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21.11.2019 | Bildung | Nachrichten

Pflege braucht mehr Akademiker!

verfasst von: Christiane Badenberg

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Die Bertelsmann-Stiftung hat von der Prognos AG eine Studie zur Zukunft der Langzeitpflege erstellen lassen. Ein Ergebnis: Deutschland braucht mehr Pflegeakademiker.

Patient © drubig-photo / stock.adobe.comEine Pflegekraft bei einem Patienten: Nach Berechnungen der Bertelsmann-Stiftung wären die finanziellen Auswirkungen von mehr akademisch ausgebildeten Fachkräften in der Pflege überschaubar.

Nach der Krankenhaus-Studie, die im Juli dieses Jahres für viel Wirbel gesorgt hat, nimmt die Bertelsmann-Stiftung nun die Zukunft der Langzeitpflege in Deutschland unter die Lupe. Dabei kommen die Experten zu zwei wesentlichen Ergebnissen: Die Pflege braucht mehr Akademiker und muss anders finanziert werden.

Laut Bertelsmann-Stiftung ist der Anteil der Fachkräfte in der Langzeitpflege zwischen 2007 und 2017 kontinuierlich zurückgegangen. Bei den ambulanten Diensten sei er von 59 auf 50 Prozent gesunken, in den stationären Einrichtungen von 39 auf 35 Prozent.

Parallel zu dieser Entwicklung ist die Zahl der Pflegebedürftigen, die einer Fachkraft gegenüberstehen im stationären Sektor von 4,0 auf 4,3 und im ambulanten Bereich von 6,5 auf 7,3 gestiegen.

Das bedeute eine Deprofessionalisierung der Versorgung und stehe im Widerspruch zu den steigenden Anforderungen und sich wandelnden Aufgaben in der Langzeitpflege, heißt es in der Studie.

Anforderungen ändern sich

So liege die durchschnittliche Verweildauer in einem Pflegeheim mittlerweile nur noch bei etwa zwei Jahren. Fast jeder Fünfte sterbe bereits innerhalb eines Monats, nachdem er ins Pflegeheim gekommen sei.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes liege die Zahl der Heimbewohner, die an Demenz litten und deren Alltagskompetenz dadurch erheblich eingeschränkt sei, mittlerweile bei über 70 Prozent – Tendenz steigend. Das gelte ebenso für die ambulante Pflege.

„Nicht nur die Sterbebegleitung wird dadurch immer wichtiger, auch die Anforderungen an die psychosoziale, gerontopsychiatrische und medizinisch-pflegerische Versorgung steigen“, heißt es.

Die Berufsprofile seien aber bisher nicht hinreichend an den sich wandelnden Versorgungsbedarf angepasst worden. Erfahrungen im In- und Ausland zeigten aber, dass die Pflege einen neuen Qualifikationsmix brauche.

Plädoyer für Personalmix

Die Experten, die im Zuge der Untersuchung befragt wurden, empfehlen ein gestuftes Qualifikationsmodell. Neben der klassischen dreijährigen Ausbildung zur Pflegefachkraft und der ein- oder zweijährigen Ausbildung zu Pflegehelfern, sollte es auch akademisch ausgebildete Kräfte mit Bachelor- oder Masterabschluss geben.

Mit einem solchen Personalmix würden die Pflegeberufe aufgewertet und erweiterte Aufgaben übernehmen können. Neben wissenschaftsorientierten Kompetenzen fördere eine Hochschulausbildung vor allem Fähigkeiten der Reflexion und der effektiven Kommunikation, so die Studienautoren. Das qualifiziere nicht nur für Steuerungsaufgaben, sondern schlage sich auch positiv in der direkten Pflege nieder.

Internationale Studien zeigten, dass mit einer höheren Qualifikation der Pflegekräfte und einem intelligenten Fachkräftemix die Qualität der Pflege verbessert werden könne.

Das Pflegeberufegesetz schaffe den notwendigen rechtlichen Rahmen, um ab dem kommenden Jahr auch in Deutschland eine hochschulische Pflegeerstausbildung zu ermöglichen. Jetzt müsse der systematische Auf- und Ausbau von grundständigen Pflegestudiengängen an Hochschulen und Universitäten folgen. Dies am besten unter Einbindung der Praxis.

Mit mehr Hochschulabsolventen in der Pflegepraxis hoffe man, auch zusätzliche Fachkräfte für die Langzeitpflege finden zu können, so die Studienautoren.

Mehrkosten seien überschaubar

Nach Berechnungen der Bertelsmann-Stiftung wären die finanziellen Auswirkungen von mehr akademisch ausgebildeten Fachkräften in der Pflege überschaubar. Würde die Hälfte der heutigen Pflegefachkräfte akademisch ausgebildet und würden zehn Prozent besser bezahlt, wären die Personalkosten in den Pflegeheimen rechnerisch um etwa 2,7 Prozent höher. Das seien auf der Basis von 2017 rund eine Milliarde Euro mehr.

Die Mehraufwendungen für die zu erwartenden und politisch gewollten Lohnsteigerungen bei den Pflegeberufen dürften nach Einschätzung der Experten deutlich höher ausfallen.

Auf der anderen Seite stünden Einsparmöglichkeiten zum Beispiel in der ambulanten Pflege von etwa 20 Prozent durch Teambildungen nach dem niederländischen Buurtzorg-Ansatz. Das zeigten Studien aus dem Nachbarland.

Auf Deutschland bezogen wären das laut Bertelsmann-Stiftung bis zu 1,2 Milliarden Euro, bezogen auf die sechs Milliarden Euro, die von der Pflegeversicherung 2017 für die ambulante Pflege ausgegeben worden seien. Buurtzorg ist ein in den Niederlanden praktiziertes ambulantes Pflegesystem, in dem Teams mit maximal zwölf hoch qualifizierten Pflegekräften ihre Arbeit selbstständig organisieren.

Leitungskräfte gibt es nicht. Jedes Team ist für 50 bis 60 Patienten verantwortlich, jedes Teammitglied für vier bis fünf Personen.

Mehr Generationengerechtigkeit

Damit die Belastungen der Pflegekosten generationengerechter verteilt werden, schlägt die Bertelsmann-Stiftung vor erwartete Beitragssatzerhöhungen für den Ausbau des bereits bestehenden Pflegevorsorgefonds vorzuziehen, um weitere Beitragssteigerungen auf mittlere Sicht zu vermeiden. Zudem solle ein dynamischer Steuerzuschuss aus Bundesmitteln eingeführt werden, um die Beitragssteigerungen abzumildern.

Die Einführung eines Zuschusses aus Steuermitteln würde neben der Entlastung der Beitragszahler auch dazu führen, dass Besserverdienende oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze mit herangezogen würden. Diese seien heute oft privat versichert und somit dem Solidarausgleich der sozialen Pflegeversicherung entzogen, heißt es.