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Open Access 2019 | OriginalPaper | Buchkapitel

7. Digitalisierung in der Neuordnung des dänischen Krankenhausmarktes

verfasst von : Hans Erik Henriksen

Erschienen in: Krankenhaus-Report 2019

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Zusammenfassung

Seit mehr als einem Jahrzehnt befindet sich das dänische Gesundheitssystem im Wandel hin zu einem kohärenteren Gesundheitssystem: Das Rückgrat des Gesundheitssystems sind Krankenhäuser, die Patienten nur dann aufsuchen, wenn eine hochspezialisierte Versorgung und komplexe medizinische Verfahren notwendig sind. Im kohärenten Gesundheitssystem werden Krankenhausaufenthalte sehr kurz sein, mit rascheren und dynamischeren Übergängen zwischen den verschiedenen Sektoren im Gesundheitssystem. Treibende Kraft für das zukünftige Gesundheitssystem sind Initiativen, die in Dänemark seit Jahrzehnten die Digitalisierung sowohl der Krankenhäuser als auch aller anderen Gesundheitseinrichtungen forcieren.
Zusammenfassung
Seit mehr als zehn Jahren befindet sich das dänische Gesundheitssystem im Wandel hin zu einem kohärenteren Gesundheitssystem: Sein Rückgrat sind Krankenhäuser, die Patienten nur dann aufsuchen, wenn eine hochspezialisierte Versorgung und komplexe medizinische Verfahren notwendig sind. Im kohärenten Gesundheitssystem werden Krankenhausaufenthalte sehr kurz sein, mit rascheren und dynamischeren Übergängen zwischen den verschiedenen Sektoren im Gesundheitssystem. Treibende Kraft für das zukünftige Gesundheitssystem sind Initiativen, die in Dänemark seit Jahrzehnten die Digitalisierung sowohl der Krankenhäuser als auch aller anderen Gesundheitseinrichtungen forcieren.
For more than a decade, the Danish Healthcare System has been in the process of a transformation towards a more coherent healthcare system, whose backbone are hospitals patients only use when they are in need of highly specialized care and extensive medical procedures. In the coherent healthcare system, hospital stays will be very short with both faster and more dynamic handovers between different actors in the healthcare system. Therefore, initiatives to increase the digitization of both hospitals and all other healthcare organizations, have for decades been ongoing in Denmark as a critical enabler for our future healthcare system.

