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Erschienen in: Hebammen Wissen 1/2023

01.01.2023 | Wundversorgung nach OP | Thema

Gut versorgt nach Sectio

verfasst von: Bianca Morland

Erschienen in: Hebammen Wissen | Ausgabe 1/2023

Hinweise

Supplementary Information

Zusatzmaterial online: Zu diesem Beitrag sind unter https://​doi.​org/​10.​1007/​s43877-022-0724-7 für autorisierte Leser zusätzliche Dateien abrufbar.
Wundkontrolle, -heilung & -pflege Fast jedes dritte Kind wurde 2019 per Sectio caesarea zur Welt gebracht (destatis 2021). Dabei ist jede Sectio ein großer operativer Bauchschnitt, der einer entsprechenden Wundversorgung bedarf. Je nach Wundstadium und postoperativen Verlauf muss die Versorgung individuell angepasst werden. Dabei erleichtert eine gelungene Wundheilung auch die Bindung zwischen Mutter und Kind. Was gilt es dafür nach der Sectio zu beachten und wie können Hebammen und Pflegende unterstützen?
Bei der Übergabe aus dem Kreißsaal werden neben Beobachtungen und Messungen der basalen vitalen Parameter (z.B. Bewusstsein, Orientierung, Vitalparameter, Schmerzen, Ausscheidungen, Bonding mit Kind) auch Angaben zu Besonderheiten - beispielsweise bei Narkose- oder OP-Verlauf, auffällige Befunde bei Schmerzerleben, uterine Nachblutung, Hb-Werte oder zu hoher Fundusstand - an die nachfolgend betreuende Pflegekraft weitergegeben (Bryan 2015).

Nach dem Kaiserschnitt

Bauchdeckenentspannung: Der jungen Wöchnerin sollte eine bauchdeckenentspannte Positionierung durch Einstellung des Bettes oder Kissenunterfütterung der Knie (Stufenbettlage) ermöglicht werden (Ewering 2020). Sie wird auf ihr aktuelles (Ruhe-)Schmerzempfinden hin befragt, ihre Vitalwerte werden gemessen und Dauerkatheter, Wundverband, ggf. Redons sowie die vaginale Blutung bzw. Vorlage auf physiologischen Zustand geprüft. Postoperative Verordnungen wie Infusionsprogramm, Schmerzmittel oder Kontrollen werden durchgeführt. Sollte der Wundverband in der Zeit zwischen OP bis zur Aufnahme auf Station durchgeblutet sein, kann zur Kompression und Blutstillung ein Beschwernis (z.B. Sandsack) aufgelegt werden (Abb. 1). Komprimiert die junge Mutter beim Husten oder bei Bewegung mit ihrer Hand die Wunde, so schützt dies die Adaption der Wundränder und reduziert den Schmerz beim reflektorischen Anspannen der Bauchdecke (Herber-Löffler et al. 2020; Skibbe et al. 2021).
Die ersten postoperativen Stunden: Der Fundusstand, die Lochien bzw. Vorlagen und der Wundverband sollten in den ersten sechs postoperativen Stunden alle 30 bis 60 Minuten kontrolliert werden (Bryan 2015). Wie bereits im Kreißsaal sollte der Frau ein Getränk oder die Möglichkeit angeboten werden, den Mund auszuspülen. In bequemer Position mit Lagerungshilfen soll ihr außerdem beretis das Bonding mit Haut zu Haut-Kontakt zum Kind und das frühe Anlegen ermöglicht werden. Je nach Allgemeinzustand der Mutter kann der Blasenverweilkatheter bis zum folgenden Morgen belassen werden. Gleiches gilt für die Mobilisationsbemühungen. Sie sollen einerseits so früh wie möglich unternommen werden, sollen sich andererseits aber auch unbedingt am Allgemeinzustand der Mutter orientieren dürfen. Spätestens am nächsten Morgen sollten sie jedoch durchgeführt werden. Prinzipiell sollte zu einem bauchdeckenschonenden Aufstehen über die Seite angeleitet werden (Skibbe et al. 2021).
Beratung/Anleitung: Der Wöchnerin kann Hilfe bei der Körperpflege oder beim Wäschewechsel angeboten werden (Bryan 2015). Am ersten Tag post OP ist nach Entfernung des Urinkatheters auf schmerzfreien Spontanurin zu achten und der Frau eine Anleitung zur (Ab-) Spülung des Intimbereichs nach jedem Toilettengang zu erklären (Bryan 2015). Außerdem wird am Morgen das Verbandpflaster über der Sectionaht entfernt oder gewechselt. Falls die Wundnaht in der Bauchfalte liegt, sollte eine Intertrigoprophylaxe (z.B. mit Mullkompressen) erfolgen. Diese Kompressen müssen bei jedem Toilettengang gewechselt werden. Am zweiten postoperativen Tag können bei normalem Verlauf der Wundheilung die Steristrips entfernt und das Duschen ermöglicht (Bryan 2015) werden.
Beschreibt die Wöchnerin Missempfindungen wie ein kribbelndes Gefühl im Umfeld der Narbe, bietet sich der Hinweis an, dass diese Gefühle aus dem Durchtrennen von Nervenbahnen im Rahmen der Sectio resultieren und noch einige Monate nach der Geburt anhalten können (Fitzpatrick et al. 2012).

