Lernziele
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kennen Sie die Sterblichkeitsraten und die Krankheitslast, die durch Hitzewellen verursacht werden.
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sind Sie in der Lage einzuschätzen, welche älteren Menschen besonders gefährdet sind.
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wissen Sie, welche Arzneimittel in Hitzewellen ein Risiko für Ihre Patienten darstellen.
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können Sie erklären, wie das deutsche Hitzewarnsystem funktioniert und welche Akteure an Hitzeaktionsplänen beteiligt sein sollen.
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sind Ihnen die wichtigsten Präventionsmaßnahmen in den 3 Settings Hausarzt/niedergelassener Facharzt, Pflegeheim sowie Notaufnahme/Entlassungsmanagement geläufig.
Hintergrund
Hitzebedingte Todesfälle
Vulnerabilität gegenüber hitzebedingten Gesundheitsschäden
Anpassungsmaßnahmen
Epidemiologie
Risikofaktoren
Altersassoziierte physiologische Veränderungen
Krankheiten
Sozioökonomische Faktoren
Kategorie | Einzelne Risikofaktoren |
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Vorerkrankung | Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z. B. arterielle Hypertonie, koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz) |
Chronische Lungenerkrankungen | |
Diabetes mellitus | |
Chronische Nierenerkrankungen | |
Neurologische Erkrankungen (z. B. M. Parkinson, Demenz) | |
Psychiatrische Erkrankungen (verstärkt bei Medikamenteneinnahme und Betreuungsbedarf) | |
Höhergradige Adipositas | |
Vorangehende Krankenhausaufenthalte | |
Einnahme von Medikamenten oder anderen Substanzen | Medikamente wie Diuretika, ACE-Inhibitoren, Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker, Antidepressiva, Antikonvulsiva, Antipsychotika, Anticholinergika, dermal applizierte Medikamente (s. unten) |
Alkohol- und andere Suchtmittel | |
Funktionelle Einschränkungen | Schwierigkeiten, das Haus zu verlassen |
Pflegebedürftigkeit | |
Bettlägerigkeit | |
Sozioökonomische Faktoren | Geringer sozioökonomischer Status |
Soziale Isolation | |
Allein lebend | |
Wohnsituation | In einer städtischen Wärmeinsel lebend (u. a. hohe Flächenverdichtung) |
Schlafzimmer unter dem Dach oder Dachwohnung | |
Kein Zugang zu kühlen Räumen, keine Klimaanlage | |
Falsche Belüftungsgewohnheiten | |
Haus mit thermisch schlecht isolierter Bausubstanz |
Mortalität und Morbidität
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betrachtete Todesursache,
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Stärke der Hitzewelle und
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Empfindlichkeit der untersuchten Bevölkerung.
Prävention im Rahmen von Hitzeaktionsplänen
Rolle der Ärzteschaft
Setting Hausarzt und niedergelassener Facharzt
Handlungsfeld 1: Risiken und Präventionsstrategien kommunizieren
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I. Poster, Broschüren, Weiterbildungsmodule (LMU München, RBK Stuttgart):
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II. Doppelseitiger Handzettel (Schweizer Bundesamt für Gesundheit):
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III. Borschüre Hitzeknigge (Umweltbundesamt):
Kategorie | Einzelempfehlung [17] |
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Kontrollierte Flüssigkeitszufuhr | Mindestens 1,5–2 l/Tag, bei Flüssigkeitsrestriktion entsprechend der täglichen Gewichtskontrolle anpassen |
Trinkplan zur Selbstkontrolle führen | |
Abends weniger trinken (falls Inkontinenzprobleme bestehen) | |
Alkohol während der Hitzewelle vermeiden | |
Mineralwasser eher trinken als Leitungswasser (ggf. Brühe) | |
Lauwarme Getränke eher als sehr kalte Getränke | |
