Zu den Themen Antibiotikaverordnung, Fachkräftemangel in der Pflege und Versorgung von Demenzkranken gibt es in Deutschland und in den Niederlanden unterschiedliche Ansätze. Welche das sind und was beide Länder voneinander lernen können, wird gemeinsam von Forschenden der Universitäten Oldenburg und Groningen untersucht.
Das Cross-Border Institute of Healthcare Systems and Prevention (CBI) der Universitäten Oldenburg und Groningen wird in den nächsten Jahren Unterschiede zwischen Deutschland und den Niederlanden bei den Themen Antibiotikaverschreibung, Behandlung von Operationspatienten, Management von multiresistenten Keimen, Pflegekräftemangel und Umgang mit Demenzerkrankten in Pflegeheimen untersuchen. Außerdem bauen die Forschenden eine deutsch-niederländische Datenbank auf, die wichtige Gesundheits- und Versorgungsdaten für aktuelle und künftige Forschungen bündelt. Insgesamt sind mehr als 40 Wissenschaftler*innen beteiligt. Das Projekt „Comparison of healthcare structures, processes and outcomes in the German and Dutch cross-border region II“ (CHARE-GD II) wird vom Niedersächsischen Wissenschaftsministerium (MWK) mit 1,4 Millionen Euro aus dem „Niedersächsischen Vorab“ der VolkswagenStiftung gefördert.
Befragung von mehr als 2.500 Pflegenden
Ein Teilprojekt beleuchtet eine der größten Herausforderungen im Gesundheitssektor: den Fachkräftemangel im Pflegebereich. Bereits 2015 hatte eine Studie ergeben, dass in Deutschland mehr als jede dritte und in den Niederlanden immerhin fast jede fünfte Pflegekraft darüber nachdenkt, ihren Beruf aufzugeben. Unzufriedenheit und die hohe Burnout-Rate zählten zu den genannten Gründen. Die CBI-Expert*innen wollen jetzt Krankenhausbeschäftigte unterschiedlicher Hierarchieebenen in beiden Ländern befragen. Allein 2.500 Pflegekräfte sollen dabei zu Wort kommen. Die erhobenen Daten sollen beispielsweise Auskunft über unterschiedliche Personalstrategien und deren Erfolg geben, aber auch die Bereitschaft der Pflegekräfte abbilden, sich im Arbeitsalltag auf neue Technologien einzulassen, die sie bei ihrer Arbeit in den Krankenhäusern entlasten könnten.
Menschen mit Demenz in Pflegeeinrichtungen
Ein weiteres Teilprojekt führt die Forschenden in Pflegeheime der Region. Dort untersuchen sie, wie die Einrichtungen mit der Gefahr umgehen, dass demenzkranke Patient*innen unbemerkt die Einrichtung verlassen und sich außerhalb nicht zurechtfinden. Oft sollen abgeschlossene Türen davor schützen. Diese Praktik wirft aber zahlreiche ethische Fragen auf. Mit Studien in acht Pflegeeinrichtungen will das Team unter anderem die unterschiedlichen moralischen Perspektiven bei diesem Thema sichtbar machen, aber auch den Austausch zwischen den deutschen und niederländischen Einrichtungen ermöglichen, damit diese voneinander lernen können.
Antibiotikaresistenzen und Infektionsprävention
Außerdem treibt die Forschenden die Frage an, wie Antibiotikaresistenzen verhindert werden können. Diese entwickeln sich nicht zuletzt deshalb, weil Antibiotika zu häufig verschrieben werden. Zu beobachten ist, dass deutschen Kindern diese Medikamente häufiger verordnet werden als niederländischen und die Zahl der Verschreibungen insgesamt steigt, je näher man der Grenze kommt – und zwar in beiden Ländern. Mithilfe von Ärzte- und Patientenbefragungen will das Team herausfinden, inwiefern nicht nur medizinische, sondern auch etwa kulturelle oder politische Unterschiede einen Einfluss darauf haben, dass nach dem Arztbesuch ein Antibiotikum auf dem Rezept steht.
Besser als ein wirksames Medikament ist es, Infektionen von vorneherein zu vermeiden. Deshalb betrachten die CBI-Forschenden auch die Arbeitsabläufe des medizinischen Personals bei der Behandlung von Patient*innen, die sich einer Operation unterziehen müssen und deshalb grundsätzlich dem Risiko einer Wundinfektion ausgesetzt sind. Welche Arbeitsanweisungen gibt es in den Kliniken? Wie stehen die Abläufe im Zusammenhang mit den tatsächlichen Infektionszahlen? Fast nahtlos an diese Fragestellungen schließt sich ein Vorhaben an, bei dem die Forschenden die Häufigkeit multiresistenter Keime bei Patient*innen sowie den Umgang mit diesen Keimen von der Prävention bis zur diagnostischen Abklärung untersuchen.
Im 2019 gegründeten CBI forschen Wissenschaftler*innen verschiedener Fachrichtungen von den Universitäten Oldenburg und Groningen zu den strukturellen Unterschieden der Gesundheitssysteme und ihren Auswirkungen auf die Patient*innen in der Ems-Dollart-Region. Versorgungsforschende, Public-Health-Experten, Biomediziner, Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler und Informationstechnologen arbeiten Hand in Hand, um Best-Practice-Modelle zu entdecken und zu entwickeln sowie die Grundlagen für eine grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung zu schaffen.