Komplexe Wahrnehmung Schmeckstörungen können sich auf Lebensqualität und Ernährungszustand auswirken. Besonders Menschen in höherem Alter vernachlässigen oft das Essen und Trinken, weil es ihnen nicht mehr richtig schmeckt. Das steigert das Risiko für eine Mangelernährung. Pflegende können mit Tipps und Maßnahmen dazu beitragen, Freude am Essen zu erhalten.
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Süß, sauer, salzig, bitter und umami sind die derzeit anerkannten eigenständigen Geschmacksrichtungen. Der Begriff umami kommt aus dem Japanischen und bezeichnet einen herzhaft-intensiven, fleischigen Geschmack. Wissenschaftler vermuten, dass es noch für weitere Geschmacksqualitäten (z.B. fettig, metallisch) spezifische Sensoren gibt.
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Genießbar oder nicht?
Die biologische Funktion des Geschmacksinns ist es, darüber zu informieren, ob Lebensmittel oder Speisen genießbar oder gesundheitsschädlich sind, bevor sie geschluckt werden. "Sauer" warnt vor unreifen Früchten, gärenden und verdorbenen Speisen. "Bitter" schützt vor Vergiftungen. So löst ein starker Bittergeschmack den Würgereflex aus. "Salzig" reguliert den Elektrolytgehalt, indem es bei einem Ungleichgewicht im Salzhaushalt Lust auf weitere salzige Speisen auslöst. Bei ausgeprägten Elektrolytimbalancen kann ein starkes Verlangen nach Salzigem (auch als "Salzhunger" bezeichnet) sogar bereits vor der Nahrungsaufnahme entstehen. "Süß" weckt den Appetit auf weitere kohlenhydratreiche, umami auf weitere herzhafte proteinreiche Speisen.
Die Empfindung "scharf" ist kein Geschmack, sondern eine Schmerzwahrnehmung. Grund ist, dass die auslösenden Substanzen (beispielsweise Capsaicin in Chili, Piperin in Pfeffer) nicht Sinnes-, sondern Nervenzellen reizen.
Viele Faktoren beeinflussen das Schmecken
Sinnesorgane für das Schmecken sind die Geschmacksknospen. Die zwiebelförmigen Anordnungen von jeweils etwa 100 Rezeptorzellen befinden sich auf der Zunge, dem weichen Gaumen, dem Rachen und dem Kehlkopf. Auf der Zunge sind sie mit bloßem Auge als Papillen zu erkennen. Jede Geschmacksqualität besitzt eigene spezifische Rezeptoren auf den Zellen. Binden sich passende Moleküle an die Rezeptoren, lösen sie eine elektrische Erregung aus, die über Nerven an das Gehirn zur Weiterverarbeitung geleitet wird.
Ob eine Speise schmeckt oder nicht und wie intensiv der Geschmack wahrgenommen wird, hängt von weiteren Sinneseindrücken und Faktoren ab. Besonders der Geruchssinn spielt für komplexe Geschmackseindrücke eine wesentliche Rolle. Dies wird deutlich, wenn Duftmoleküle wegen eines Schnupfens nicht zu den Riechzellen in der Nase gelangen können oder letztere durch einen Unfall geschädigt sind. Daneben sind Konsistenz, Farbe oder Temperatur der Speise bedeutsam. Auch Menge, Geschirr, Dekoration, Tischgäste, Umgebung, und Gewohnheiten (z.B. Essenszeiten) haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss.
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Ursachen für Geschmacksverlust erkennen
Klagen ältere Menschen über einen Geschmacksverlust, ist es für die Behandlung wichtig, zunächst die Ursachen zu ermitteln. Sie können von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sein.
Alterungsprozesse: Hauptgrund für Hypogeusien sind natürliche Alterungsprozesse der sensorischen Organe. Mit zunehmendem Alter nehmen Zahl und Dichte der Geschmacksknospen ab. Während ein Säugling rund 10.000 Geschmacksknospen besitzt, sind es im mittleren Erwachsenenalter nur noch rund 5.000. Im höheren Alter kann die Zahl auf 900 sinken. Dabei kommen die meisten Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass vor allem die Empfindung für salzig nachlässt, während saure und bittere Geschmackskomponenten besser wahrgenommen werden. Dies erklärt, warum viele Senioren eher zu Süßem und Salzigem greifen. Auch die mit dem Älterwerden nachlassende Speichelproduktion beeinträchtigt das Schmecken, da Speichel eine bedeutende Aufgabe bei der Geschmackswahrnehmung hat: Er interagiert mit den Geschmacksrezeptoren im Mund, schützt diese und sorgt mit dem Einspeicheln der aufgenommenen Speise dafür, dass sich geschmacksrelevante Moleküle (Aromastoffe) lösen können. Im Alter kann eine nachlassende Feinmotorik in den Händen eine mangelhafte Mundpflege zur Folge haben. Nicht entfernte Beläge auf Zähnen, Zahnfleisch, Zunge und Mundschleimhäuten führen zu Geschmacksverlusten und begünstigen Erkrankungen, die sich wiederum negativ auf Geschmack und Appetit auswirken. Hinzu kommen altersbedingter Zahnausfall und schlecht sitzende Prothesen, die das Geschmacks-erlebnis negativ beeinflussen.
