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21.04.2023 | Diversity | Online-Artikel

Diversity: Vielfalt pflegen

Diversity steht für die Anerkennung und Wertschätzung aller Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung, Religion, Altersgruppe oder Fähigkeiten. Es fördert den bewussten Umgang mit Vielfalt und ein wertschätzendes Miteinander. Als organisatorisches und gesellschaftspolitisches Konzept stärkt es die Individualität jedes Einzelnen. 

Das Diversity Management spielt in der Arbeitswelt eine entscheidende Rolle, indem es darauf abzielt, die Vielfalt in Unternehmen zu schätzen, zu fördern und zu nutzen. In der Pflegebranche gewinnt das Diversity Management deshalb an Bedeutung, um den unterschiedlichen Bedürfnissen pflegebedürftiger Menschen gerecht zu werden und qualifizierte Fachkräfte anzuziehen.

Vielfalt und Diversity: Was bedeutet der Begriff?

Diversity wird in der deutschen Sprache mit Vielfalt, Heterogenität oder Unterschiedlichkeit übersetzt. Der Begriff leitet sich etymologisch vom lateinischen Wort „diversitas“ ab, was Unterschiedlichkeit und Verschiedenheit bedeutet. Das Ziel von Diversity besteht darin, die Vielfalt von Menschen und Gruppen sowie ihre unterschiedlichen Lebensformen anzuerkennen. Es erkennt alle Menschen unabhängig von ihrer sozialen, ethnischen Herkunft, ihrem Geschlecht, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Religionszugehörigkeit oder Weltanschauung, ihrem Lebensalter, ihrer physischen oder psychischen Fähigkeiten oder anderer Merkmale an und schätzt sie wert. Dabei geht es nicht nur um die Unterschiede zwischen Menschen und ihren Lebensentwürfen, sondern auch darum, Gemeinsamkeiten zu entdecken. Diversity fordert daher einen bewussten Umgang mit Vielfalt in der Gesellschaft und fragt, wie wir sie umsetzen können.Menschen können verschiedene ethnische Herkünfte oder Religionen haben, im gleichen Alter sein, lesbisch und Mutter oder gleichzeitig körperliche Fähigkeiten oder Beeinträchtigungen haben. Diversity ist somit ein organisatorisches und gesellschaftspolitisches Konzept, das für einen wertschätzenden und respektvollen Umgang mit der Vielfalt und Individualität der Bürgerinnen und Bürger wirbt. Es betrachtet die Viefalt als Chance.

Das Diversity-Konzept: Entwicklung und die 7 Dimensionen

Das Diversity-Konzept hat seinen Ursprung in der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung ab den 1950er Jahren. Mit dem Civil Rights Act von 1964 wurden die ersten gesetzlichen Vorgaben für die Anerkennung von Vielfalt in den USA geschaffen. Bald erkannten auch Unternehmen den wirtschaftlichen Vorteil, der sich aus der Berücksichtigung gesellschaftlicher Vielfalt ergibt. Seit den 1970er Jahren beschäftigen sich Soziolog*innen damit, wie sich Vielfalt in ein System integrieren und verwalten lässt. Dabei entstanden die Diversity-Dimensionen, welche die physischen, psychischen und soziokulturellen Merkmale beschreiben, die jedem Menschen bei der Geburt oder über die Lebenszeit hinweg zugeschrieben werden können und mit denen sich Menschen selbst identifizieren können. 

Im Kern haben sich sieben Diversity-Dimensionen etabliert:

  1. Geschlecht
  2. Sexuelle Orientierung
  3. Alter
  4. Ethnische Herkunft & Nationalität
  5. Religion & Weltanschauung
  6. Behinderung
  7. Soziale Herkunft

Diese Dimensionen wurden in den 1970er Jahren am National Training Laboratories Institute for Applied Behavioral Science in Bethel, USA, entwickelt und seitdem kontinuierlich angepasst und erweitert. Ein Beispiel dafür ist das Modell der "4 Layers of Diversity" oder auch als Diversity-Rad bekannt, das von Gardenswartz und Rowe im Jahr 2003 entwickelt wurde. In diesem Modell wurden die inneren Dimensionen um äußere Dimensionen wie Einkommen, soziale Herkunft, Berufserfahrung oder Familienstand erweitert. Zudem wurden organisationale Dimensionen wie Arbeitsort, Abteilung oder Dauer der Zugehörigkeit ergänzt.

Chancengleichheit und Wertschätzung in der Arbeitswelt fördern

Diversity Management ist ein Handlungsfeld von Organisationen, das auf den Aktivitäten des Managing Diversity aufbaut und diese koordiniert. Es kann als eine Organisationseinheit betrachtet werden, die für die Gestaltung und Umsetzung des Managing Diversity verantwortlich ist. Dies umfasst alle Prozesse, Maßnahmen und Aktivitäten, die darauf abzielen, Diskriminierung zu beseitigen und Vielfalt in der Organisation zu schätzen. Hierbei tragen maßgeblich die Führungskräfte des oberen Managements sowie die Personalabteilung die Verantwortung. 
Diversity Management ist ein Konzept der strategischen Unternehmensführung und beinhaltet sowohl eine gesellschaftlich-soziale als auch eine ökonomisch-wettbewerbsrelevante Komponente. Das Ziel besteht darin, die Vielfalt in der Organisation zu fördern und für den Erfolgt der Organisation produktiv zu nutzen. Diversity Management kann nicht nur als wirtschaftliches Konzept, sondern auch als Philosophie oder Strategie verstanden werden. Für Organisationen der Sozialwirtschaft, die im Vergleich zu Wirtschaftsunternehmen stärker wert- und sachzieleorientiert ausgerichtet sind, kann Diversity Management als Instrument genutzt werden, um gesellschaftspolitische Verbesserungen für Mitglieder, Klienten*innen oder Kunden*innen voranzutreiben. 