7.1 Hintergrund

Die Informationstechnik (IT) hielt in den 70er Jahren Einzug ins dänische Gesundheitswesen, als die ersten Patientenverwaltungssysteme eingeführt wurden. In den 1990er Jahren wurden die einrichtungsübergreifende elektronische Gesundheitsakte (electronic health record; EHR) und die elektronische interne Patientenakte (electronic medical record; EMR) entwickelt und im Jahr 1994 wurde die Organisation MedCom mit dem Ziel gegründet, ein landesweites Gesundheitsdatennetzwerk aufzubauen.
In den folgenden zehn Jahren trieben verschiedene IT-Strategien die Digitalisierung des dänischen Gesundheitswesens voran – zunächst mit dem Ziel einer vollständigen Implementierung von EHRs in Krankenhäusern, später ging es um elektronische Kommunikation und Digitalisierung in anderen Teilen des dänischen Gesundheitswesens.
Im Jahr 2002 war das MedCom-Gesundheitsdatennetzwerk fast vollständig, d. h. die meisten Rezepte, Überweisungen, Entlassungsbriefe, Laborergebnisse und Erstattungen wurden elektronisch abgewickelt. Gleichzeitig nutzte – angetrieben durch die eHealth-Strategien und MedCom – inzwischen ein Großteil der Haus- und Fachärzte EMRs, während die Krankenhäuser EHRs entweder bereits implementiert hatten oder deren Einführung planten.
Dieses hohe Maß an untereinander austauschbaren elektronischen Gesundheitsdaten war die Inspiration für die Einrichtung des nationalen Patientenportals (sundhed.dk), das 2003 in Betrieb ging.
Heute können alle Bürger Dänemarks über sundhed.dk sicher auf ihre Gesundheitsdaten zugreifen. Diese schließen ihre medizinische Vorgeschichte (zurückgehend bis 1977), alle Arzneimittelverschreibungen, Laborbefunde, Überweisungen und Arztberichte ein. Durch das Sicherheitssystem geschützt sind die gleichen Informationen über sundhed.dk für die Ärzte und Kliniken verfügbar, die den jeweiligen Patienten behandeln.
Der elektronische Austausch von Gesundheitsdaten in Dänemark wird heute über eine landesweite Datenarchitektur abgewickelt, die es ermöglicht, Daten aus einer Vielzahl verschiedener regionaler oder lokaler Lösungen (z. B. EMR, EHR, KIS, Apotheke) in eine landesweite Datenbank – die Nationale Serviceplattform – zu übertragen. Diese enthält die Archive und Daten, die Patienten und Leistungserbringer über sundhed.dk gemeinsam nutzen, aber auch Gesundheitsregionen und Kommunen können über ihre lokalen Systeme auf die Daten der Nationalen Serviceplattform zugreifen und diese untereinander austauschen.
Der sichere Datenaustausch über die National Service Platform basiert auf der nationalen Public-Key-Infrastruktur, die auch für den Zugang zu Bank- und Steuerinformationen sowie zu öffentlichen Serviceangeboten für die Bürger genutzt wird.
Es wird jederzeit protokolliert, wie Krankenhäuser und Kliniken auf die Daten zugreifen und wie sie sie nutzen. Die Regel ist, dass Ärzte, die einen Patienten behandeln (stationär oder ambulant), auf die in Bezug auf die Behandlung erhobenen EHR-Daten des Patienten zugreifen dürfen. Um das Vertrauen der Patienten weiter zu stärken, können diese über das nationale Patientenportal (sundhed.dk) selbst auf die Protokolldatei zugreifen. So können Patienten jederzeit sehen, welches Krankenhaus oder welcher Arzt auf ihre elektronischen Daten zugegriffen hat. Die Patienten können auch bestimmte Kliniken oder Abteilungen vom elektronischen Zugriff auf ihre Daten ausschließen, wenn sie ihnen aus irgendeinem Grund nicht vertrauen.
