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Erschienen in: Heilberufe 2/2022

01.02.2022 | Pflege Alltag

Darf es eine Tasse mehr sein?

verfasst von: Beate Ebbers

Erschienen in: Heilberufe | Ausgabe 2/2022

Fast einen halben Liter Kaffee trinkt jeder Deutsche am Tag. Auch unter Pflegekräften erfreut sich das Getränk großer Beliebtheit. Doch noch hält sich das Gerücht, dass zu viel Kaffee schädlich für die Gesundheit ist. Grund genug, das Heißgetränk genauer unter die Lupe zu nehmen. Wie viele Tassen dürfen es sein?

Ohne Kaffee geht es nicht

Wenn es auf der Station stressig wird, reicht die Zeit meist nur für den Griff zum Kaffeebecher. In einer 2014 durchgeführten Befragung von 10.000 Angestellten fand die englische Agentur Pressat heraus, dass Pflegekräfte und medizinisches Personal im Ranking der Berufsgruppen mit dem höchsten Kaffeekonsum Platz fünf einnehmen - nach Journalisten, Polizisten, Lehrern und Handwerkern. Knapp 85% der Befragten gaben an, mindestens drei Tassen am Tag zu trinken und nahezu drei Viertel glauben, dass sie nur mit Kaffee ihre Arbeit gut bewältigen können. Und die Fakten sprechen für sich. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Bohnenkaffee liegt bei 167 Liter pro Jahr, weit vor anderen Heißgetränken wie Kräuter-und Schwarztee, wie die Ergebnisse des Zensus für 2019 zeigen.

Von der Kirsche zur Bohne

Beheimatet ist die Kaffeepflanze rund um den Äquator. Dort, im sogenannten Kaffeegürtel, finden die beliebtesten Sorten Robusta und Arabica optimale klimatische Bedingungen. In jeder roten reifen Frucht der Kaffeepflanze verbergen sich in der Regel zwei Samen, die Kaffeebohnen. Ungefähr 2,5 Kilogramm Kaffeekirschen werden für 500 Gramm Kaffeebohnen benötigt. Das Fruchtfleisch wird durch Trocknen oder Waschen vom Samen gelöst, die anhaftenden Häutchen durch Schälen entfernt. Erst durch das Rösten erhalten die Bohnen dabei ihre dunkelbraune Farbe und das typische Kaffeearoma, das durch das Zusammenspiel zahlreicher Aromastoffe zustande kommt. Anschließend heißt es: mahlen, aufgießen und genießen!

Was ist drin?

Jede Kaffeebohne enthält mehr als 1.000 unterschiedliche Substanzen, von denen bis heute noch nicht alle identifiziert sind. Hauptsächliche Bestandteile pro hundert Gramm ungeröstetem Rohkaffee sind:
  • Eiweiß (11 g) und Kohlenhydrate (1,5 g): Ihre Bausteine, Aminosäuren und Zucker, verbinden sich beim Röstprozess zu Verbindungen, die das typische Kaffeearoma ausmachen.
  • Fett (13 g): Die wasserunlöslichen Kaffeeöle gehen beim Aufguss nicht in das Kaffeegetränk über, sondern verbleiben im Kaffeesatz. Anders bei Espresso: Durch den Druck gelangen die Öle in das Getränk und bilden die typische Crema.
  • Ballaststoffe (40-50 g): Darunter fallen alle wasserunlöslichen, faserreichen Bestandteile der Kaffeebohne, die als Kaffeesatz beim Aufguss des Getränks zurückbleiben.
  • Mineralstoffe und Vitamine (4 g): Zu nennen sind Kalium, Kalzium, Magnesium, Phosphor und B-Vitamine, wie Niacin, Riboflavin oder Pantothensäure. Ein Teil davon gehen beim Aufguss in das Kaffeegetränk über. So enthält 100 Milliliter Bohnenkaffee 65 Milligramm Kalium und 0,01 Milligramm Riboflavin.
  • Koffein (1,3 g): Chemisch gesehen zählt es zu den Alkaloiden, natürlich vorkommende stickstoffhaltige Substanzen. Koffein in Kaffee ist nicht wie in Tee an Gerbsäure gebunden, sondern an Chlorogensäure und kann von dieser leicht getrennt werden.
  • Chlorogensäure (4 g): Sie macht den größten Anteil aller im Kaffee enthaltenen Säuren aus. Ein Großteil wird während des Röstprozesses zu Aromastoffen und anderen Substanzen abgebaut. Je dunkler der Kaffee geröstet wird, desto weniger Säuren sind enthalten.