Erkrankungen: Zahlreiche Erkrankungen gehen mit Schmeckstörungen einher. Dazu zählen Infektionen (z.B. Covid-19, Influenza), Entzündungen (z.B. Glossitis, Stomatitis, Parodontitis), Allergien, Verbrennungen und andere Erkrankungen, die den Mund-Nasen-Rachenraum betreffen. Geht die Erkrankung mit Mundtrockenheit einher, wie beim Sjögren-Syndrom, lösen sich Aromastoffe der Speisen nur unzureichend. Nerven- oder Hirnschädigungen, etwa nach einer Zahnoperation oder durch einen Hirntumor, können die Reizweiterleitung oder die Informationsverarbeitung derart behindern, dass Schmeckstörungen resultieren. Das gilt auch, wenn die Geschmacksknospen und Rezeptorzellen selbst intakt sind. Auch manche neurologischen und psychische Krankheiten gehen mit Schmeckstörungen ein (z.B. Schlaganfälle, Morbus Alzheimer, Morbus Parkinson, Psychosen).
Therapien: Mehr als 200 Arzneimittel verändern direkt oder indirekt die Geschmackswahrnehmung, indem sie zum Beispiel die Geschmacksrezeptoren auf den Sinneszellen blockieren, die Reizweiterleitung behindern oder die Speichelbildung reduzieren (Tab. 1). Je nach Medikament können diese auch mit deutlich zeitlichem Abstand zu Einnahme auftreten. So verursachen bestimmte Hypnotika einen metallisch-bitteren Geschmack erst am Morgen nach der abendlichen Einnahme. Hochdosierte Mineralstoffpräparate, wie Zink in der Therapie des Morbus Wilson, gehen mit einem intensiven metallischen Mundgeschmack einher. Dissoziierte Hypogeusien sind zudem eine häufige Nebenwirkung von Chemo- und Strahlentherapie bei Tumoren im Kopf-Hals- und Brustbereich.
Tab. 1:
Geschmacksveränderungen durch Arzneimittel (Beispiele)
Drogen: Rauchen beeinträchtigt den Geschmackssinn, indem toxische Substanzen im Tabak die Oberflächenstrukturen der Geschmacksknospen und die versorgenden Blutgefäße schädigen. Große, über längere Zeit konsumierte Alkoholmengen trocknen die Mundschleimhaut aus und haben Geschmackstörungen zur Folge.
Mehr Geschmack
Die Behandlung von Dysgeusien richtet sich nach der zugrundeliegenden Ursache. Neben der fachgerechten Behandlung der Grunderkrankung gehören dazu die Überprüfung und - falls möglich - ein Absetzen oder eine Änderung der Medikation. Rauchen die Patienten oder trinken sie übermäßig alkoholische Getränke, sollte ein Verzicht die erste Maßnahme darstellen. In vielen Fällen kann so die Schmeckstörung gelindert oder beseitigt werden. Ist diese rein altersbedingt, kommt es darauf an, fad schmeckende Speisen aufzupeppen und die Lust auf das Essen durch begleitende Maßnahmen zu steigern. Folgende Tipps helfen dabei:
Auch wenn Senioren Süßes bevorzugen, sollte die Lebensmittelauswahl nicht zu einseitig sein. Es gilt, den Speiseplan auch im Alter abwechslungsreich und mit großer Geschmacksvielfalt zusammenzustellen. Denn eine große Vielfalt an Lebensmitteln sichert die Energie- und Nährstoffversorgung.
Um die Speisen geschmacklich aufzubessern, ist es keine gute Idee, die Salzmenge unbegrenzt zu steigern. Mehr als sechs Gramm Kochsalz pro Tag, dem Orientierungswert der Deutschen Gesellschaft für Ernährung für Erwachsene, sollten es nicht sein. Ein hoher Salzkonsum kann die Nieren belasten und bei salzsensitiven Menschen den Blutdruck erhöhen.
