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26.07.2021 | Gesundes Arbeiten | Nachrichten

Pflege 50plus: Was braucht es, um lange im Beruf zu bleiben?

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Viel Erfahrung, große Leistung: Pflegefachpersonen, die seit Jahren im Beruf stehen, sind eine wertvolle Ressource für ihre Einrichtungen. Was ist notwendig, damit sie ihren Beruf möglichst lange mit Freude ausüben? Diesen Fragen stellt sich die AG 50plus des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK). Wir sprachen mit Mitbegründerin Sonja Hohmann.

Sonja Hohmann © DBfK / SpringerPflegeSonja Hohmann,  langjährige Vorstandsvorsitzende des DBfK Südost und ehemaliges Mitglied im DBfK-Bundesvorstand. Die Gesundheits- und Krankenpflegerin, Pflegepädagogin und Dipl. Pflegewirtin leitet eine stationäre Langzeitpflegeeinrichtung.

Frau Hohmann, Sie haben mit Kolleg/innen die AG 50plus im DBfK gegründet. Gab es einen konkreten Anlass oder was hat sie dazu inspiriert?

Sonja Hohmann: Im DBfK gibt es eine sehr aktive und engagierte AG Junge Pflege, die hat uns da durchaus inspiriert. Wir alle sind sehr lange im Beruf und mit dem Beruf älter geworden. Ich selbst bin seit mehr als 35 Jahren dabei. Ohne werten zu wollen – natürlich haben wir andere Themen, andere Auffassungen von Pflege und ein anderes Standing als junge Kolleginnen und Kollegen. Das alles wollten wir noch einmal spezifischer herausarbeiten.

Wir haben daher diskutiert und Arbeitsaufträge verteilt, um herauszufinden, was uns im Berufsalltag beschäftigt. Womit setzen wir uns auseinander? Was macht es uns schwer neben den vielen positiven Aspekten, die dieser Beruf bietet und der für uns nach wie vor ein unglaublich toller Beruf ist. Sonst wären wir alle ja nicht so lange dabei. Aber natürlich spüren wir erfahrenen Pflegefachpersonen auch die „Nebenwirkungen“ dieses Berufs, der physisch und psychisch anstrengend ist.

Zunächst: Was zeichnet Pflegende der Generation 50plus aus?

Für uns ist es natürlich unser Durchhaltevermögen, das uns auszeichnet – über 20, 25 oder 35 Jahre im Pflegeberuf zu bleiben und die Patient/innen und Bewohner/innen zu versorgen. Das war auch die eigentliche Motivation, diese AG zu gründen. Wir wollen den Kolleginnen und Kollegen 50plus zeigen, was sie tun können, um bis zum Rentenalter im Beruf zu bleiben. Wenn ich heute 52 Jahre bin, weiß ich nicht, wie lange ich noch arbeiten darf.

Ein „alter Hase“ im Beruf verfügt auch meist über deutlich mehr Gelassenheit, z.B. bei Notfällen. Die Jungen können von den Erfahrenen aus der Praxis heraus profitieren. Im Gegenzug ist es eine unglaubliche Bereicherung mit den jungen Menschen zusammenzuarbeiten. Sie haben eine andere Sichtweise und nehmen vieles leichter. Das können wir erfahrenen Pflegenden oft so nicht mehr. Deswegen müssen wir es uns leichter machen.

Ihre Arbeit trägt bereits die ersten Früchte: Sie haben als Arbeitsgruppe gerade ein Checkheft herausgegeben mit Tipps für den Arbeitsalltag 50plus. Auf welchen Ebenen müssen Unterstützungsangebote für Pflegende, die lange im Beruf stehen, ansetzen?

Zunächst: Unterstützungsangebote, egal in welcher Form, müssen absolut niedrigschwellig und einfach zu erreichen sein. Das ist ganz wichtig. Egal, ob es sich dabei um eine Arbeitsplatzbrille, einen größeren Bildschirmmonitor oder um einen Lifter handelt.

Es kann nicht sein, dass jemand, der auf Station arbeitet, erst einmal Berge von Anträgen und Formularen bewältigen muss, um ein Unterstützungsangebot zu bekommen. Oder Pflegende von A nach B rennen müssen, um solche Hilfestellungen überhaupt anzufragen, bis sie keine Kraft mehr haben, weil es alles viel zu lang dauert oder viel zu umständlich ist.

