Skip to main content

Open Access 13.06.2023 | Konzepte - Stellungnahmen - Perspektiven

Fürther Gespräche: Expertenforum für den Rettungsdienst mit Forderungen an Politik und Gesellschaft

verfasst von: Klaus Meyer, Prof. Dr. Harald Dormann, Prof. Dr. habil. Thomas Prescher

Erschienen in: Notfall + Rettungsmedizin

Zusammenfassung

Die rettungsdienstliche Versorgung, die Rettungsfachkräfteausbildung und die rechtlichen Vorraussetzungen in Deutschland bieten aktuell keine guten Rahmenbedingungen für die Zukunft. Ein Expertenforum mit deutschlandweiten Akteuren aus Wissenschaft, Bildung und Rettungsdienst diskutierten im Rahmen der Fürther Gespräche die Herausforderungen der Professionalisierung und der Kompetenzentwicklung des Rettungsdienstes und der präklinischen Versorgung in Deutschland. Die zentralen Ergebnisse und Schwerpunktthemen wurden in 7 Thesen zusammengefasst und konkrete Lösungsansätze entwickelt. Das Spannungsfeld umfasst hierbei die Anforderungen und Versorgungsbedarfe, die Prävention und erweiterte Versorgungskomponenten, die Digitalisierungsstrategie, integrierte Leitstellen und vernetzte Gesundheitsdienstleistungen, Personalentwicklung und -bindung sowie Qualifikationsniveaus und Notarztqualifikation.
Hinweise
QR-Code scannen & Beitrag online lesen
Beteiligte Experten
Klaus Meyer: Institut für notfallmedizinische Bildung, Geschäftsführer und Direktor, und Arbeitsgemeinschaft Notfallmedizin Fürth e. V., Vorsitzender des Vorstands
Prof. Dr. med. Harald Dormann: Institut für notfallmedizinische Bildung, Wissenschaftlicher Direktor, und Klinikum Fürth, Chefarzt der Zentralen Notaufnahme, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin DGINA e. V.
Prof. Dr.-Ing. Sascha Müller-Feuerstein: Institut für notfallmedizinische Bildung, Wissenschaftlicher Direktor und Präsident der Hochschule Ansbach
Prof. Dr. habil. Thomas Prescher: Institut für notfallmedizinische Bildung, Fachbereichsleiter Pädagogik, und FH Münster, Professur für Didaktik in den Gesundheitsberufen
Univ.-Prof. Dr. med. Bernd W. Böttiger: Universitätsklinikum Köln, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Vorstandsvorsitzender German Resuscitation Council (GRC)
Roland Engehausen: BKG Bayerische Krankenhausgesellschaft, Geschäftsführer
Kersten Enke: Leiter der Johanniter-Akademie Niedersachen/Bremen
Frank Flake: DBRD Deutscher Berufsverband Rettungsdienst e. V., 2. Vorsitzender DBRD
Marc Gistrichovsky: Stadt Nürnberg – Feuerwehr, Abteilungsleiter Integrierte Leitstelle, Fachverband Leitstellen e. V., stv. Vorsitzender
Bernhard Gliwitzky, FERC: Geschäftsführender Gesellschafter MegaMed GbR, Maikammer, Geschäftsführer GRC Akademie GmbH, Bellheim und 2. Sprecher der Sektion Notfall und Katastrophenmedizin der DIVI
Dr. med. Philipp Gotthardt: Institut für notfallmedizinische Bildung, Fachbereichsleiter Patientensicherheit und -simulation
Johannes Gottschalk: Bayerisches Rotes Kreuz, Kreisverband Regensburg, Referatsleiter Bildung
Sebastian Habicht: Institut für notfallmedizinische Bildung, Fachbereichsleiter Rettungswesen und Arbeitsgemeinschaft Notfallmedizin Fürth e. V., Bereichsleiter Bildung
Dominik Hahnen: Malteser Bildungszentrum Euregio, stv. Leiter des Malteser Bildungszentrum Euregio, pädagogischer Leiter und Schulleiter
Thomas Hofmann: DGRe – Deutsche Gesellschaft für Rettungswissenschaften e. V., 1. Vorsitzender
Mike Höll: Rettungsdienstschule Saar gGmbH, Schulleiter
Claus Kemp: Malteser Hilfsdienst gGmbH Bildungszentrum HRS, Bezirksgeschäftsführer
Prof. Dr. Sebastian Koch: SRH Hochschule für Gesundheit GmbH, Professor im Studiengang Medizin- und Gesundheitspädagogik
Rico Kuhnke: DRK Landesschule Baden-Württemberg, Gesamtschulleiter
Sebastian Lange: Bayerisches Rotes Kreuz, Abteilungsleiter Rettungsdienst
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Lechleuthner: Bundesverband der Ärztlichen Leiter Rettungsdienst Deutschland e. V., Vorsitzender
Josef Pemmerl: Malteser Rettungsdienst gGmbH Landesgeschäftsstelle Bayern, Leiter Rettungsdienst Bayern
Helge Regener: SIRMED Schweizer Institut für Rettungsmedizin AG, Geschäftsführer
Prof. Dr. Klaus Runggaldier: MSH Medical School Hamburg University of Applied Sciences and Medical University, Dekan Fakultät Gesundheitswissenschaften
Henning Sander: Rettungsdienst-Kooperation in Schleswig-Holstein (RKiSH) gGmbH, Schulleiter
Dr. med. Thomas Schlechtriemen: Ärztlicher Leiter Rettungsdienst Saarland
Prof. Dr. habil. Clemens Werkmeister: Vizepräsident SRH Wilhelm Löhe Hochschule Fürth