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Durch geschicktes, kräftiges und abwechslungsreiches Würzen lässt sich die Attraktivität des Essens erhöhen. Besonders frische Kräuter, wie Petersilie, Liebstöckel oder Minze, helfen mit ihren zahlreichen Aromen, Geschmack und Geruch besser wahrzunehmen. Gleichzeitig regen sie die Bildung von Speichel, Magensäure und Verdauungsenzymen an. Dazu tragen auch Würzgemüse (z.B. Petersilienwurzel, Sellerie) und Gewürze (z.B. Anis, Nelken, Kardamom) bei. Hier sollte nicht nur Bekanntes und Gewohntes zum Einsatz kommen. Die große Fülle an Kräutern und Gewürzen macht es leicht, Neues auszuprobieren.
Bei Vorliebe für Süßes empfiehlt es sich, auch herzhafte Gerichte mit Obst, Trockenobst, wenig Zucker, Honig, Süßstoff oder anderen Süßungsmitteln zu süßen. Beispiele dafür sind Blattsalate mit Feigen oder Salatsoßen mit Honig.
Lässt der Geschmackssinn nach, gewinnt häufig der Tastsinn an Bedeutung. Die Textur der Speisen und damit das Mundgefühl werden wichtiger. So lässt sich erklären, dass mitunter zartschmelzende, cremige Speisen gern gegessen werden. Hier sollte ausprobiert und genau beobachtet werden, welche Konsistenz bevorzugt wird. Trinken hilft bei Mundtrockenheit und sorgt für eine gute Zerkleinerung der Speise im Mund, sodass sich die Aromen entfalten können. Ein Glas Wasser gehört daher zu jeder Mahlzeit. Wenn möglich, sollte auf Schnabelbecher oder Trinkhalme verzichtet werden. Sie mindern das Geschmackserleben.
Bonbons, Kaugummis, ein Spritzer Zitronensaft ins Wasser oder stark verdünnte Schorlen mit anderen sauren Säften regen zusätzlich die Speichelproduktion an. Gegebenenfalls kann auf Speichel- ersatzmittel zurückgegriffen werden.
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Appetitlich angerichtete, kontrastreiche und farbenfrohe Speisen, ein schön gedeckter Tisch, nette Tischnachbarn und eine angenehme Essatmosphäre regen Appetit und Speichelbildung an und fördern damit die Geschmackswahrnehmung. Für Senioren mit Schluck- und Kauproblemen sollten die Mahlzeitenkomponenten nicht zu einem grau-braunen, unappetitlichen Brei püriert werden. Besser ist es, einzelne Komponenten zu pürieren und so anzurichten, dass sie von Form und Farbe her den Lebensmitteln entsprechen.
Auf eine gute Mundhygiene ist zu achten. Dazu gehören gründliches Zähneputzen (bei eingeschränkter Handmotorik mit einer elektrischen Zahnbürste), das Spülen mit einer Mundspüllösung oder einer elektrischen Munddusche und regelmäßige Besuche beim Zahnarzt. Auch die Reinigung von Prothesen sollte nicht vergessen werden.
Schmeckstörungen
Störungen des Geschmackssinns (Dysgeusien) können sich unterschiedlich äußern:
Parageusie: Die Geschmacksempfindung ist gestört. Süßes wird zum Beispiel als bitter wahrgenommen.
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Phantogeusie: Die Patienten nehmen einen Geschmack wahr, obgleich sich keine Speisen oder Getränke in der Mundhöhle befinden (halluzinatorische Geschmackswahrnehmung). Sie kann bei bestimmten Formen der Epilepsie auftreten (sensorische Epilepsie).
Hypogeusie: Das Schmeckvermögen ist reduziert. Sind nur einzelne Geschmacksrichtungen betroffen, spricht man von partieller beziehungsweise dissoziierter Hypogeusie. Besonders ältere Menschen sind von Hypogeusien betroffen.
Ageusie: Bei der kompletten Form ist der Geschmackssinn vollständig ausgefallen, bei der partiellen beziehungsweise dissoziierten Form können nur bestimmte Geschmacksrichtungen (zum Beispiel süß) nicht wahrgenommen werden.
Pflege einfach machen
Sinnesorgane für das Schmecken sind die Geschmacks-knospen. Im höheren Alter kann die Zahl auf 900 sinken - von 10.000 im Säuglingsalter.
Mehr als 200 Arzneimittel verändern direkt oder indirekt die Geschmackswahrnehmung. Pflegende sollten ärztliche Kollegen ansprechen, ob ein Absetzen oder eine Änderung der Medikation möglich ist.
Im Alter kann eine nachlassende Feinmotorik eine mangelhafte Mundpflege zur Folge haben. Nicht entfernte Beläge auf Zähnen, Zahnfleisch, Zunge und Mundschleimhäuten führen zu Geschmacksverlusten.
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