Psychoaktive Wirkung

Dass Kaffee so beliebt ist, liegt an seiner belebenden und anregenden Wirkung, die auf das Koffein zurückgeht. Im magensauren Milieu wird das Alkaloid von der Chlorogensäure getrennt, im Magen und Dünndarm resorbiert und über das Blut rasch und gleichmäßig in alle Körperteile verteilt. Dabei kann es die Blut-Hirn-Schranke uneingeschränkt passieren. In üblichen Dosen von 50 bis 200 Milligramm wirkt Koffein in erster Linie auf das Zentralnervensystem. Hier blockiert es die Adenosinrezeptoren und wirkt dadurch als Gegenspieler dieses Botenstoffes, das die Ausschüttung der belebenden Neurotransmitter Noradrenalin, Dopamin und Acetylcholin unterdrückt. Koffein bewirkt somit, dass die Blutkonzentration dieser Neurotransmitter steigt. Die Folgen: Blutgefäße kontrahieren, Blutdruck und Herzschlagfrequenz steigen, Organe werden stärker durchblutet. Aufmerksamkeit, Konzentration und Wachheit werden gefördert, Müdigkeitsgefühle verschwinden. Auch die Verdauung wird angeregt, was manche Kaffeetrinker an einem erhöhten Stuhl- und Harndrang bemerken.
Die stimulierende Wirkung setzt ungefähr 15 bis 30 Minuten nach Aufnahme ein. Die gleichzeitige Aufnahme einer Mahlzeit oder anderer Lebensmittel (zum Beispiel Milch, Zucker), von Gerbstoffen (zum Beispiel Tee), Ballaststoffen (wie beispielsweise Kaffeesatz) oder anderen Substanzen können Resorption und Wirkung von Koffein um bis zu mehrere Stunden verzögern. Wer seinen Kaffee schwarz auf nüchternem Magen trinkt, muss mit einer schnelleren Wirkung rechnen, als mit viel Milch oder nach einem üppigen Essen getrunken. Bei regelmäßigen Kaffeetrinkern gewöhnt sich der Körper mit der Zeit jedoch an das Koffein, sodass sich seine Wirkung deutlich abschwächt.

Toxische Wirkung

Zu viel Kaffee kann schädlich sein. Denn Koffein ist in sehr hohen Dosierungen toxisch. Die letale Menge liegt bei Erwachsenen bei etwa zehn, bei Kindern bei fünf Gramm, was einer Kaffeemenge von rund 100 beziehungsweise 50 Tassen entspricht. Unruhe, Nervosität, Schlafstörungen, Übelkeit und Erbrechen können bei empfindlichen Menschen schon bei einer Zufuhr von 200 bis 300 Milligramm Koffein auftreten. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) stuft eine Einmaldosis von bis zu 200 Milligramm - das entspricht ungefähr zwei Tassen Kaffee - und eine Menge von bis zu 400 Milligramm - ungefähr vier Tassen Kaffee - über den Tag verteilt bei gesunden Erwachsenen als unbedenklich ein. Schwangere und Stillende sollen täglich nicht mehr als 200 Milligramm Koffein, also ungefähr zwei Tassen, zu sich nehmen. Grund ist, dass Koffein die Plazenta passieren und in die Muttermilch übergehen kann. Hinweise gibt es darauf, dass Koffein die Risiken für Wachstumsverzögerungen bei Ungeborenen und Fehlgeburten erhöht. Zu beachten ist, dass alle Koffeinquellen berücksichtigt werden müssen. Denn das anregende Alkaloid ist nicht nur in der Kaffeebohne, sondern auch in Kakao, Teeblättern, Colagetränken, Energydrinks und -riegel enthalten (Tab. 1).
Tab. 1
: Koffeingehalt in Getränken
Filterkaffee (150 ml)
50-100 mg
Entkoffeinierter Kaffee (150 ml)
3 mg
Espresso (50 ml)
50-150 mg
Instant-Kaffee (150 ml)
15-90 ml
Cappuccino (150 ml)
27 mg
Schwarztee (150 ml)
20-60 mg
Kakao (150 ml)
2-8 mg
Energy Drink (250 mg)
80 mg
Cola (330 mg)
32-60 mg
Quelle: Deutscher und österreichischer Kaffeeverband

Nachgefragt: Was stimmt?