Die Einführung von EHRs in Krankenhäusern war ein Paradigmenwechsel, da die IT in Krankenhäusern bis dahin hauptsächlich aus einem Patientenverwaltungssystem bestand. Tendenziell wurden jedoch bereits Funktionen zur Verwendung durch Ärzte (z. B. computergestützte Leistungsanforderung) in das Patientenverwaltungssystem integriert, obwohl dieses System für die Verwaltung und nicht für Ärzte entwickelt worden war.
Bald wurde klar, dass der Vorteil der Einführung der EHR als klinisches System, das von jedem Arzt und jeder Krankenschwester sowie von jeder Abteilung im Krankenhaus genutzt werden kann, gleichzeitig große Datenintegrationsprobleme aufdeckte. Bei den ersten Implementierungen von EHRs mussten etwa Daten wiederholt in die EHR eingegeben werden, gegen Ende der 90er Jahre gelangte jedoch das Konzept der Integrationsplattform auf den dänischen Markt.
Das Konzept der EHR-Integrationsplattform basiert auf der Idee einer Basisplattform, die alle notwendigen Daten – d. h. Laborsysteme, Radiologiesysteme, Pathologiesysteme und natürlich das Patientenverwaltungssystem – integriert. Darüber hinaus wurde mit dem Konzept der EHR-Integrationsplattform ein modularer Ansatz verfolgt, bei dem alle Funktionen für die Klinikärzte in verschiedenen Modulen organisiert waren. Diese Module waren anfangs z. B. ein klinisches Notizmodul, ein ärztliches Leistungsanforderungsmodul (CPOE), ein Terminplanungsmodul und ein Medikationsmodul. Später wurde auch ein Patientenverwaltungsmodul eingeführt, wodurch die EHR-Plattform zur wichtigsten IT-Lösung für die Krankenhäuser und sogar für die Gesundheitsregionen wurde und alle Funktionalitäten für Klinikärzte und Verwaltung in einer einzigen modularen Lösung vereint.
Heute bieten die erfolgreichsten EHR-Integrationsplattformen auf dem dänischen Markt, wie z. B. das System Columna der dänischen Firma Systematic, klinische und administrative IT-Unterstützung für das gesamte Krankenhauspersonal. Columna umfasst die oben genannten Module, aber auch Module zur Unterstützung von Telemedizin, Krankenhauslogistik und mobilen Gesundheitsdiensten. Die Columna-Lösung wurde von den Regionen Mitteljütland und Süddänemark gewählt. Und da die Gemeinden Kopenhagen und Aarhus sich dafür entschieden haben, sich auch hinsichtlich der Altenpflege auf die gleiche Technologie zu stützen, hat sie das Potenzial, den gesamten IT-Unterstützungsbedarf von Ärzten und Pflegepersonal innerhalb einer Region abzudecken, unabhängig davon, ob diese in der Grundversorgung (Altenpflege, Pflegeheime, Heimpflege) oder in Krankenhäusern tätig sind.
Bei den dänischen Gesundheitsbehörden besteht ein großes Interesse an einer solchen Plattform, die das gesamte Gesundheitswesen in sich vereinen kann, da die Strategien für die zukünftige Entwicklung des dänischen Gesundheitssektors auf Kohärenz und integrierte Versorgung ausgelegt sind.
Anbietern in anderen Ländern ist es gelungen, traditionelle KIS-Systeme in Lösungen umzuwandeln, die sowohl das klinische als auch das Verwaltungspersonal unterstützen können. Der Paradigmenwechsel in Dänemark in den 90er Jahren hat offensichtlich dazu geführt, dass in Dänemark – und in einigen anderen nordischen Ländern – mehr Krankenhäuser papierlos arbeiten als in den meisten anderen europäischen Ländern. Und die Flexibilität der modularen Integrationsplattform hat definitiv zu einer hohen allgemeinen Akzeptanz der Digitalisierung in den dänischen Krankenhäusern beigetragen, ebenso dazu, dass die nationale EHR umgesetzt wurde. Diese kann (über sundhed.dk) von allen dänischen Bürgern und klinischem Fachpersonal in Dänemark genutzt werden.

