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06.05.2025 | Geburtshilfe | Nachrichten

Forschungsprojekt „MAM-Care“

Für ein besseres Geburtserleben von Müttern

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Wie steht es um die Qualität der geburtshilflichen Versorgung in Deutschland? Mit dieser Frage befasst sich bereits seit drei Jahren ein interdisziplinäres Forschungsprojekt aus Nordrhein-Westfalen. Ab Mai 2025 beginnt nun die zweite Projektphase, in der der Fokus auf einer niedrigschwelligen Intervention liegt. Ziel wird es sein, die geburtshilfliche Versorgung mütterzentrierter auszurichten und die mütterliche Einbindung und Zufriedenheit zu fördern.

Wie erlebt eine Mutter die Geburt ihres Kindes – eingebettet im heutigen Klinikalltag? Wie sehen auf der anderen Seite die Geburtshelfenden ihre Arbeit während der Geburt? Solchen Fragen ergründet das Forschungsprojekt „MAM-Care“ der Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Bonn (UKB) in Kooperation mit der Universität Bonn und der Uniklinik Köln bereits seit Mai 2022. Jetzt fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die zweite Projektphase mit circa 730.000 Euro für weitere zwei Jahre. Ziel ist es, für eine Geburtshilfe, die medizinische Qualität mit Menschlichkeit verbindet, eine konkrete Intervention zu testen und zu evaluieren.

Erste Projektphase ist abgeschlossen

Im Rahmen von MAM-Care nimmt die Bonner Nachwuchsgruppe in der Versorgungsforschung die Qualität der geburtshilflichen Versorgung in Deutschland aus der Sicht der Gebärenden und der Versorgenden unter die Lupe. Unter der Leitung von Prof. Dr. Nadine Scholten verfolgt es eine multiperspektivische Herangehensweise: Die Ergebnisse aus medizinischen Versorgungsdaten – etwa Kaiserschnittraten oder geburtshilfliche Interventionen – werden mit Befragungsdaten und qualitativen Interviews kombiniert analysiert. Mütter erzählen, wie sie Geburt und Betreuung empfunden haben, während ärztliche Geburtshelfer ihre Herausforderungen im Klinikalltag schildern. Insgesamt 1.102 Mütter, 875 ärztliche Fachpersonen und 1.373 Hebammen haben an der Befragung teilgenommen. „In den ersten drei Projektjahren konnten wir bereits viel Wissen generieren und dabei aufzeigen, was in der Geburtshilfe in Deutschland bereits gut läuft, wo aber auch noch Möglichkeiten zur Optimierung wären“, sagt Prof. Scholten, die neuerdings die Forschungsstelle für Gesundheitskommunikation und Versorgungsforschung des UKB leitet und die Professur für psychosomatische und psychoonkologische Versorgungsforschung an der Universität Bonn innehat.

Brennpunkte: Dammschnitt und Fundusdruck

Einen möglichen Optimierungsansatz sehen die Bonner Forschenden beispielsweise hier: Trotz fehlender Evidenz wird unter einer vaginalen Geburt relativ häufig Druck von außen auf den Bauch ausgeübt, obwohl dieser sogenannte Fundusdruck laut Leitlinie möglichst nicht angewandt werden soll. Von Frauen wird diese Praxis immer wieder als traumatisch beschrieben. „Auffallend ist, dass Assistenzärzt*innen den Fundusdruck signifikant häufiger als Fachärzt*innen verwenden. Zu seiner Minimierung müsste man an der Ausbildung oder an den Strukturen ansetzen. Denn laut den Interviews ist der Fundusdruck, anders als der Einsatz von Saugglocke oder Geburtszange eine Intervention, die selbstständig von Assistenzärzt*innen ausgeführt wird“, sagt Prof. Scholten. Auch den Nutzen eines Dammschnitts wird immer mehr infrage gestellt, da die ursprüngliche Intention hochgradige Dammrisse zu verhindern, nicht evidenzbasiert belegt werden kann. Im Durchschnitt schneiden ärztliche Personen bei fast jeder siebten von ihnen betreuten vaginalen Geburt. Etwas mehr als jede zweite Mutter bei der ein Dammschnitt durchgeführt wurde gab an, keine ausreichende Aufklärung erhalten zu haben und jede Vierte war mit dem Dammschnitt nicht einverstanden.

Selbstbestimmung im Kreißsaal nicht immer gegeben

Zudem konnten die Bonner Forschenden im Rahmen von MAM-Care zeigen, dass die Zufriedenheit der Gebärenden unter anderem mit der selbstbestimmten Wahl der finalen Geburtsposition zusammenhängt. Gleichzeitig gaben fast 40% der Befragten, die ihr Kind in Rückenlage geboren haben an, dass sie diese Position nicht freiwillig gewählt haben. „Hier möchten wir jetzt in der zweiten Projektphase ansetzen, indem wir durch kleine Nudges versuchen die Frauen zu befähigen selbstbestimmter zu agieren“, sagt Prof. Scholten. Das Konzept der Nudges meint das Setzen von subtilen Anreizen oder Veränderungen in der Umgebung, die das Verhalten von Patienten oder medizinischem Personal beeinflussen, ohne dabei die Entscheidungsfreiheit einzuschränken. Prof. Scholten betont: „Somit geht es uns nicht um große Veränderungen in der Versorgung, sondern um kleine Maßnahmen, die niederschwellig implementiert und eingesetzt werden können.“

Förderung: Das vom BMBF geförderte Forschungsprojekt MAM-Care wurde in der ersten Projektphase von der TK und der AOK Rheinland Hamburg unterstützt, welche an der Durchführung der Mütterbefragung maßgeblich mit beteiligt waren. Darüber hinaus wird das Projekt von einer großen Expertenschaft aus den unterschiedlichsten Professionen unterstützt.

ukbonn.de/chsr/projekte/mam-care/

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