Hintergrund
Zentrale Zielsetzungen des Gutachtens
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Adressat*innen: Kategorisierung von Personengruppen mit Bedarf an Einzelleistungen nach § 71 SGB XII, inklusive einer Abschätzung möglicher Alterskategorien und -grenzen.
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Einzelleistungen: Analyse und Beschreibung von für die Entwicklung von Einzelleistungen nach § 71 SGB XII zu berücksichtigenden Kriterien und Parameter, die den aktuellen Kenntnisstand sowie neuere Entwicklungen und diverse Bedarfslagen verschiedener Adressat*innengruppen im Alter umfassen und damit auch über die bislang in § 71 Abs. 2 SGB XII benannten Leistungen hinausgehen.
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Berliner Bedarfe: Beschreibung der aktuellen Situation, absehbar künftiger Entwicklungen von Bedarfen sowie der ungefähren Zahl der Personen mit potenziellem Anspruch auf Leistungen nach § 71 SGB XII in den Berliner Bezirken.
Theoretische und methodische Zugänge
Ergebnisse und deren Diskussion
Soziale Alterskategorien/kalendarisches Alter | Lebenslagen | ||||||
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Vermögens- und Einkommensspielraum | Materieller Versorgungsspielraum | Kontakt‑, Kooperations- und Aktivitätsspielraum | Lern- und Erfahrungsspielraum | Dispositions- und Partizipationsspielraum | Regenerationsspielraum zur Gesunderhaltung | Unterstützungsspielraum | |
Ökonomische Situation der Individuen, v. a. ihr Einkommen aus Beschäftigungsverhältnissen, Renten, Einkommen aus Vermögen, Transferzahlungen | Wohnbedingungen (Wohnort, Wohnungsart, Wohnungsgröße, Ausstattung der Wohnung) | Möglichkeiten zu Aufnahme und Aufrechterhaltung sozialer Kontakte (beruflich, privat) | Möglichkeiten zu persönlicher Weiterentwicklung, Entfaltung und Gestaltung von spezifischen Interessen, Ausmaß räumlicher und sozialer Mobilität und von Wohn- und Umweltbedingungen | Chancen und Möglichkeiten der politischen und gesellschaftlichen Mitwirkung als Voraussetzung zu Mitgestaltung und Übernahme von Verantwortung durch die Gesellschaft | Erholung, körperliche und geistige Regeneration und Erhalt der eigenen Gesundheit | Verfügbare private und öffentliche Ressourcen – pflegende An- und Zugehörige – ambulante, teilstationäre, stationäre und offene Angebote der Pflege und Unterstützung | |
3. Alter Veränderung familiärer Situation Ausscheiden aus dem Erwerbsleben Veränderungen in sozialen Netzwerken Mehr freie Zeit zur sinnvollen Gestaltung Neuorientierung (neue Rollen und Aufgaben) | Beratung zu den Themen | ||||||
Übergang in die nachberufliche Phase und finanzielle Situation(3) Zusätzliche finanzielle Ressourcen neben der Rente, z. B. geringfügige Beschäftigung, Übungsleiterpauschale* Grundsicherung | Wohnungsanpassung2 Frühzeitiger Umzug in seniorengerechte Wohnform2 Umzugshilfen2 | Angebote zur sozialen Teilhabe – auch generationenverbindend5 Strukturen zur Vernetzung mit ähnlich orientierten Personengruppen5 Aufbau neuer sozialer Netzwerke5 Digitale Vernetzung Personennahverkehr5 | Bildungs- und Kulturangebote5 Neuorientierung in der nachberuflichen Phase(3) und Aktivitäten zur Gestaltung der freien Zeit5 | Ehrenamt/Engagement1 Vereinsarbeit1 Politische Partizipation durch Mitarbeit in Gremien, wie Seniorenbeirat, Quartiersrat etc.1 | Bewegungs- und Sportangebote5 Angebote zu Gesundheitsförderung bzw. Krankheitsprävention* Psychosoziale Begleitungsangebote und Selbsthilfegruppen* | Soziale, medizinische und pflegerische Dienstleistungen3, 4 Entlastungs- und Unterstützungsangebote für pflegende An- und Zugehörige3,4 | |