Die Wunde versorgen

Wundkontrolle: Eine Sectio-Naht ist eine primäre aseptische Wunde und auch so zu behandeln. Ab dem zweiten postoperativen Tag können der Verband oder die Steristrips entfernt werden und die Naht unbedeckt bleiben.
Primäre Wundheilung: Während einer unauffälligen primären Wundheilung befindet sich die Wunde in der Granulationsphase (Tag 2-14, Aufbau von Granulationsgewebe). Die Physiologie charakterisiert eine saubere, ohne Infektionszeichen (Rötung, Schwellung, Schmerzen, Überwärmung, Funktionseinschränkung) aussehende Naht und Wundumgebung (Abb. 2). Diese wird mit einem Antiseptikum aseptisch (von innen nach außen) gereinigt. Sollte sich die Naht in einer Bachfalte befinden, muss diese trocken gehalten werden (Intertrigoprophylaxe). Dies kann durch Mullkompressen oder Baumwollläppchen (z.B. zerschnittene Geschirrtücher, bei 60 Grad waschbar), die bei jedem Toilettengang gewechselt werden müssen, erfolgen. Bleibt die Naht/Wunde unauffällig, können ab dem zehnten postoperativen Tag die Fäden bzw. Klammern entfernt werden. Hiernach muss weiter eine Wundkontrolle erfolgen, damit keine sekundären Wundinfektionen entstehen. Diese Kontrolle kann beispielsweise auch durch die betreuende Hebamme bei ihren Wochenbettbesuchen erfolgen.
Befindet sich die Wunde in der Epithelisierungsphase (Tag 3-21, Ausreifung, Epithelisierung, Narbenbildung) sollte vor allem auf den Wundrandschutz und die Wundruhe geachtet werden. Das Wundmilieu muss weiterhin feucht gehalten werden, die Umgebung bleibt trocken. Sobald die Wunde komplett verschlossen ist, muss keine professionelle Wundkontrolle mehr erfolgen. Die Klientin sollte aber darauf hingewiesen werden, dass eine Narbe nicht mehr die gleiche Festigkeit wie physiologisches Gewebe hat und das sie auf pathologische Anzeichen, wie eine Narbenhernie, achten muss (Lorenz 2022; Piatek et al. 2012).
Sekundäre Wundheilung: Wird ein optimaler Heilungsverlauf durch interne (z.B. Vorerkrankungen) oder externe Einflussfaktoren (z.B. mechanische Manipulation an der Wunde oder eine Infektion) gestört, kann die Wunde nicht primär heilen. Geschwollene, gerötete, mazerierte, verdickte, aufgeklappte o.ä. Nähte oder Wundränder sind dafür erste Anzeichen. Auch wenn die Wunde einen Geruch, Beläge oder vermehrte Exsudation aufweist (Abb. 2), ist sie auffällig und somit als sekundäre Wunde /-heilung zu betrachten. Ab diesem Zeitpunkt muss eine septische Wundreinigung (von außen nach innen) mit Desinfektionsmittel und angepasstem Sekundärverband (Tab. 1) erfolgen. Die Klientin muss darauf hingewiesen werden, dass die Wundheilung einen längeren Zeitraum benötigt und daraus wahrscheinlich eine größere Narbenbildung stattfindet.
Je nach Wundheilungsstörung benötigt die Wunde einen entsprechenden Sekundärverband, einen Wundrandschutz und ggf. angeordnete Medikamente. Die Prinzipien eines modernen Wundverbandes gelten besonders hier. Diese sind das Feuchthalten des Wundmilieus, die Bindung von überschüssigem Exsudat, die Gewährleistung eines Gasaustausches, der Schutz vor Auskühlung, eine Undurchlässigkeit für Mikroorganismen, aber auch die Möglichkeit der atraumatischen Entfernung (Protz et al. 2020; Voggenreiter et al. 2009).
