1.1 „Die Pandemie hat uns kalt erwischt“1
Im März 2020 stiegen die Infektionen mit dem neuartigen SARS-CoV-2-Coronavirus (COVID-19) rasant. Ein dynamisches Pandemiegeschehen, das wirtschaftliche, politische, bildungsbezogene und in besonderem Maße gesundheitliche Auswirkungen hatte, zeichnet sich bis heute fort. Als politische Konsequenz wurden zur Senkung der Infektionsgefahr und Unterbrechung des exponentiellen Wachstums der Infektionszahlen Infektionsschutzmaßnahmen
in vielen gesellschaftlichen Bereichen erlassen, so auch in Pflegeeinrichtungen der vollstationären Pflege. Der Grundbaustein dafür wurde mit dem Bevölkerungsschutzgesetz
2 gelegt. Dabei sind weitreichende Änderungen am bestehenden Infektionsschutzgesetz (ifSG)
und am fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) vorgenommen worden. So wurden im März 2020 in den stationären Pflegeheimen im Rahmen des „Lockdown“ – ex abrupto – Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie in Form von Schließungen, Auferlegung von Besuchsverboten und Zugangsregelungen erlassen sowie soziale Angebote aufgehoben. Nahezu übergangslos waren die Pflegeeinrichtungen dazu gezwungen, die weggefallenen Versorgungsstrukturen bestmöglich zu kompensieren. Erhöhte Krankenstände haben die Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals in der ersten Welle weiter erschwert (Drupp et al. im gleichen Band) und die Situation hat insgesamt zu einer hohen psychischen Belastung bei ihnen geführt (Hower et al.
2020). Aber auch für die Pflegeheimbewohnenden bestehen ungeachtet der gesundheitlichen Folgen einer SARS-CoV-2-Infektion massive Auswirkungen auf die soziale Teilhabe und damit das Wohlbefinden infolge der Schutzmaßnahmen (Schrappe et al.
2020b; DGP
2020; Kessler et al.
2020; Räker et al. im gleichen Band). Im Vergleich zu der ersten Welle der Corona-Pandemie
, in der Versorgung und Teilhabe der Bewohnenden durch die Schutzmaßnahmen in einem schwer tolerierbaren Ausmaß beeinträchtigt waren (Kessler et al.
2020), wurde während der zweiten Welle stärker darauf geachtet, Versorgungsstrukturen aufrechtzuerhalten und zumindest grundlegende Kontakte zuzulassen. So sind Mitte Dezember 2020 verfügbare Schutzmasken (FFP2-Masken), vom Bund bezahlte Antigen-Schnelltests, verpflichtende Testungen mehrmals pro Woche für das Pflegepersonal und der Nachweis eines Negativtests für die Besuchenden verordnet worden (Bund-Länder-Beschlüsse
2020). Ab Januar 2021 konnte alsdann mit den ersten Impfungen sowohl der Bewohnenden als auch des Personals in den Heimen begonnen werden, sodass mit Stand Ende März von einer weitestgehenden Durchimpfung der Pflegeheimbewohnenden auszugehen ist.
3 Dennoch ist der Arbeits- und Lebensalltag in deutschen Pflegeheimen weiterhin von der Pandemie geprägt. Beispielsweise gelten nach den erfolgten Impfungen weiterhin die strikten Besuchsbeschränkungen
in den Pflegeeinrichtungen – zulasten der Bewohnenden und deren Angehörigen wie auch des Pflegepersonals. Die bisher bestehenden Hygiene-, Schutz- und Testkonzepte sollen weiterhin konsequent umgesetzt werden.