Alle Unterstützungsangebote, die eine Einrichtung anbietet, müssen ganz schnell erreichbar sein. Ein Antrag, den die Pflegefachperson formal oder informal stellt, sollte direkt in die Führungsebene hinein. Dort brauchen wir die Unterstützung, in der direkten Führungsebene. Die nächste Führungsebene, z.B. die Pflegedienstleitung, muss ein unmittelbarer Ansprechpartner sein. Dort muss auch etwas passieren, sonst wird der Arbeitgeber unglaubwürdig.

Was ist darüber hinaus wichtig? Es gibt ja auch noch das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM).

Betriebliches Gesundheitsmanagement wird heute fast überall – zumindest in der Außendarstellung – großgeschrieben. Aber es muss auch gelebt werden. Das gelingt nur, wenn die Angebote auf die Mitarbeitenden zugeschnitten werden. Erreichen lässt sich das durch Mitarbeitendenbefragungen in den verschiedenen Settings. Eine Pflegeperson, die auf Station am Bett arbeitet, braucht andere Angebote als beispielsweise eine Kollegin aus der Personalabteilung, die ganztags am Computer sitzt.

Solche zugeschnittenen Angebote müssen da sein. Es macht keinen Sinn, wenn eine Einrichtung im BGM nachmittags von 14 bis 16 Uhr für die Pflegenden Yoga anbietet. Der Frühdienst ist noch nicht fertig bzw. erschöpft und der Spätdienst mittendrin in der Arbeit. Wann sollen die Mitarbeitenden das machen? Arbeitgeber müssen überlegen: Welche Angebote mache ich, in welchen Bereichen mache ich sie und zu welchen Zeiten? Das lässt sich über Mitarbeitendenbefragungen in den einzelnen Abteilungen herausfinden.

Welche Rolle spielt die Dienstplangestaltung?

Dienstplanflexibilität ist ein ganz großes Thema. Sie ist nicht nur eine unglaubliche Motivation für Mitarbeitende, sondern gleichzeitig eine Form von Mitarbeitendenbindung. Freizeit braucht jeder von uns. Dienstpläne sollten auch dem individuellen Biorhythmus des Menschen gerecht werden. Und dazu sollte Dienstplanflexibilität angeboten werden.

Ich habe einen älteren 50plus-Mitarbeiter, der freiwillig im Nachtdienst arbeitet. Nicht weil es da ruhiger wäre, aber schwere körperliche Tätigkeiten entfallen dann. Das entlastet ihn und er sagt, das mache ich gerne. Solche Möglichkeiten müssen geschaffen werden. Von Führungskräften muss hier auch die Verantwortung übernommen werden für Mitarbeitende 50plus.

Sie sagen, BGM muss gelebt werden, insbesondere für Pflegende 50plus. Offenbar gibt es in der Praxis ja Defizite?

Die gibt es, sonst wäre diese Arbeitsgruppe nicht entstanden. Aber ich möchte die Verantwortung nicht ausschließlich den Arbeitgebern zuschieben. Auch die Pflegenden selbst sind gefragt. Sie müssen aktiv werden und Unterstützungsangebote einfordern.

Niedrigschwellige Angebote sind zwar wichtig, aber letztlich muss es jede und jeder selbst in die Hand nehmen. Wenn Mitarbeitende in den Hochsommertagen über Durst klagen, muss der Arbeitgeber für ausreichend Getränke und Kühlung sorgen. Dazu ist er gesetzlich verpflichtet.

Das alles müssen Mitarbeitende aber auch einfordern. Von alleine kommen Arbeitgeber in der Regel nicht darauf.  Es gibt ganz viele Institutionen, die Unterstützung anbieten wie beispielsweise die BGW. Es erfordert manchmal auch den Mut, ein bisschen unbequem zu werden. Erfahrene Pflegekräfte haben hier auch eine Vorbildfunktion.  

Das Interview führte Nicoletta Eckardt.

Das Checkheft „Mit 50plus im Pflegeberuf – Tipps für den Arbeitsalltag“ finden Sie auf der Webseite des DBfK. In Kürze kann es auch als Broschüre bestellt werden.


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