Verbandwechsel: Das zu verwendende Material muss unsteril patientennah und steril patientenfern vorbereitet, ggf. schon geöffnet werden. Die eigene persönliche Schutzausrüstung (Handschuhe, Händedesinfektion) ist obligat. Auch die Patientin muss informiert und über die einzelnen Handlungsschritte aufgeklärt werden. Bei Schmerzen oder schmerzhaften Verbandwechsel kann vorab eine Analgetikaverabreichnung erfolgen. Die Klientin sollte trotz rückenschonender Arbeitsweise der Pflegekraft schmerzfrei und bequem liegen. Während der Durchführung ist eine lückenlose Asepsis zu beachten. Alle Gegenstände, die mit der Wunde in Berührung kommen, müssen steril sein, sodass sich die Non-Touch-Technik anbietet. Sind alle Vorbereitungen getroffen, muss eventuell noch ein Unterlagenschutz untergelegt werden.
Zu Beginn wird der alte Deckverband mit unsterilen Handschuhen atraumatisch entfernt. Ist eine atraumatische Entfernung nicht möglich, darf dieser nicht mit Kraft oder unter Schmerzen entfernt werden. Er sollte beispielsweise mit NaCl-Lösung angefeuchtet und vorsichtig gelöst werden. Der Verband muss auf Exsudat, Geruch und Beimengungen überprüft werden. Danach wird er zusammen mit den Handschuhen entsorgt. Im Anschluss erfolgt eine hygienische Händedesinfektion, zudem werden neue unsterile Handschuhe angezogen.
Je nach Heilungsphase, Wundheilungsstörungen und Versorgung muss eine Wundreinigung bzw. Wundspülung erfolgen. Dabei den Wundrand nicht abreiben, sondern mit feuchter, steriler Kompresse abtupfen. Alle gebrauchten Materialien und Handschuhe sind sofort zu entsorgen.
Nun sollte die Wunde ausgemessen und ggf. eine Wundfotodokumentation vorgenommen werden (schriftliche Einwilligung bei der Klientin einholen). Diese Maßnahme muss nicht bei jedem Verbandwechsel ausgeführt werden. Das gilt auch für einen Abstrich - dieser erfolgt nur nach ärztlicher Anordnung oder bei Verdacht auf eine Infektion. Spätestens im nächsten Schritt wird das sterile Material steril geöffnet und die sterilen Kompressen mit Desinfektionslösung getränkt. Entweder verwendet die durchführende Person sterile Handschuhe oder eine sterile Pinzette, um die Wunde zu desinfizieren. Zu beachten ist, dass für jeden Wisch eine neue Kompresse benutzt und die Einwirkzeit der Lösung berücksichtigt werden muss. Danach wird - je nach Wundexsudat und Stadium - der passende Wundverband aufgelegt. Bei nicht adhäsiven Verbänden muss eine zusätzliche Fixierung angebracht werden.
Zur Nachbereitung werden alle genutzten Materialien verworfen oder zur Aufbereitung gelegt. Auch hier ist die hygienische Händedesinfektion obligat. Die Arbeitsfläche wird aufgeräumt und gereinigt und die Klientin wird nach Schmerzen befragt. Den Abschluss bildet die Dokumentation mit Wundstatus (z.B. Wundgröße, Tiefe, Exsudation, Stadium, Geruch, Wundauflage) (Protz et al. 2020; Voggenreiter et al. 2009).