Geld- und Sachleistungen | |||||||
Siehe in weiteren Lebenslagendimensionen | Zuschüsse zu baulichen Maßnahmen und Erhaltungsaufwendungen (z. B. Abbau von Barrieren, rutschfester Bodenbelag)2 Umzugsbedingte Aufwendungen (z. B. Auf- und Abbau von Möbeln, Elektroanschlüsse)2 | Fahrtkostenzuschuss (z. B. zu Fahrmarken)5 Reisebeihilfe (Fahrt zu Familienangehörigen)5 Zuschuss zu Kosten der analogen und digitalen Vernetzung (z. B. Telefon, Internet)5 | „Kulturpass“5 Kostenübernahme von Eintrittskarten für Konzert, Museum, Kino, Theater etc. (begrenzte Anzahl/Jahr)5 Bildungsgutscheine5 | Zuschuss oder Übernahme von Mitgliedsbeitrag für Vereine1 Übernahme von Fahrtkosten1 | Mitgliedsbeitrag eines Sportvereins etc.5 „Gesundheitspass“* | Finanzierung von Hintergrunddiensten (z. B. Schlüsselaufbewahrung für Notfälle) 2 Befreiung oder Reduzierung von finanziellen Eigenanteilen3 | |
4. Alter Ausdünnung sozialer Netzwerke Erfahren beginnender physischer, psychischer und/oder kognitiver Einschränkungen (persönlich und im Umfeld) Kritische Überprüfung der Wohnsituation Bewältigung typischer kritischer Lebensereignisse (Verluste von Personen und Ressourcen) | Beratung zu den Themen | ||||||
Grundsicherung | Verbesserung der Wohnbedingungen, v. a. bei allmählicher Einschränkung der Mobilität2 Alternativen zur aktuellen Wohnsituation2 | Angebote für soziale Teilhabe im Nahraum5,6 Digitale Vernetzung im Quartier5,6 Nutzung von Apps und digitalen Plattformen5,6 Fahrdienste5,6 Senior*innenreisen5 | Passende Bildungs- und Kulturangebote5 Angebote der Begegnung im Nahraum5 | Ehrenamt/Engagement1 Politische Partizipation durch Mitarbeit in Gremien – auch online1 | Angepasste Sportangebote5 Angebote zur Gesundheitsförderung* Öffentliche Mittagstischangebote (gesunde Ernährung in Gemeinschaft)* | Soziale, medizinische und pflegerische Dienstleistungen3,4 Hilfe und Unterstützung im Alltag3,4 Entlastungs- und Unterstützungsangebote für pflegende An- und Zugehörige3,4 | |
Geld- und Sachleistungen | |||||||
Siehe in weiteren Lebenslagendimensionen | Finanzielle Umbau- oder Umzugshilfen (s. 3. Alter)2 Einmaliger Zuschuss zu alltagsrelevanten Haushaltsgegenständen (wie Mikrowelle oder Waschmaschine)* | Kostenübernahme für analoge und digitale Vernetzung (z. B. Telefon, Internet und WLAN)6 Zuschüsse für Fahrdienste (z. B. Nachttaxi)6 Kostenzuschuss oder -übernahme zu Senior*innenfahrten oder Kurzfreizeiten5 | „Kulturpass“5 Kostenübernahme von Eintrittskarten (s. 3. Alter)5 Bildungsgutscheine5 | Kostenübernahme für Internet und WLAN1 Übernahme von Fahrtkosten1 | Mitgliedsbeitrag eines Sportvereins etc. 5 „Gesundheitspass“ * | Finanzierung von Hintergrunddiensten (s. 3. Alter)3,4 Hausnotruf3 Hauswirtschaftliche Dienste – ohne Pflegegrad (z. B. Einkaufsdienste)3,4 Leistungen körperbezogener Pflege unterhalb von Pflegegrad 2 (z. B. Hand- und Fußpflege)3,4 Kostenzuschuss für Übernahme allgemeiner Mieter*innenpflichten (z. B. Reinigung von Treppenhaus, Winterdienst, Gartenpflege)2 | |