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Die Dialektik zwischen Schutz vor Infektion und Wahrung der Menschenwürde und Autonomie der Alten- und Pflegeheimbewohnenden stellt eine stetige Herausforderung dar und wirft Fragen auf: Wie können sie prospektiv besser geschützt werden, ohne die Teilhabe zu gefährden? Welche Einflussfaktoren stehen womöglich im Zusammenhang mit der ohnehin schwierigen Versorgungssituation in den Pflegeheimen? Welche Maßnahmen und Strukturen in Pflegeeinrichtungen waren zur Infektionseindämmung wirksam? Wie gestaltet(e) sich die soziale Lebens- und Versorgungssituation der Heimbewohnenden sowie des Pflegepersonals während der Pandemie deutschlandweit? Diese und weitere Schwerpunkte werden derzeit im Rahmen eines durch den GKV-Spitzenverband geförderten Forschungsprojekts – Covid-Heim – der Charité – Universitätsmedizin Berlin in Kooperation mit dem Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) untersucht. Ziel ist ein dezidiertes Bild der Situation der hochbetagten Bewohnenden in deutschen Pflegeheimen zu erhalten, um damit eine Bewertung der getroffenen Maßnahmen empirisch unterlegen zu können und zugleich einen Beitrag zur Diskussion perspektivischer Handlungsempfehlungen zu leisten. Die vorliegenden Analysen zeichnen basierend auf Abrechnungsdaten der AOK-Pflege- und Krankenkassen das Abbild einer Krisensituation für die erste Pandemiewelle von März bis Mai 2020. Nach einem kurzen Überblick zu COVID bei Hochbetagten werden für die erste COVID-Welle die allgemeine Sterblichkeit der Pflegeheimbewohnenden – d. h. die sogenannte Übersterblichkeit ohne direkten COVID-Bezug – und die Sterblichkeit der im Krankenhaus behandelten COVID-Erkrankten aus Pflegeheimen aufgezeigt. Ebenso wird am Beispiel der generell veränderten Krankenhausbehandlung der Pflegeheimbewohnenden ein erstes Schlaglicht auf potenziell sekundäre Folgen der Pandemie – hier die gesundheitliche Versorgung der Pflegeheimbewohner – geworfen. Das Fazit greift die aufgeworfenen Problemfelder auf und diskutiert mögliche Ableitungen für künftige Forschungsvorhaben, u. a. mit Blick auf das laufende Forschungsprojekt Covid-Heim.
1.2 COVID-19 und Hochbetagte
Das neuartige Coronavirus trat das erste Mal im Dezember 2019 in Wuhan (China) in Erscheinung (Buonsenso et al.
2020), die dadurch ausgelöste Erkrankung wurde nach Identifizierung des Erregers von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als COVID-19 (Coronavirus-Krankheit-2019) bezeichnet (Asim et al.
2020). Zu den häufigsten Symptomen zählen Husten (40 %), Fieber (27 %), Schnupfen (29 %) sowie eine Störung des Geruchs- und/oder Geschmackssinns (22 %). Bei etwa 1 % der Fälle entwickelt sich im Verlauf der Erkrankung eine Pneumonie (RKI
2021a). Eine Ansteckung mit dem Virus findet hauptsächlich durch respiratorische Aufnahme von virushaltigen Aerosolen in der Luft durch beispielsweise Husten, Niesen, Sprechen oder auch Singen statt (RKI
2021a). Nachdem sich das Virus von China aus in hohem Tempo im Rest der Welt verbreitete, erklärte die WHO am 11. März 2020 den weltweiten Ausbruch von COVID-19 offiziell zur Pandemie (Cucinotta und Vanelli
2020). Zu diesem Zeitpunkt gab es in Deutschland 1.567 laborbestätigte SARS-CoV-2-Fälle sowie drei Todesfälle, die mit dem Virus assoziiert waren (RKI
2020a). Kurze Zeit später trat der erste „Lockdown“ in Kraft, um einen weiteren exponentiellen Anstieg der Infektionszahlen zu unterbinden.
Seit Beginn der Pandemie haben sich in Deutschland mehr als 2,5 Mio. Menschen infiziert, rund 75.000 sind mit oder an COVID-19 verstorben (Stand 20.03.2021; RKI
2021b). Hospitalisiert werden gemäß deutschem Meldesystem ca. 10 % aller Infizierten (RKI
2021a). Der Fall-Verstorbenen-Anteil
oder CFR (engl. case fatality rate) liegt für Menschen bis 50 Jahre bei 0,1 % und nimmt mit dem Alter der Infizierten sukzessive zu, sodass dieser für Infizierte ab einem Alter von 80 Jahren bei über 10 % liegt (RKI
2021a). Bereits für die erste COVID-Welle konnte mit Hilfe von AOK-Abrechnungsdaten aus dem Zeitraum 26. Februar bis 19. April 2020 mit insgesamt 10.021 hospitalisierten COVID-19-Patientinnen und Patienten gezeigt werden, dass besonders hochbetagte Menschen ein erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen Verlauf einer COVID-19-Erkrankung aufweisen (Karagiannidis et al.