7.2 Die neue Krankenhausstruktur

Im Jahr 2007 richtete das dänische Gesundheitsministerium eine Expertengruppe ein, die den künftigen Bedarf an Krankenhäusern und Notfallversorgung auf nationaler Ebene analysieren und die Regierung bei der Krankenhausplanung für Dänemark beraten sollte.
Die Expertengruppe schlug ein landesweites Krankenhausbauprogramm mit 16 neuen und hochspezialisierten Krankenhäusern vor, die im Zeitraum 2012 bis 2025 errichtet werden sollen (Abb. 7.1 und Abb. 7.2). Dabei sollen acht neue Krankenhäuser auf der grünen Wiese in der Nähe von Autobahnen und anderer Infrastruktur errichtet werden, sodass sie für Krankenwagen, Patienten und Mitarbeiter leicht zu erreichen sind. Die Standorte der neuen Krankenhäuser sind entsprechend der Bevölkerungsdichte Dänemarks geplant, mit dem Schwerpunkt möglichst gleicher und rascher Erreichbarkeit. Acht bereits bestehende Krankenhäuser sollen saniert, erweitert und umgebaut werden, um in diese landesweite Struktur neuer und hochspezialisierter Krankenhäuser zu passen (Abb. 7.3).
Die Experten empfahlen darüber hinaus eine neue Notfallstruktur, in der 40 Notaufnahmeeinrichtungen zu 21 größeren Einheiten zusammengefasst werden sollen.
Außerdem erstellte die Expertengruppe einen neuen Plan für klinische Fachabteilungen, wonach spezialisierte Krankenhausleistungen zusammengeführt und auf weniger Krankenhäuser konzentriert werden.
Zu guter Letzt beinhalteten die Empfehlungen der Expertengruppe auch die Zusammenlegung bestehender Krankenhäuser und die Schließung mehrerer Krankenhäuser in Dänemark.
Der Aufbau der neuen Krankenhausstruktur und der Wandel des dänischen Gesundheitswesens sind keine leichte Aufgabe. Hierbei sind kluges Stakeholder-Management und politische Entschlossenheit gefragt, und auch dann treten Probleme und Herausforderungen auf. Als die ersten Krankenhäuser geschlossen wurden, gab es natürlich vor Ort Demonstrationen und Beschwerden von Bürgern, die ihre Krankenhäuser verlieren würden. Im Lauf der Zeit hatte jedoch die Debatte über die Behandlungsqualität in den Krankenhäusern allmählich Auswirkungen auf die öffentliche Meinung. Die Bürger in Dänemark sind sich einig, dass es besser ist, einige zusätzliche Kilometer zu fahren, um ein hochspezialisiertes Krankenhaus aufzusuchen, als eine schlechte Behandlung oder Qualität in einem nahegelegenen allgemeinen Krankenhaus zu riskieren, das möglicherweise nicht über die notwendige Erfahrung oder Expertise verfügt, um komplexe Fälle zu behandeln.
Der Transformationsprozess selbst ist ebenfalls eine Herausforderung, bei der viele Fragen auftauchen, etwa aufgrund des Ungleichgewichts zwischen Sekundär- und Primärversorgung, das dadurch entsteht, dass der Bettenabbau in den Krankenhäusern schneller vor sich geht als der Aufbau der Primärversorgung in den Kommunen, der dies kompensieren sollte.
Der Aufbau hochspezialisierter Kliniken sowie die neu errichteten und erweiterten Krankenhäuser wirken sich positiv auf die öffentliche Meinung aus, denn die Bürger nehmen wahr, dass große Investitionen getätigt werden, um in Zukunft eine bessere Gesundheitsversorgung zu gewährleisten.

7.3 Krankenhaus-Logistik

Die neuen, viel größeren Krankenhäuser müssen auf neue innovative Technologien und eine sehr effiziente Logistik zurückgreifen können. Tatsächlich wurden 20 Prozent des Budgets für die neuen Krankenhäuser für innovative IT-, Medizin- und Logistiklösungen reserviert.
In Dänemark konnte auch dank der Fokussierung auf Krankenhauslogistik eine 30-prozentige Steigerung der Krankenhausproduktivität seit 2003 erzielt werden. Die Optimierung der Logistik in verschiedenen Krankenhausbereichen in Bezug auf z. B. Beschaffung, medizinische Versorgung, Steril- und Untersuchungsgut kann den Patientenfluss beschleunigen und zu einer Steigerung der Krankenhausproduktivität führen.

7.3.1 „Just-in-time“-Logistik

In dänischen Krankenhäusern werden bereits innovative Logistiklösungen eingesetzt, um Verzögerungen und Wartezeiten zu reduzieren und so den Patientenfluss zu beschleunigen.
Am neuen Universitätsklinikum in Aarhus wird ein feinmaschiges IT-System die Echtzeit-Lokalisierung von Personen und Geräten bis auf Raumebene ermöglichen.
Am Universitätskrankenhaus in Aalborg hat sich die Effizienz durch die Einführung eines ähnlichen neuen Systems um nahezu 20 Prozent erhöht.
Just-in-time-Logistik umfasst Systeme zu Ortung und Tracking von Personal und Geräten, Lösungen zur Automatisierung grundlegender und sich wiederholender Aufgaben sowie Lösungen zur Patientenführung. Hierdurch können Verzögerungen und Stoßzeiten bei den Abläufen im Krankenhaus vermieden werden.

