Wenn Menschen mit diabetischem Fußsyndrom den Arzt aufsuchen, ist es oft sehr spät. Wie kann es sein, dass sie selbst schlimme Läsionen ignorieren?
Obwohl die Behandlungsangebote für Menschen mit diabetischem Fußsyndrom (DFS) immer besser werden, bemühen sich manche Betroffene erst sehr spät um Hilfe. „Für die Behandler ist das manchmal kaum nachvollziehbar“, berichten Katja Sonntag und Dr. Christine von Reibnitz in der Augustausgabe der Pflegezeitschrift. Ein fehlendes Schmerzempfinden aufgrund einer diabetischen Polyneuropathie reiche als Begründung nicht aus. „Eine Erklärung liefert die Theorie des sogenannten ,Leibesinselschwunds‘, der durch die diabetische Polyneuropathie hervorgerufen wird“, erläutern die Autorinnen. Bei den Betroffenen liegt eine Diskrepanz zwischen den ertast- und den erspürbaren Körperteilen vor. Die Füße werden sozusagen zu Umgebungsbestandteilen. Dieses Phänomen stellt damit die Umkehr von Phantomschmerzen und -erlebnissen dar, wie sie Menschen nach Amputationen haben.
Hilfsmittel würden nicht oder falsch angewendet, neue Läsionen nicht erspürt. Die Vorsichtsmaßnahmen, die jeder zum Erhalt der eigenen körperlichen Integrität ergreift, sind außer Kraft gesetzt. „Für den Patienten erscheint gefühlsmäßig alles in Ordnung“, so Dr. von Reibnitz.
Diese veränderte Körperwahrnehmung bei Menschen mit DFS muss nach Ansicht der Autorinnen unbedingt auch in der Patientenberatung Berücksichtigung finden, wenn die Behandlung Erfolg haben soll. Eine Förderung der Selbstmanagement-Kompetenzen dürfe sich nicht auf die rein kognitive Vermittlung von Informationen beschränken. (ne)