2020). Die hospitalisierten Patienten in diesem Zeitraum waren im Durchschnitt 68,3 Jahre alt. Insgesamt wurden 17 % der Infizierten in Kliniken maschinell beatmet. Die Sterberate
bei beatmeten Patienten in der Alterskohorte ab 80 Jahren lag bei 72 %. Insgesamt verstarben ca. 22 % aller Patienten, die in der ersten Welle mit oder aufgrund einer COVID-19-Infektion in einer Klinik behandelt wurden. Die erhöhte Vulnerabilität der hochbetagten Menschen gegenüber COVID-19 geht unter anderem auf Veränderungen des Immunsystems im Alter und deren häufige Multimorbidität
zurück (Mueller et al.
2020; Iaccarino et al.
2020). Assoziiert sind nach einem aktuellen systematischen Review des RKI u. a. folgende Risikofaktoren
für einen schweren Krankheitsverlauf mit dem Endpunkt Mortalität: Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Arrhythmie, Vorhofflimmern, Herzinsuffizienz, Koronare Herzkrankheit (KHK)), Diabetes mellitus, Übergewicht, chronische Nierenerkrankungen, schwere chronische Lungenerkrankungen (z. B. COPD), Demenz sowie Krebs- und Immunerkrankungen (RKI
2021c).
Nur für rund 213.000 Fälle (d. h. für insgesamt 8 % des Infektionsgeschehens) sind in den Meldedaten des RKI Informationen enthalten, ob die Betroffenen in einer im Sinne des Infektionsschutzgesetzes relevanten Einrichtung betreut oder untergebracht sind. Lediglich 120.000 der entsprechenden gemeldeten Fälle beziehen sich auf Einrichtungen im Sinne des § 36 IfSG, d. h. Pflegeeinrichtungen, Obdachlosenunterkünfte, Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylsuchenden, sonstige Massenunterkünfte und Justizvollzugsanstalten. Eine Differenzierung nach Einrichtungsart ist wiederum nur für rund 70.000 Fällen erfolgt, 64.000 Fälle wurden aus Pflegeheimen gemeldet. Der Anteil verstorbener Bewohnender wird mit 18 % ausgewiesen (Stand 20.03.2021; RKI
2021b). Deutlich wird, dass dies lediglich den Mindestanteil darstellt, da es derzeit kein dezidiertes System zur Erfassung von COVID-19-Infektionen und -Todesfällen in Altenpflegeheimen gibt.
Neben der Bedrohung durch COVID-19 selbst wurde auch vor sekundären Folgen des „Lockdown
“ für die hochbetagte Klientel in den Pflegeheimen gewarnt (Schrappe et al.
2020b). Soziale Deprivation und damit einhergehende Isolations- und Einsamkeitsgefühle
sowie die sich verändernden Versorgungsroutinen (z. B. das Tragen von Schutzausrüstung durch das Pflegepersonal) können sowohl psychische als auch physische Folgen haben, denn Sozialbeziehungen sowie ein regelmäßiger sozialer Austausch sind bedeutsam für das subjektive Wohlergehen und wirken präventiv gegenüber depressiven Symptomatiken älterer Menschen (Holt-Lunstad et al.
2010). Studien weisen diesbezüglich auf einen erhöhten Grad an Teilnahmslosigkeit, Agitiertheit und Ängsten während der COVID-19-Pandemie bei Hochbetagten mit Demenz hin, was durch Besuchseinschränkungen
und die Einschränkung des Kontakts zum Pflegepersonal in den Altenheimen ausgelöst wird (Simonetti et al.
2020, Panagiotou et al.