5. Alter Erleben von Autonomieverlust und Einschränkungen der persönlichen Reichweite sowie sozialer Kontakte Bedarf an Unterstützung, Hilfe und Pflege Auseinandersetzung mit eigener Endlichkeit Verstärkte Singularisierung (soziale Isolation) | Beratung zu den Themen | ||||||
Hilfe zur Pflege | Pflegeadäquates Wohnumfeld2,3 Zuschüsse zur Wohnraumanpassung 2,3 Smart Home3 | Nachbarschaftliche Hilfen und Unterstützung5,6 Besuchsdienste6 Digitale Kommunikation5,6 Begleit‑, Fahr- und Mobilitätsdienste5,6 | Zugehende Formen von Lernbegleitung5 Besuchsdienste5 Digitale Kommunikation5 | Online-Beteiligung an partizipativen Prozessen1 Digitale Kommunikation1 | Aktivierende Hausbesuche* Angebote geriatrischer Rehabilitation* | Pflegeberatung3,4 Diverse Versorgungssettings3,4 Entlastungs- und Unterstützungsangebote für pflegende An- und Zugehörige3,4 | |
Geld- und Sachleistungen | |||||||
Siehe in weiteren Lebenslagendimensionen | Finanzielle Umbauhilfen2 Kostenübernahme für technische Assistenzsysteme2,3 Kostenübernahme für digitale Unterstützung diverser Pflegesettings2,3 | Kostenübernahme für evtl. Eigenbeteiligungen6 Finanzielle Hilfen zur Nutzung digitaler Technik (z. B. Tablet)6 Zuschüsse für Begleit‑, Fahr- und Mobilitätsdienste6 | Kostenübernahme für evtl. Eigenbeteiligungen5 Finanzielle Hilfen zu technischer und digitaler Ausstattung der Information (z. B. Radio, Fernsehgerät mit größeren Tasten, Tablet oder Laptop)5 | Kostenübernahme für Internet und WLAN1 Finanzielle Unterstützung für Begleit‑, Fahr- und Fahrdienste1 Finanzielle Hilfen zur Nutzung digitaler Technik1 | Kostenübernahme für evtl. Eigenbeteiligungen* Finanzielle Unterstützung für notwendige Fahrdienste5 | Kostenübernahme zur Abnahme allgemeiner Mieter*innenpflichten (z. B. Treppenhausreinigung, Gartenpflege, Winterdienst) 2 Kostenübernahme für evtl. Eigenbeteiligungen bei SGB-XI-Leistungen3 Finanzielle Unterstützung für notwendige Fahrdienste3 |
Fazit für die Praxis
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Einzelleistungen nach § 1 SGB XII nicht nur als Vermittlung einkommens- und vermögensabhängiger Geld- und Sachleistungen in den Blick zu nehmen, sondern diesen auch verstärkt auf die einkommensunabhängige Beratung zu Angeboten und Leistungen – inklusive damit verbundener Formen der diversitätssensiblen Information, Vermittlung, Koordination und Intervention – zu weiten. Hier sind insbesondere Fachkräfte der Profession Soziale Arbeit mit ihrem Kompetenzprofil gefragt.
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Die Einbettung von Angeboten und Leistungen in entsprechende Infrastrukturen sowie deren bedarfsgerechte und partizipative Planung.
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Die Etablierung einer neuen Betrachtungslogik, Leistungen der sog. Altenhilfe, die in § 71 Abs. 1 SGB XII als „Schwierigkeiten, die durch das Alter entstehen“ charakterisiert werden, einerseits gerontologisch zu begründen und andererseits im Sinne von Befähigung auf die Ermöglichung Sozialer Teilhabe zu orientieren.
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Statt fixierter Altersgrenzen eignen sich Soziale Alterskategorien besser zur Bewertung des individuellen Bedarfs. Ausgehend von jeweils alterstypischen Lebensereignissen und Entwicklungsaufgaben sowie dazu quer liegenden Lebenslagendimensionen lassen sich die Leistungen nach § 71 SGB XII gerontologisch fundiert begründen.