7.3.2 Laborbefunde

Bei der Beschleunigung des Patientenflusses geht es auch darum, die Zeit von der Durchführung eines Labortests bis zu dessen Ergebnis am Behandlungsort zu verkürzen.
Am Krankenhaus Südjütland in Aabenraa hat sich die Zahl der Patienten um 13 Prozent erhöht, mit dem neuen Laborbefund-Logistiksystem ist es dem Krankenhaus jedoch gelungen, die hohen Patientenzahlen zu bewältigen und sogar die durchschnittliche Verweildauer zu reduzieren.
Intelligente Lösungen zur Handhabung von Untersuchungsgut helfen Krankenhäusern, ihre Bearbeitungszeiten zu reduzieren und damit die Patientendiagnostik zu beschleunigen. Vollautomatische Labore verbessern den Ablauf durch nicht-manuelle Bearbeitung und Sortierung aller Blutproben, wodurch das Fehlerrisiko minimiert und Zeit für wertschöpfende Aufgaben wie etwa Patientenbetreuung frei wird.

7.3.3 Sterilgut

Die Hauptstadtregion in Dänemark wird die komplette Untersuchung von Sterilgut in zwei Abteilungen im Rigshospitalet in Kopenhagen und im Krankenhaus in Herlev zentralisieren. Mit der vollautomatischen Handhabung von Sterilgut wird in beiden Zentren die Hygiene verbessert und das Infektionsrisiko reduziert. Gleichzeitig werden die Kosten für den Einkauf und die Lagerung von sterilem Material durch die Just-in-time-Lösung reduziert.

7.3.4 Zukunftsvision

Der nächste Schritt ist die integrierte Logistik. Die automatische Lieferung von Arzneimitteln aus der Krankenhausapotheke direkt auf die Stationen und die auf dem Entlassmanagement basierende Just-in-time-Hauswirtschaft ist in dänischen Krankenhäusern bereits Realität.
Robotergesteuerte Lagerflächen, die direkt in die Wände des Krankenhauses eingebaut sind, werden in Zukunft kurze Wege ermöglichen, große zusammenhängende klinische Bereiche schaffen sowie patientenbezogene Funktionen beinhalten.

7.4 Digitale Krankenhäuser

Die einrichtungsübergreifenden elektronischen Patientenakten schaffen in dänischen Krankenhäusern eine papierlose Umgebung, die auch einen hohen Grad an allgemeiner Digitalisierung des Krankenhauses erfordert.

7.4.1 Arzneimittelversorgung und Closed-Loop-Medikation

Der Einsatz von hochintegrierten IT-Lösungen erhöht die Effizienz und Patientensicherheit schon allein dadurch, dass Informationen nicht jedes Mal neu eingegeben und weitergegeben werden müssen. Ein Beispiel dafür sind Closed-Loop-Medikationssysteme, die mithilfe des Medikationsmoduls der EHR und in Kombination mit einem Einzeldosis-„Arzneimittelroboter“ dafür sorgen, dass der gesamte Prozess ab dem Zeitpunkt der Registrierung eines Arzneimittelrezepts im Medikationsmodul automatisiert wird. Manuell werden allein und nur einmal die Verordnung inklusive Dosierung für den jeweiligen Patienten sowie die Tageszeit eingegeben. Dann findet und verpackt das System das Arzneimittel automatisch – und wenn die Krankenschwester das Medikament an den Patienten liefert, nutzt sie das mHealth-System, um den Barcode zu lesen und zu überprüfen, ob es sich um das korrekte Medikament für den korrekten Patienten handelt – zur korrekten Zeit.
Medikationsmodule in modernen EHR-Lösungen unterstützen das Pflegepersonal auch bei Aufgaben wie dem Anmischen von Arzneimitteln, z. B. wenn die Zusammensetzung der Infusionslösung für den Patienten berechnet werden muss. Integrierte Lösungen sorgen für einen sicheren Zugang zu Arzneimitteln, indem sie den Zugang von Pflegepersonal und Ärzten zum Arzneimittellager automatisch überprüfen.
Alle EHRs in Dänemark enthalten eine vollständige Übersicht über alle verordneten Arzneimittel für den jeweiligen Patienten, unabhängig davon, wo die Verordnung erfolgte. Die Nationale Serviceplattform speist die EHR mit Informationen über Arzneimittel und Rezepte auf landesweiter Ebene. Der vollständige Überblick über die Medikation aller Patienten durch die EHR reduziert Zeitaufwand und Unsicherheit für Krankenhausärzte und Pflegepersonal. Auch für die Patienten ist es von Vorteil zu wissen, dass den klinischen Fachkräften alle Informationen vorliegen.