Tipps Zur Wundpflege

Beratung

  • Wundheilung braucht Ruhe, Zeit, Luft und Wärme über 28°C
  • Druck- und Zugentlastung, persönliche Hygiene und Händedesinfektion
  • Diabetes mellitus, ein BMI über 25, Rauchen und eine Anämie beeinträchtigen die Wundheilung (RKI 2018)
  • Präzise Wundbeobachtung und Dokumentation, entsprechende Anleitung und Beratung der Frau sowie zeitgerechte Intervention ist angezeigt (Protz et al. 2020)
  • Bei chronischen Heilungsverläufen ist eine Ernährungsberatung relevant und angezeigt (Schewior-Popp et al. 2017)

Säuberung des Wundgebietes

  • Bis zur vollständigen Adaption der Haut erfolgt eine Wischdesinfektion der Wunde vom Zentrum (Naht) zur Peripherie
  • Ab vollständiger physiologischer Adaption der Haut erfolgt eine Reinigung mit lauwarmem Wasser mit anschließendem Trockentupfen

Bei Schmerzen

  • Anleitung zu vorsichtigen Bewegungen, insbesondere bei Seitdrehung, nicht Überstrecken, Bauchdeckenentspannende Positionierungen
  • Abendlicher Wundschmerz spiegelt zu hohe, körperliche Belastung während des Tages wider, zunehmender Wundschmerz schützt vor überhöhter Belastung
  • Information zu Parästhesie geben (Missempfindung/Taubheitsgefühl im Unterbauchbereich tritt häufig auf und kann langanhaltend sein)

Bei Wundheilungsstörung

  • Octenidin (Octenisept®) auftragen und abwischen (gute antimikrobielle Wirkung, wegen ausgeprägter Gewebetoxidität maximal sieben Tage anwenden) (Schewior-Popp et al. 2017)
  • In Wasser gelöstes Tannolact®-Pulver (eine Messerspitze auf 0,5 Liter lauwarmes Wasser) wirkt aseptisch bei infizierten Nähten

Gute Erfahrung

  • Das Bündchen des Slips sollte nach Möglichkeit nicht direkt auf Höhe der Wunde enden
  • Wunde in Bauchfalte, Kompressen oder Baumwollläppchen einlegen, regelmäßig wechseln
  • Benässung des Wundverbands mit NaCl-Lösung zur atraumatischen Entfernung

Fazit

Eine Sectio caesarea-Naht ist wie jede große Bauchnaht primär zu versorgen.
Die Wundheilung benötigt Ruhe, Zeit, Luft und Wärme, Druck- und Zugentlastung und eine gute persönliche Hygiene.
Trotz des lebensverändernden Ereignisses einer Geburt mit den folgenden familiären, hormonellen und körperlichen Veränderungs- und Rückbildungsprozessen, darf die Pflege der Wundnaht nicht vernachlässigt werden.
Metadaten
Titel
Gut versorgt nach Sectio
verfasst von
Bianca Morland
Publikationsdatum
01.01.2023
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Hebammen Wissen / Ausgabe 1/2023
Print ISSN: 2730-7247
Elektronische ISSN: 2730-7255
DOI
https://doi.org/10.1007/s43877-022-0724-7

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