Rund um den Kaffee ranken sich viele Mythen, die sich hartnäckig halten. Doch nicht alle sind tatsächlich wahr.
Kaffee ist ein Flüssigkeitsräuber: Diese weit verbreitete Meinung ist mittlerweile widerlegt. Die diuretische Wirkung des Koffeins zeigt sich erst bei Dosen von mehr als 300 Milligramm. Die kurzfristige erhöhte Harnproduktion wird zudem innerhalb von 24 Stunden wieder ausgeglichen. Vier Tassen Kaffee pro Tag dürfen in die Flüssigkeitsbilanz einberechnet werden.
Kaffee reizt den Magen: Koffeinhaltiger Kaffee steigert die Magensaftsekretion. Bislang gibt es jedoch keine Belege dafür, dass er das Risiko für Gastritis, Ösophagitis oder Reflux erhöht. Wer jedoch schon unter einer Refluxkrankheit leidet und mit Sodbrennen auf Kaffee reagiert, sollte ihn nicht nüchtern trinken und verschiedene Sorten und Zubereitungsarten ausprobieren. Bekömmlicher sind zum Beispiel Kaffees aus reinen Arabica-Bohnen, die von Natur aus säurearm sind, oder als "milde" bezeichnete Kaffees, die durch die Wahl der Bohne, der Herkunft und der Röstung weniger Reizstoffe besitzen.
Kaffee hilft bei Kopfschmerzen: Verschiedene Studien zeigen, dass Koffein Migräne, Kopf- und Zahnschmerzen, nicht aber Menstruations- oder Wehenschmerzen, lindert. In Kombination mit Paracetamol, Ibuprofen und Acetylsalicylsäure wirkt es sogar schneller und stärker als die Einzelsubstanzen. Einige Schmerzmedikamente enthalten deshalb zusätzlich Koffein. Das Alkaloid hemmt die Cyclooxygenase (COX), ein Enzym, das die Bildung der Prostaglandine katalysiert. Prostaglandine spielen bei der Entstehung von Schmerzen, Fieber und Entzündungen eine wichtige Rolle. Werden sie weniger gebildet, kommt es zu einer Linderung der Beschwerden.
Kaffee raubt den Schlaf: Tatsächlich können einzelne Koffeindosen von 100 Milligramm Schlafdauer und -muster negativ beeinflussen, insbesondere, wenn sie kurz vor dem Schlafengehen aufgenommen werden. Das ist jedoch nicht bei jedem Menschen der Fall. Wer empfindlich reagiert, sollte ab dem Nachmittag entcoffeinierten Kaffee bevorzugen.
Kaffee erhöht die Blutfettwerte: Fünf oder mehr Tassen am Tag können den Gesamt-Blutcholesterinspiegel um etwa 20 bis 40 Milligramm pro Deziliter, das LDL-Cholesterin, Apolipoprotein B und Triglyzeride erhöhen. Die Wirkung geht nicht vom Koffein, sondern von den in der Bohne enthaltenen Diterpenen aus, die bei türkischem Kaffee oder bei Kaffee aus der French Press im Getränk zu finden sind. Das Gute: Bei Filterkaffee verbleiben die Diterpene im Filter, bei der Herstellung von Instantkaffees werden sie ganz eliminiert.

Vorsicht vor Wechselwirkungen

Zahlreiche Arzneimittelwirkstoffe verstärken die Wirkung des Koffeins und umgekehrt, weshalb die allgemeine Empfehlung gilt, Kaffee und andere koffeinhaltige Getränke nicht zusammen mit Medikamenten einzunehmen. Zum Beispiel erhöhen Fluorchinolon-Antibiotika (Gyrasehemmer) sowie Antihistaminika zur Dämpfung der Magensaftproduktion (Cimetidin) den anregenden Effekt des Koffeins, was zu Herzrasen und Schlafstörungen führen kann. Der Grund: Sie blockieren das Cytochrom-P450 Enzymsystem, das den Abbau von Koffein katalysiert. Koffein selbst kann die Plasmakonzentration von Clozapin, einem atypischen Neuroleptikum, erhöhen und Nebenwirkungen des Wirkstoffes (zum Beispiel Schläfrigkeit, Schwindel) verstärken. Denn auch Clozapin wird über das Cytochrom-P450 Enzymsystem metabolisiert, das in Gegenwart von Koffein gehemmt wird. Die Dosierung des Medikamentes ist deshalb an die tägliche Kaffeemenge angepasst, die nicht verändert werden sollte.

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Metadaten
Titel
Darf es eine Tasse mehr sein?
verfasst von
Beate Ebbers
Publikationsdatum
01.02.2022
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Heilberufe / Ausgabe 2/2022
Print ISSN: 0017-9604
Elektronische ISSN: 1867-1535
DOI
https://doi.org/10.1007/s00058-021-2201-2

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