7.4.2 Dokumentation

In Dänemark erstellen und aktualisieren Ärzte und Pflegepersonal Patientenakten selbst und benötigen dabei kaum Unterstützung durch Schreibkräfte. Um Zeit zu sparen und die Effizienz zu steigern, verwenden viele EHR-Lösungen auch Spracherkennung bei der Erstellung oder Aktualisierung der Dokumentation.
Mit der Implementierung von Krankenhaus-EHRs wurde auch eine strukturiertere Dokumentation eingeführt, da die verschiedenen Dokumententypen und die Absatzhierarchie der modernen EHRs die Ärzte motiviert, bei ihren Aufzeichnungen eine bestimmte Struktur einzuhalten. Vor der Implementierung von EHRs enthielten Patientenakten in der Regel mehr Text, Informationen waren schwieriger zu finden und wurden manchmal innerhalb derselben Dokumentation auch doppelt eingegeben.
Die Dokumententypen und die Absatzhierarchie reduzieren auch die Doppelungen von Eingaben und die Fehlerquote, da dieselbe Registrierung automatisch wiederverwendet wird, z. B. wenn Schreibkräfte den Entlassungsbrief erstellen oder wenn die Patientenakte an das nationale Patientenportal übertragen wird.

7.4.3 CPOE und Terminplanung

Bereits vor der Einführung von EHRs wurden in Dänemark computergestützte ärztliche Leistungsanforderungssysteme, so genannte CPOE (Computerized Physician Order Entry)-Systeme eingesetzt, da diese bereits in die Patientenverwaltungssysteme eingebettet waren.
Die heutigen CPOE-Module der EHR-Systeme sind viel stärker automatisiert und voll integriert. Ein Auftrag für eine radiologische (oder eine andere) Untersuchung kann durch einen bestimmten Diagnose- oder Behandlungsplan ausgelöst werden. Ein Auftrag für einen Labor- oder Pathologiebefund kann auf ähnliche Weise ausgelöst werden. Zudem ist es möglich, Labor- und pathologische Untersuchungen im Paket anzufordern, sodass basierend auf einer bestimmten Diagnose eine Reihe von Tests ausgelöst wird.
Das CPOE-Modul ist normalerweise auch mit dem Terminplanungsmodul vernetzt, das bei der Planung von angeforderten Untersuchungen und Tests unterstützt und den Terminplan an den beauftragenden Arzt zurückmeldet, sodass dieser weiß, wann ein Ergebnis zu erwarten ist.
Für wichtige und zeitkritische Tests kann sich der beauftragende Arzt über Statusmeldungen und eine Alarmfunktion informieren lassen, die an ein mobiles Gerät gesendet werden können.
Über das nationale Gesundheitsdatennetzwerk (MedCom) ist es auch möglich, externe Untersuchungen und Tests anzufordern – also solche, die von einem Facharzt oder einer Institution durchgeführt werden, die nicht Teil der Krankenhausorganisation sind.