2021). Darüber hinaus ist bisher wenig bekannt über die gesundheitlichen Sekundärfolgen der Pandemie bei Pflegeheimbewohnenden, die aus den Lockdown-bedingten veränderten Versorgungsangeboten resultieren. Mostert et al. (
2021) zeigen auf, dass während der ersten COVID-Welle – und abgeschwächt auch in der zweiten – bezogen auf die Gesamtbevölkerung ein deutlicher Rückgang der Krankenhausaufnahmen zu beobachten war. Das Leistungsspektrum hat sich hin zu operativen Fälle verschoben und auf Fälle mit höherer Schwere konzentriert. Dabei zeigen sich aber auch Fallzahleinbrüche bei Notfallindikationen wie Herzinfarkt und Schlaganfall oder auch bei Krebsoperationen. Drogan et al. (
2020) belegen beispielsweise für den Schlaganfall, dass während der ersten COVID-Welle neben einer deutlichen Fallzahlreduktion
im Krankenhaus eine signifikant erhöhte 30-Tage-Sterblichkeit und auch eine absolute Erhöhung der Sterblichkeit
zu beobachten war. Es besteht aus Sicht von Mostert et al. (
2021) umfänglicher Forschungsbedarf zu den Auswirkungen der pandemiebedingten Veränderungen des Leistungsspektrums auf die gesundheitliche Versorgung und grundsätzlich zu der Frage, inwieweit die Veränderungen eine Fokussierung auf das originär behandlungsbedürftige Kerngeschäft bedeuten, d. h. Rückgänge dadurch erklärt werden können, dass nicht zwingend stationär behandlungsbedürftige Fälle nicht in Krankenhäuser aufgenommen wurden. Auch für die Inanspruchnahme vertragsärztlicher und vertragspsychotherapeutischer Leistungen bezogen auf die Gesamtbevölkerung ist über alle Facharztgruppen hinweg ein deutlicher Rückgang der Behandlungsfälle zu beobachten (Mangiapane et al.
2021).
Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse wird im Folgenden neben der allgemeinen Sterblichkeit der Pflegeheimbewohnenden während der ersten Welle die COVID-assoziierte Sterblichkeit im Krankenhaus, aber auch die generelle Krankenhausversorgung der Heimbewohnenden untersucht.
1.4 Diskussion und Ausblick
Schon vor der Pandemie zeigten sich deutliche Defizite hinsichtlich des Zusammenlebens so vieler hochbetagter, meist schwer kranker Menschen: Die Personaldecke in der Pflege ist viel zu dünn (Rothgang et al.
2020), die Qualifikation des Personals ist angesichts der Krankheitslage nicht mehr adäquat (vgl. Stemmer in diesem Band), die Patientensicherheitskonzepte sind unzureichend (Hölscher et al.
2014) und die fachärztliche Betreuung ist für die meisten Fachgruppen unterproportional (Schulz et al.
2020).
Die Corona-Krise deckt diese Schwächen des stationären Pflegesystems auf Kosten der Pflegebedürftigen, ihrer Angehörigen und des pflegerischen Personals nun konsequent auf. Dieser Beitrag legt erste Befunde aus dem Kontext des durch den GKV-Spitzenverband geförderten Forschungsprojekts Covid-Heim vor, das die Charité – Universitätsmedizin Berlin in Kooperation mit dem Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) durchführt. Er beschränkt sich dabei auf die Situation der Pflegebedürftigen im Heim in der ersten Pandemiewelle von März bis Mai 2020 mit Ergebnissen zur allgemeinen Sterblichkeit sowie zur Sterblichkeit bei im Krankenhaus behandelter COVID-Erkrankung und auf Befunde zu den Veränderungen in der Krankenhausbehandlung von Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohnern. Die Fakten zusammengefasst: Die Sterblichkeit von vollstationär Pflegebedürftigen vor der ersten Corona-Welle des Jahres 2020 war geringer als in den Vorjahren 2015, 2017 und 2018 mit ihren ausgeprägten Grippewellen, jedoch wendete sich das Blatt mit der 14. Kalenderwoche 2020. Bereits drei Wochen nach dem Start des Lockdowns am 16. März lag der Anteil der Verstorbenen in den Heimen verglichen zum Mittel der Vorjahre um 20 % höher. Und jeder fünfte COVID-bedingte Krankenhausaufenthalt und fast jeder dritte COVID-Todesfall im Krankenhaus entfiel auf eine vollstationär versorgte pflegebedürftige Person. Die Ergebnisse zum massiven Rückgang der Krankenhausaufnahmen von Pflegebedürftigen aus den Heimen um rund ein Drittel zwischen der 10. und 12. Kalenderwoche des Jahres 2020 könnten auf eine mögliche gesundheitliche Unterversorgung der Pflegeheimbewohnenden in der Periode des ersten Lockdowns hindeuten.
