Schwangere mit Vorerkrankungen wird eine fachübergreifende gemeinsame Betreuung empfohlen. Wie die im Detail umzusetzen ist, ist in Deutschland nicht geregelt. Eine Online-Umfrage unter Perinatalzentren gibt erstmals Einblick in die Versorgungsrealität und offenbart deutliche Unterschiede.
Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.
Die Zahl der Schwangeren mit Vorerkrankungen steigt. Schätzungen zufolge hat sie sich seit der Jahrtausendwende in etwa verdreifacht. Schwangerschaft, Geburt und postpartale Periode sind für chronisch kranke Frauen deutlich komplikationsträchtiger als für gesunde. Um den hohen Anforderungen gerecht zu werden und flächendeckend eine optimale Versorgung zu gewährleisten, hat man beispielsweise in Großbritannien ein „Maternal Medicine Network“ etabliert. Im Rahmen dieses Netzwerkes arbeiten ein bis zwei große perinatale Zentren mit den Krankenhäusern der Region zusammen, um einen einheitlich hohen Betreuungsstandard zu erreichen. Das Netzwerk ordnet die Erkrankungen in Hinsicht auf ihre Relevanz für die Schwangerschaft drei Gruppen zu und legt somit fest, in welchem Umfang die Frau durch ein spezialisiertes Zentrum mitbetreut werden muss.
In Deutschland existieren bislang keine spezifischen Vorgaben für die fachübergreifende Betreuung, auch fehlen Empfehlungen zum optimalen Zeitpunkt für eine Erstberatung in einem Perinatalzentrum. Was das für die Versorgungsrealität hierzulande bedeutet, wollten Forschende der Universitäten Bonn, München und Berlin wissen und haben eine Online-Umfrage unter deutschen Perinatalzentren (Level 1 und Level 2) und Krankhäusern mit perinatalem Schwerpunkt (Level 3) initiiert. Fragen stellten sie zu den Themenbereichen: präkonzeptionelle Beratung und Beginn der fachübergreifenden Betreuung, Betreuung von Frauen mit seltenen Erkrankungen, Nutzung von Decision-Support-Systemen, komplikationsbedingte Überweisungen, regelmäßige Fortbildung, multidisziplinäre Fallbesprechungen.
Teilgenommen haben 103 von insgesamt 310 Kliniken. Etwa 77% der teilnehmenden Einrichtungen haben angegeben, regelmäßig Schwangere mit Vorerkrankungen zu betreuen, auf eine monatliche Patientinnenzahl von 11 bis 30 kommen allerdings nur 62%. Anlaufstelle für Schwangere mit seltenen Erkrankungen sind gerade einmal 27 Häuser, meist universitäre Einrichtungen, fast jede zweite Klinik jedoch bietet eine präkonzeptionelle Beratung an. Als optimalen Zeitpunkt der Erstvorstellung erachten 53% das zweite Trimenon, 27% − überwiegend Universitätskliniken − präferieren die Beratung im ersten Trimenon. Die Frage nach regelmäßigen interdisziplinären Fallbesprechungen konnten nur 34% der Kliniken mit Ja beantworten. Für eine regelmäßige Fortbildung der Mitarbeitenden sorgen 83 Einrichtungen.
Forderung nach standardisierten Protokollen
Ein erheblicher Anteil der Zentren in Deutschland habe sich auf die Hoch-Risiko-Klientel eingestellt und biete entsprechende Beratungsstellungen an, so das Resümee des Forscherteams. In der spezialisierten Versorgung, wie Betreuung bei seltenen Erkrankungen, präkonzeptionelle Beratung und frühes Co-Management im ersten Trimenon, engagieren sich allerdings vorwiegend Universitätskliniken.
Überhaupt offenbart die Umfrage aus Sicht der Forschenden teils beträchtliche Unterschiede zwischen den Einrichtungen verschiedener Versorgungsstufen und unterstreicht die Notwendigkeit standardisierter Protokolle sowie einer gezielte Ressourcenverteilung.
Das Wichtigste in Kürze |
Frage: Wie steht es um die Versorgung von Schwangeren mit Vorerkrankungen in deutschen Perinatalzentren bzw. Kliniken mit perinatalem Schwerpunkt? Antwort: Von den 103 Kliniken, die an der Umfrage teilgenommen haben, betreuen 77% regelmäßig Schwangere mit Vorerkrankungen. Anlaufstelle für Schwangere mit seltenen Erkrankungen sind nur 27 Häuser, eine präkonzeptionelle Beratung bietet jede zweite Klinik an. Regelmäßige interdisziplinäre Fallbesprechungen halten 34% der Kliniken ab. Für eine regelmäßige Fortbildung der Mitarbeitenden ist in 83 Einrichtungen gesorgt. Bedeutung: Standardisierte Empfehlungen und gezielte Ressourcenverteilung könnten zu einer optimalen Versorgung beitragen. Einschränkung: Geringe Rücklaufrate von 33%; vergleichsweise wenige Level 2- und Level 3-Krankenhäuser. |