Diversität in der Pflege

Die Pflegebranche steht vor großen Herausforderungen bei der Betreuung pflegebedürftiger Menschen mit unterschiedlicher Herkunft, sexueller Orientierung und Religionen. Eine diversitätssensible Pflege gewährleistet eine vorurteilsfreie Betreuung und die Förderung der Selbstbestimmung.
Statistiken zeigen, dass etwa 1,7 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in der Alten- und Krankenpflege tätig sind (Stand 2020). Dabei sind rund 80% weiblich und die Pflegeteams werden immer älter. Der Anteil der Beschäftigten mit einem Migrationshintergrund - etwa 11% - wird steigen. Dadurch werden die Pflegeteams insgesamt heterogener.
Diversity Management kann einen wertvollen Beitrag leisten, den Fachkräftemangel in der Pflege zu reduzieren. Denn gemischte Teams haben nachweislich mehr Erfolg, sind zufriedener und kreativer. Obwohl wirtschaftliche Vorteile ein wichtiger Grund für die Einführung eines Diversitätsmanagements sein mögen, darf der sozial-normative Aspekt in Bezug auf Antidiskriminierung und Teilhabe nicht vernachlässigt werden.
Das Thema Diversität ist im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) von 2006 gesetzlich verankert. Nach der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2009 hat auch die politische Dimension von Diversität an Bedeutung gewonnen. Die Charta der Vielfalt setzt sich erfolgreich für ein vorurteilsfreies Arbeitsumfeld ein und engagiert sich für Diversity-Management-Maßnahmen in Unternehmen. Durch die Unterzeichnung dieser Selbstverpflichtung erklären Arbeitgeber*innen, dass sie Chancengleichheit für ihre Beschäftigten herstellen bzw. fördern werden.
Trotz all dieser Bemühungen fehlen auf vielen Klinik-Homepages Hinweise auf Diversity Management. Eine diversitätsoffene, wertschätzende und inklusive Organisationskultur muss jedoch von der Führungsebene getragen werden. Das authentische und bekennende Eintreten des Managements für Vielfalt ist ein Muss, wenn man seine Mitarbeitenden von Diversitätsmaßnahmen überzeugen will. Es gibt Ansätze und Aktivitäten, in denen Problematiken und Potenziale von Vielfalt berücksichtigt werden, ohne dass diese explizit als Diversity-Maßnahmen oder als Beiträge zur Inklusion gekennzeichnet sind.

Diversity und Intersektionalität in der Pflegewissenschaft

Diversity und Intersektionalität sind wichtige Themen in der Pflegewissenschaft, aber bisher wurden sie noch nicht ausreichend behandelt. Die Kritik am weit verbreiteten Diversity-Ansatz von Gardenswartz et al. (2008), der sich auf betriebliche Optimierung konzentriert, basiert darauf, dass er ausgrenzend wirken kann, da er Differenzierungen innerhalb der einzelnen Merkmale und Machtverhältnisse nicht berücksichtigt. Eine Lösung bietet der Critical-Diversity-Ansatz, der sich mit der Konstruktion von Differenz durch Machtstrukturen befasst.
Ein zentrales Konstrukt im Critical-Diversity-Diskurs ist die Intersektionalität, die sich auf die Mehrfachdiskriminierung von afroamerikanischen Frauen in den USA bezieht. Dabei werden Themen wie Race, Class und Gender miteinander verknüpft und aus einer intersektionalen Perspektive untersucht. Allerdings wird das Thema Alter in der Intersektionalitätsforschung nur am Rande behandelt.
Die Diskussionen um Intersektionalität und die Auswirkungen von Diversitätsmerkmalen haben in der Pflegewissenschaft zu einzelnen Studien geführt, die mehr als ein Diversitätsmerkmal berücksichtigen.
Es gibt auch vereinzelte Forschungsansätze im Bereich der 24-Stunden-Pflege durch Pflegefachpersonen aus dem Ausland und der Situation pflegender Angehöriger. Diese Ansätze liefern Hinweise auf Auswirkungen von Intersektionalität in der Pflege aus Sicht der Angehörigen und der professionellen Pflegekräfte. Die Ergebnisse zeigen, dass bisherige Erkenntnisse zu einzelnen Diversitätsmerkmalen durch die Betrachtung mehrerer, gleichzeitig vorhandener Merkmale relativiert werden können. Durch den Fokus auf nur ein Diversitätsmerkmal – wie in der bisherigen Forschung beispielsweise zu Migration und Pflege – blieb verborgen, wie Merkmalskombinationen die Wahrnehmung von Pflegebedürftigkeit oder die Aktivierung von Selbstmanagement-Kompetenzen beeinflussen. Weiterhin fehlen Erkenntnisse darüber, wie Merkmalskombinationen vor allem bei sogenannten schwer erreichbaren Personen die Inanspruchnahme professioneller pflegerischer Unterstützung beeinflussen.
Eine intersektionale Perspektive auf Diversität in der pflegewissenschaftlichen Forschung und die Etablierung einer Theorie der Diversität in der Pflegewissenschaft erscheint künftig notwendig.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Integration von Diversity- und Intersektionalitätsansätzen in die Pflegewissenschaft ein wichtiger Schritt ist, um eine umfassendere und differenziertere Sichtweise auf die Pflegebedürfnisse und -erfahrungen verschiedener Menschen zu gewährleisten.

Was ist was? LGBTQI* und Queer

Eine Erklärung zu sexuellen Orientierungen und Geschlechtsidentitäten

Das angehängte Sternchen (*) wird verwendet, um niemanden auszuschließen.

Literatur

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