Als Fazit dieser nachgewiesenen Problemfelder ergeben sich Ableitungen sowohl für künftigen Forschungsbedarf als auch für erste Handlungsbereiche. Deutlich wird mit der schnell steigenden Mortalität und den hohen Zahlen an verstorbenen Heimbewohnerinnen und -bewohnern, dass die direkten gesundheitlichen Auswirkungen auf die hochbetagte Klientel bereits in der Anfangsphase der Pandemie massiv waren (vgl. RKI
2021d). Noch gibt es Evidenzlücken, welchen Komorbiditäten und deren Zusammenspiel im Setting Pflegeheim welche Bedeutung zukommt, wenn es darum geht, den Tod der an COVID-19 erkrankten Heimbewohnenden zu erklären. Auch muss erforscht werden, ob und wie der Personalmangel
, die psychische und physische Erschöpfung des Pflegepersonals und das eigene Krankheits- und Infektionsgeschehen beim Pflegepersonal zur Krisensituation in den Heimen beigetragen hat (vgl. Covid-Heim/1. Report
2021). Klar wird angesichts der Fakten ebenso, dass der Infektionsschutz für die pflegebedürftige Gruppe der im Heim Lebenden in der ersten Phase der Pandemie nicht ausreichte, um diese vor massenhaften Ansteckungen und der hohen Mortalität zu schützen (vgl. Schrappe et al.
2020a). Dringend muss nun untersucht werden, inwiefern die verbesserte Hygiene- und Schutzsituation (Masken, Schutzkleidung für Pflegende und Angehörige, Tests, Umbauten in den Heimen z. B. mit Plexiglaswänden, später: Impfen) während der zweiten Pandemiewelle ein Baustein der Infektionsprävention darstellte und welche dieser Schutzmaßnahmen zur Standardausstattung aller Heime zur Vermeidung von Infektionen bei künftig auftretenden viralen Gefährdungen gehören müssen.
Was auf keinen Fall noch einmal zur Gefährdungsvermeidung herangezogen werden darf, ist die generelle Isolierung alter Frauen und Männer von der Außenwelt und von ihren Angehörigen. Untersucht werden muss, wie Isolation, Kontaktsperren zu Angehörigen und die Einschränkung der Bewegungsfreiheit das Leben der Bewohnerinnen und Bewohner beeinflussten und welche technischen, baulichen, rechtlichen und personellen Veränderungen und Ressourcen benötigt werden, um zu vermeiden, dass sich eine solche Situation wiederholt. Noch fehlt es zudem an Evidenz zu den Langzeitwirkungen solcher Maßnahmen auf Gesundheit und Wohlbefinden der betagten Frauen und Männer im weiteren Lebensverlauf.
Weitere Forschungsfragen ergeben sich aus den oben dargestellten Ergebnissen zu den veränderten Krankenhausaufnahmen sowie dem Rückgang der Behandlungsfälle von Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohnern im Krankenhaus in der ersten Welle der Pandemie. Übernahm das ambulante Versorgungssystem Behandlungen, die vorher stationär versorgt wurden? Wurden möglicherweise unnötige Krankenhauseinweisungen vermieden? Wurden eigentlich notwendige Behandlungen im Krankenhaus aus Sorge vor einer Infizierung nicht durchgeführt? Dies alles sind Forschungsfragen, die nicht nur generell, sondern auch konkret für die Situation der Pflegebedürftigen in der stationären Langzeitversorgung gestellt werden müssen.
Es sind die oben genannten Fragen, die im Rahmen des Projekts Covid-Heim in den kommenden Monaten weiter untersucht werden mit dem Ziel, die Situation der Heimbewohnerinnen und -bewohner, ihrer Angehörigen und der Pflegekräfte möglichst umfassend zu beschreiben, um so eine belastbare Evidenz für Veränderungen im Versorgungssetting der stationären Langzeitpflege zu erhalten.
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