Auch wenn die Ausbildungszahlen in der Pflege steigen – die Qualität der Ausbildung lässt zu wünschen übrig. Die Mehrheit der Auszubildenden sind laut einer Befragung unzufrieden und belastet. Vor allem die Praxisanleitung erhält schlechte Noten.
Viele Pflegeauszubildende werden nicht hinreichend an ihre beruflichen Aufgaben herangeführt.
Im Jahr 2021 haben laut Statistischem Bundesamt 5% mehr Menschen eine Pflegeausbildung begonnen als im Vorjahr. Ob es gelingt, diese auch langfristig im Beruf zu halten, steht auf einem anderen Blatt. Denn: Weniger als 43% der Fachkräfte von morgen sind mit ihrer Ausbildung zufrieden. Das geht aus dem „Ausbildungsreport Pflegeberufe 2021“ der Gewerkschaft Verdi hervor.
„Das ist ein Alarmsignal und deutlich schlechter als in anderen Berufen“, kommentierte Sylvia Bühler vom Verdi-Bundesvorstand am Donnerstag die Befragungsergebnisse.
Für den Report hatte die Gewerkschaft von Mai bis November 2021 mehr als 3.000 Auszubildende und Studierende zur Ausbildungsqualität und Zufriedenheit mit ihrer Ausbildung befragt. Knapp die Hälfte der Befragten absolviert bereits eine Ausbildung nach dem neuen Pflegeberufegesetz.
Überlastung und Zeitdruck
Der Verdi-Report legt auch die Ursachen der Unzufriedenheit offen und zeigt, wie sehr sich der chronische Personalmangel auch auf die Auszubildenden auswirkt: So fühlt sich fast die Hälfte der Befragten häufig oder immer durch die Ausbildungsbedingungen belastet. Viele klagen über hohen Zeitdruck (62 %), mangelnde Vereinbarung von Berufs- und Privatleben (48 %) sowie fehlende Pausen (43 %). Über 58 % haben immer oder häufig Probleme, sich in ihrer Freizeit zu erholen – eine Verdoppelung gegenüber der letzten Befragung im Jahr 2015.
Bühler sieht in diesen Ergebnissen einen deutlichen Hinweis auf die hohe Belastung bereits während der Pflegeausbildung: „Kein Wunder, dass viele die Ausbildung abbrechen oder kurz nach ihrem Abschluss das Weite suchen.“ Um den eklatanten Fachkräftemangel in der Pflege zu bekämpfen, bräuchte es dringend bessere Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen.
Praxisanleitung kommt deutlich zu kurz
Mängel zeigen sich laut Befragung insbesondere in der Praxisanleitung: Über 43 % der Auszubildenden geben an, selten oder nie von Praxisanleiter*innen an ihre beruflichen Aufgaben herangeführt zu werden. In der Altenpflege sind es sogar fast zwei Drittel. Der im Pflegeberufegesetz festgeschriebene Anteil von 10% geplanter und strukturierter Anleitung wird in den Praxiseinsätzen häufig nicht umgesetzt. Bei 55 % der Auszubildenden existiert die Vorgabe „nur auf dem Papier“.
Hanna Stellwag vom Bereich Berufspolitik/Jugend bei Verdi betonte: „Eine gute und strukturierte Anleitung ist entscheidend, um Überforderung zu vermeiden und eine qualifizierte Ausbildung zu gewährleisten.“ Die Einhaltung der vorgeschriebenen Praxisanleitung müsse daher unbedingt kontrolliert werden. Im täglichen Lernprozess brauche es situativ ebenfalls Anleitung.
Stellschraube Ausbildung
Um die praktische Ausbildung zu verbessern fordert die Gewerkschaft, den Anteil der Praxisanleitung auf mindestens 20% zu erhöhen. Dafür brauche es ausreichend viele Praxisanleiter*innen, die für diese Aufgaben freigestellt werden. Zudem müsse die Zahl der Lehrkräfte an den Pflegeschulen steigen.
Die gestiegenen Ausbildungszahlen in der Pflege wertete Silvia Bühler als Zeichen für die Attraktivität der Pflegeausbildung: Ganz offensichtlich wollten viele junge Menschen in ihrem Berufsleben "etwas Sinnstiftendes tun", das anderen hilft. Dies sei ermutigend.
Umso wichtiger ist es aus Sicht der Gewerkschafterin, diese durch gute Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen auch langfristig in den Pflegeberufen zu halten: „Wenn viele junge Menschen nachkommen und die erfahrenen gehalten werden können, kann der Teufelskreis aus Überlastung, Berufsflucht und weiter steigender Belastung durchbrochen werden.“ (ne)