Wasserreiches Obst und Gemüse ergänzen (Melone, Gurke, Tomate) | |
Körper kühl halten | Kühl duschen und baden |
Arm- und Fußbäder | |
Feuchte Tücher und Wasserspray | |
Wohnung kühl halten | Temperatur in Aufenthaltsräumen überwachen (tagsüber 25 °C; nachts 20 °C) |
Tagsüber schattieren und Ventilatoren benutzen; nachts lüften | |
Feuchte Tücher aufhängen (Verdunstungskälte) | |
Rückzug in kühlere Räume (Nordseite, Souterrain) | |
Verhalten anpassen | Körperliche Anstrengungen vermeiden |
Mittagsruhe (Siesta) | |
Verlagerung der Aktivitäten in die Morgen- und Abendstunden | |
Kopfbedeckung, leichte Kleidung, Nacht- und Bettwäsche | |
Leichte Kost: viel Obst und Gemüse; wenig Fett und Fleisch | |
Arztgespräch | Eventuelle Medikamente bei Hitze anpassen |
Netzwerk der Helfer organisieren |
Handlungsfeld 2: Praxisabläufe anpassen
Handlungsfeld 3: Medikamente prüfen
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Durst: Mit vermindertem Durstgefühl wurden Angiotensinkonversionsenzym(ACE)-Hemmer und Angiotensinrezeptorblocker in Zusammenhang gebracht, wobei deren Einfluss umstritten ist.
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Zentrale Temperaturregulation: Der Mechanismus ist noch immer nicht vollständig aufgeklärt, scheint aber abhängig von Monoaminen (Serotonin, Dopamin, Noradrenalin) zu sein und so durch neurologische und psychiatrische Erkrankungen sowie zahlreiche psychotrope Arzneimittel (z. B. Opioide, Serotonin-Re-uptake-Inhibitoren, Carbamazepin, Anticholinergika und Trizyklika) ungünstig beeinflusst zu werden [70, 72].
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Schwitzen: Eine Hypohidrose kann durch antimuskarinische Stoffe (z. B. Anticholinergika, trizyklische Antidepressiva, Zentralnervensystem(ZNS)-gängige H1-Antagonisten oder Antipsychotika) ausgelöst werden.
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Kutane Vasodilatation: Über eine kutane Vasokonstriktion können Sympathikomimetika die Regulation der Hautdurchblutung beeinflussen.
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Verminderte Aufmerksamkeit: Darüber hinaus sind Sedativa, die die Aufmerksamkeit und Wachsamkeit negativ beeinflussen (z. B. Benzodiazepine, Opioide), dann kritisch, wenn sie es den Patienten erschweren oder verunmöglichen, Warnsymptome zu erkennen.
Handlungsfeld 4: proaktiv mit Risikopatienten Kontakt aufnehmen
Setting Pflegeheim
Setting Notaufnahme und stationäres Entlassungsmanagement
Notaufnahme ohne stationäre Aufnahme
Stationäres Entlassungsmanagement
Fazit für die Praxis
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Temperaturen über 32 °C, die über mehrere Tage und ohne ausreichende nächtliche Abkühlung anhalten, erhöhen die Sterblichkeit insbesondere von Menschen über 75 Jahren mit Vorerkrankungen und Pflegebedürftigkeit.
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Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt die Etablierung von Hitzeaktionsplänen. Auch in Deutschland sollen solche sektorübergreifenden Pläne zum Hitzeschutz unter Einbindung der Ärzteschaft eingeführt werden.
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Die Anwendung von Arzneimitteln kann die Abkühlungsmechanismen des Körpers behindern und durch hitzebedingte Vorgänge können Wirkstoffe in ihrer Pharmakokinetik verändert werden. Zudem können hitzebedingte Gesundheitsschäden unerwünschte Arzneimittelwirkungen begünstigen. Daher bedarf es besonders im Sommer der kritischen Prüfung der Medikamentenliste.
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Ärzte können durch Information, Optimierung von Praxisabläufen, Prüfung von Medikamenten und Koordinierung von Helfern zum Schutz älterer Menschen vor hitzebedingten Gesundheitsschäden beitragen.