Palliativangebote müssen sich an den individuellen Bedürfnissen des Schwerstkranken orientieren. Und die sehen bei Hochbetagten anders aus als bei Tumorpatienten, betont der Palliativ Care-Experte Dirk Müller.
„Lassen Sie sich auf die Hochbetagten ein“, fordert Müller, der in Berlin das Kompetenzzentrum Palliative Geriatrie des Unionshilfswerks leitet. „Auch sie brauchen ein beschwerdearmes, geachtetes und sinnerfülltes Leben bis zuletzt“. Schmerzen, belastende körperliche Symptome und soziale oder seelische Nöte sollen gelindert werden. Antworten kann aus seiner Sicht die Palliative Geriatrie bieten, ein ganzheitlicher Betreuungsansatz, der sowohl kurative als auch palliative Maßnahmen vereint. Dieser müsse für alte Menschen „übersetzt“ werden.
Hochbetagte können ihre Bedürfnisse selten klar formulieren
Das heißt auch, die Besonderheiten bei palliativgeriatrischen Patienten berücksichtigen: „Hochbetagte sind häufig dement und leiden unter Schmerzen“, erklärt Müller im HEILBERUFE Spezial Palliative Care. Selten seien sie in der Lage, ihre Bedürfnisse noch klar zu formulieren. Sie sind zu krank, zu schwach, zu müde oder zu verwirrt.
Die Beobachtung und Erfassung von Schmerzen sei daher bei Hochbetagten und/oder Menschen mit Demenz besonders wichtig. Sie leiden zudem länger unter ihrem körperlichen oder geistigen Verfall, Sehkraft und Gehör lassen nach und sie fühlen sich oft einsam. All diese Bedürfnisse gilt es abzudecken. Dafür braucht es ein ganzes Team aus verschiedenen Professionen bis hin zum Ehrenamt.
Wichtig ist Müller auch ein weiterer Aspekt: „Palliative Geriatrie reduziert sich nicht auf Sterbebegleitung, sondern ist Lebensbegleitung bis zuletzt. Wird sie auf das unmittelbare Lebensende reduziert, kommt sie für die alten Menschen zu spät“. Aus seiner Sicht ist ein erweitertes Verständnis von Hospizkultur und Palliative Care nötig, ein Spagat zwischen Leben und Tod, zwischen Liederabend einerseits und Pflegebedürftigkeit und Sterbebegleitung andererseits. (ne)