7.4.4 Radiologie

Alle dänischen Radiologieabteilungen haben PACS (Picture Archiving and Communication System) implementiert. Hierbei handelt es sich um Bildarchivierungs- und Kommunikationssysteme. Einige Radiologien nutzen sogar moderne Streaming-Lösungen, die es ihnen ermöglichen, von mobilen Endgeräten und Handheld-Geräten aus auf Bilder und Rekonstruktionen zuzugreifen. Die mobile Technik ermöglicht es Spezialisten, Kollegen bei Befunden zu unterstützen und zu beraten, auch wenn sich der Spezialist irgendwo anders im Krankenhaus oder auch zu Hause aufhält.
Die radiologische Diagnostik wird durch Radiologieinformationssysteme (RIS) geplant und dokumentiert, die ebenfalls von allen radiologischen Abteilungen in Dänemark eingesetzt werden. Die Vernetzung des RIS mit der EHR-Integrationsplattform reduziert die Notwendigkeit der Neuerfassung von Daten und hilft die Koordination und Planung zu automatisieren. Die Automatisierung ermöglicht, auf Basis eines Diagnose- und Behandlungsplans eine Radiologieanforderung automatisch durch die EHR zu generieren. Diese wird direkt an das RIS gesendet, das die Anforderung einplant und sogar Informationen an eine Verfahrensliste (Modality Worklist) überträgt, sodass das bildgebende Gerät eine Liste von Arbeitsaufträgen zusammen mit demografischen Patientendaten direkt übernimmt. Ist die Untersuchung durchgeführt und analysiert, wird das Ergebnis an die EHR zurückgeschickt. Während des Prozesses kann der anfordernde Arzt den Fortschritt verfolgen, und wenn es sich um eine dringende radiologische Untersuchung handelt, kann der Arzt über das Handheld-Gerät Statusmeldungen und Alarme anfordern.

7.4.5 Labore und Pathologie

Die meisten Labore in Dänemark haben moderne Labor-Informations- und Management (LIM)-Systeme implementiert, die sowohl mit CPOE/EHR als auch mit automatischen Probenanalysegeräten vernetzt sind.
Die modernsten Labore verwenden vollautomatische Testverfahren, die mit denen der Closed-Loop-Medikation vergleichbar sind, d. h. das Untersuchungsgut bleibt von Beginn der Untersuchung an bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Testergebnis in der EHR vorliegt, vom Menschen unberührt.
Wenn dem Patienten am Ort der Behandlung eine Blutprobe entnommen wurde, legt die Pflegekraft diese in eine nahe gelegene Probenstation ein, wo sie mittels Barcodelesung registriert wird. Die Probenstation schickt die Probe über das Rohrpostsystem sofort ins Labor. Im Gegensatz zu traditionellen Röhrentransportsystemen, die seit vielen Jahren in Krankenhäusern eingesetzt werden, handelt es sich um eine Neuentwicklung, bei der Röhren mit einem geringen Durchmesser verwendet werden, die nur einen Blutprobenbehälter passieren lassen.
Wenn die Blutprobe nach wenigen Sekunden im Labor eintrifft, legt ein Roboter den Labortest sofort auf das automatische Analyseförderband, das ihn zum richtigen Analyseautomaten bringt. Sobald der Automat den Test durchgeführt hat, wird das Ergebnis an das LIM-System und von dort an die EHR übermittelt. Handelt es sich um einen dringenden Test, sendet die EHR einen Alarm an das Handheld-Gerät des anfordernden Arztes und das Ergebnis kann am Handheld oder in der EHR eingesehen werden.
Die neueste Entwicklung dieses Automatisierungskonzepts erlaubt es dem Labor nun auch, verschiedene Proben (verpackt in einer Box) von externen Organisationen – z. B. Haus- oder niedergelassenen Fachärzten – automatisch zu verarbeiten, wobei ein Roboter die Proben vorsortiert. Der Vorsortierroboter nutzt die innovative Röhrenprobenstation, um Laborproben an Bio- oder Chemielabore zu schicken. Nach der Sortierung werden die Proben im Rahmen des oben genannten Prozesses weitergeleitet und das Ergebnis wird automatisch über das LIM-System bzw. die EHR kommuniziert. Handelt es sich um einen externen Auftrag, wird das Ergebnis über das MedCom-Netzwerk übertragen.
Schnellere Laborergebnisse ermöglichen es dem klinischen Fachpersonal, den nächsten Schritt der Behandlung früher zu planen und so die Verweildauer des Patienten zu verkürzen. Dadurch wird die Zeit, die Pflegekräfte und Ärzte für das Nachverfolgen der Proben und das Warten auf Testergebnisse aufwenden, drastisch reduziert oder eliminiert.

