiellen Anwender des Duschroboters, der von dem Forschungsprojekt „I-Support“ entwickelt wird, von Anfang an in die Entwicklung einbezogen. Unter anderem wurde dafür das Erhebungsverfahren MEESTAR eingesetzt. „MEESTAR“ ist ein Modell zur ethischen Evaluierung soziotechnischer Arrangements, bei dem die ethische Gruppendiskussion durch ein Szenario angeregt wird. Darüber soll die Akzeptanz von potentiellen Nutzern eines Duschroboters ermittelt und die ethischen Implikationen dieser technischen Innovation heraus gearbeitet werden.
Insgesamt wurden vier „Fokusgruppen“ gebildet, die von den Studienleitern moderierte und teilstrukturierte Gruppendiskussionen durchführten. Die vier Gruppen waren:
1.
Pflegebedürftige, die ambulant versorgt werden
 
2.
Ambulante Pflegekräfte
 
3.
Bewohner und Pflegekräfte eines Pflegeheims
 
4.
Bewohner eines Pflegeheims
 

Im Fokus: Autonomie

Die Diskussionen orientierten sich an den sieben ethischen Dimensionen Selbstbestimmung, Fürsorge, Sicherheit, Gerechtigkeit, Privatsphäre, Teilhabe und Selbstverständnis. Es zeigte sich, dass für die Pflegebedürftigen bezogen auf den Duschroboter die Dimensionen Selbstbestimmung und Selbstverständnis besonders wichtig waren. Für die Pflegenden waren es Selbstbestimmung, Sicherheit und Gerechtigkeit. Das Ergebnis aller vier Diskussionsgruppen zeigt laut Studie, dass zwar die Verwendung des Duschroboters ethisch sensibel sei, dies aber in der Praxis kompensiert werden könne. Die Pflegebedürftigen zeigten sich gegenüber einem Duschroboter sehr aufgeschlossen, da er ihre Privatsphäre schütze, die durch eine Pflegekraft beeinträchtigt werde und ihnen gleichzeitig Autonomie gebe. Das heißt, sie können selbst entscheiden, wann sie duschen möchten und müssen nicht warten, bis eine Pflegekraft Zeit für sie hat. Allerdings fehlen beim Duschroboter Kommunikation, Krankenbeobachtung und die Ressourcenförderung, die bei der Versorgung durch einen Menschen vorhanden sind.
Der Duschroboter soll mit einem Alarm, mit einem Nothalt und Sensoren zur Sturzerkennung ausgestattet werden, um dem Sicherheitsbedürfnis der Pflegebedürftigen zu entsprechen. Die Pflegebedürftigen fürchten, dass technische Innovationen zukünftig die Oberhand gewinnen. Außerdem bestand der Wunsch, dass der Roboter für alle — und nicht nur für besser verdienende Bewohner — zur Verfügung stehen sollte.
Die Pflegekräfte befürchteten eine Veränderung in ihrer Arbeit, vielleicht sogar den Verlust ihres Arbeitsplatzes. Die durch den Duschroboter eingesparte Zeit könnte allerdings von den Pflegenden für andere Aufgaben genutzt werden, für die jetzt keine Zeit vorhanden sei.

Kommentar

Folgende Geschichte hat sich wirklich ereignet: Ein dementer und in seiner Mobilität eingeschränkter Patient wurde im Bad allein gelassen, weil der Pfleger einem Kollegen zur Hilfe eilte. Aus Versehen stieß der Patient mit dem Körper gegen den Hebel der Duscharmatur und zog sich durch kochend heißes Wasser schwere Verbrühungen zu.
Professionell Pflegende kennen solche Geschichten und folgerichtig messen sie der Sicherheit beim Duschen vielmehr Bedeutung zu, als es die Pflegebedürftigen in der vorliegenden Studie tun. Bei ihnen steht ja Autonomie an erster Stelle. Partizipation und diskursive Ethik in allen Ehren, doch welchen Stellenwert haben Aussagen von jenen Stakeholdern, die in den Gruppendiskussionen mit Begriffen umgehen sollen, die sie sonst gar nicht verwenden („Selbstverständnis“)? Denn die ethischen Dimensionen stammen nicht von den potentiellen Anwendern, sondern sind von den Studienleitern vorgegeben worden. Die Teilnehmer der Gesprächsgruppen sollen eine Technik bewerten, deren Konsequenz sie gar nicht abschätzen können. Aber nicht nur aus Sicherheitsgründen sind Duschroboter abzulehnen. Obwohl für die Konstruktion und den Einbau von Duschrobotern Ingenieure und Handwerker benötigt werden, so werden dennoch durch die Technisierung der Pflege Arbeitsplätze vernichtet. Als professionelle Pflegefachkraft kann ich nicht verstehen, weshalb der Personalmangel in der Pflege nicht durch Umschulung von Arbeitslosen kompensiert werden kann. In dieser Win-Win-Situation würden Arbeitslose wieder in eine Beschäftigung gelangen und die von Deprivation bedrohten Pflegebedürftigen hätten menschlichen Kontakt. Was will man mehr?
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Literatur
Zurück zum Zitat B. Klein, I. Schlömer. A robotic shower system — Acceptance and ethical issues. Z Gerontol Geriat 2018 51:25–31.CrossRef B. Klein, I. Schlömer. A robotic shower system — Acceptance and ethical issues. Z Gerontol Geriat 2018 51:25–31.CrossRef
Metadaten
Titel
Haarpflege mit Duschrobotern
verfasst von
Markus Hieber
Publikationsdatum
01.04.2018
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Pflegezeitschrift / Ausgabe 4/2018
Print ISSN: 0945-1129
Elektronische ISSN: 2520-1816
DOI
https://doi.org/10.1007/s41906-018-0466-0

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