7.5 Krankenhäuser in einem kohärenten Gesundheitssystem

Das dänische Gesundheitssystem ist auf dem Weg zu einem Gesundheitssystem, in dem Prozesse aufeinander abgestimmt sind, mehr Gesundheitsleistungen über Ambulanzen, die Primärversorgung und die Kommunen erbracht werden und sogar die Bürger und Patienten selbst viel mehr beitragen.
Künftig werden Krankenhausaufenthalte noch kürzer sein als bisher (die derzeitige durchschnittliche Verweildauer liegt in Dänemark bei 3,4 Tagen) und der Übergang zwischen den verschiedenen Sektoren im Gesundheitswesen wird schneller und dynamischer. Dies ermöglicht die Digitalisierung sowohl innerhalb des Krankenhauses, wie in diesem Beitrag beschrieben, als auch im gesamten Gesundheitssystem. Verschiedene IT-Strategien haben den Grad der Digitalisierung in Dänemark schrittweise erhöht, wobei sich der Fokus von der Schaffung des papierlosen Krankenhauses hin zu Kohärenz und Digitalisierung des gesamten Gesundheitssystems veränderte.
Die neue digitale Gesundheitsstrategie 2018–2022 verfolgt diesen Weg weiter, indem sie sich noch stärker auf die patientenzentrierte Versorgung und die Rolle des Bürgers und des Patienten konzentriert. Dies ist die bisher umfassendste digitale Gesundheitsstrategie in Dänemark mit 27 Initiativen, mit deren Unterstützung bis 2022 fünf Hauptziele umgesetzt werden sollen (Abb. 7.4). Um diese Hauptziele im Rahmen der neuen Strategie zu erreichen, wurde eine neue Krankenhausstruktur mit besonderem Fokus auf Digitalisierung aufgebaut.
In Zukunft werden Bürger und Patienten in einem kohärenten Gesundheitssystem viel stärker eingebunden und für ihre eigene Gesundheit verantwortlich sein, sodass Krankenhäuser eine andere Rolle übernehmen werden. Das Krankenhauspersonal wird viel mehr mit den Primärversorgern und den Kommunen kommunizieren und koordinieren müssen – und natürlich auch mit den Patienten selbst. Die Patienten werden viel besser informiert sein und durch die Instrumente der Patientenberichterstattung und (für chronisch kranke Patienten) die landesweite telemedizinische Unterstützung, die ab 2020 in Dänemark zur Verfügung stehen wird, stärker in den Behandlungsprozess einbezogen.
Dies macht deutlich, dass es bei der Krankenhausstrukturreform, dem neuen Krankenhausbauprogramm und der Spezialisierung nicht um die Erneuerung der Krankenhäuser in Dänemark geht. Es geht darum, eine Krankenhausstruktur zu schaffen, in der Krankenhäuser ein aufeinander abgestimmtes, durchlässiges Gesundheitssystem unterstützen und der Tatsache gerecht werden, dass in Zukunft so viel medizinische Versorgung wie möglich außerhalb der Krankenhäuser erbracht wird und Patienten nur dann im Krankenhaus behandelt werden, wenn eine hochspezialisierte Versorgung und komplexe medizinische Verfahren notwendig sind. Wie in diesem Beitrag beschrieben hängt dies von einer weitreichenden Digitalisierung ab, um den effektiven Austausch von Daten und (Echtzeit-)Kommunikation im dänischen Gesundheitssystem zu etablieren.
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Metadaten
Titel
Digitalisierung in der Neuordnung des dänischen Krankenhausmarktes
verfasst von
Hans Erik Henriksen
Copyright-Jahr
2019
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-58225-1_7