Ausgangslage

Der Rettungsdienst ist ein wichtiger Anker der notfallmedizinischen Versorgungskette und somit auch unserer Gesellschaft. Er leidet aktuell, wie andere Versorgungsstrukturen auch, unter den ungünstigen Rahmenbedingungen unseres Gesundheitssystems und den Veränderungen in unserer Gesellschaft. Das Gesamtsystem ist komplex und die Herausforderungen an den Rettungsdienst nehmen stetig zu.
Infobox Wiederkehrende Schlagworte
Der Rettungsdienst ist im Ausnahmezustand!
Der Rettungsdienst kollabiert!
Der Rettungsdienst bricht zusammen!
Der Rettungsdienst ist überlastet!
Die Praxis spricht eine klare Sprache, die wir als deutliches Warnsignal und „Hilferuf“ sehen (Infobox). Den Rettungsdienst attraktiv, leistungsfähig und effizient zu entwickeln, bedarf es enormer Anstrengungen und vor allem klarer Ziele. Die Fürther Gespräche bieten eine Plattform, auf der Ideen, Konzepte und Realisierungsmöglichkeiten durch ExpertInnen diskutiert und in zukunftsweisenden Thesen zusammengefasst werden.

Ziel der Fürther Gespräche

Das Institut für notfallmedizinische Bildung – Rettungswesen, Medizin und Pflege, Patientensicherheit und Gefahrenabwehr möchte durch seine Initiative gemeinsam mit den beteiligten ExpertInnen einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung leisten und die Kompetenzentwicklung von morgen nachhaltig verändern. Innovative Schritte und Entwicklungen nach vorne sind wichtig. Innovation braucht dafür Austausch und Diskurs.
Bei den Fürther Gesprächen zur „Theorie und Praxis präklinischer Kompetenzentwicklung“ sind dafür Akteure zusammengekommen, die aktuelle Anforderungskonflikte im Alltag außerklinischer Versorgung, in der beruflichen Qualifizierung und im Lernen als System innerhalb der Gesundheitsversorgung erkennen, benennen und dafür Lösungsansätze entwickeln. Mithilfe dieser Erkenntnisse sollen der Status Quo sowie Entwicklungsbedarfe, aber auch Chancen innerhalb des außerklinischen Systems der Notfallversorgung inklusive seiner Schnittstellenpartner sichtbar gemacht werden. Zusammengefasst in 7 Thesen können damit den Verantwortlichen in Politik und Gesundheitswesen Orientierungspunkte benannt werden, auf die sich die teilnehmenden ExpertInnen konzertiert haben.
Dazu trägt die Leitfrage bei:
Wie kann eine auf allen Ebenen professionelle und kompetente prä- und außerklinische Notfallversorgung sichergestellt werden?
Die Politik hat den dafür erforderlichen Reformbedarf schon länger im Blick, wie es die „Vierte Stellungnahme und Empfehlung der Regierungskommission für eine Reform der Notfall- und Akutversorgung in Deutschland“ [4] oder das Expertenteam der Universität Maastricht zur „Notfallversorgung & Rettungsdienst in Deutschland“ [3] zum Ausdruck bringen. Unser Anliegen ist es, diesen Empfehlungen und Einschätzungen eine Präzisierung mit einer deutlich pädagogischen Akzentsetzung an die Seite zu stellen. Dazu trägt der Blick auf das System der Notfallversorgung in seinem lernenden Charakter und seiner Systemveränderung bei.

Zentrales Ergebnis und Schwerpunktthemen

Die ExpertInnen haben sich auf Themen fokussiert, von denen ein besonderer Impact auf die aktuelle Situation im Rettungsdienst erwartet wird. Die 7 Thesen greifen dabei wie ein Zahnrad ineinander und beinhalten Überschneidungsbereiche (Abb. 1). Sie repräsentieren damit die Komplexität des Systems.
Als Resümee der 7 Thesen wurde im Rahmen der Fürther Gespräche die zentrale Schlussfolgerung formuliert, dass die beteiligten Akteure einen „Aktionsplan Rettungsdienst“ von der Bundesregierung fordern. Mit diesem Aktionsplan könnten konkrete Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene formuliert werden, die dem komplexen System angemessen sind und das Potenzial haben, Entwicklungs- und Qualifizierungsprojekte zwischen den Trägern des Rettungsdiensts, den durchführenden Organisationen und den klinischen sowie präklinischen Schnittstellenpartnern nachhaltig voranzubringen.

These 1 Anforderungen und Versorgungsbedarfe

Die Berufe des Rettungsdiensts sind an die aktuellen Anforderungen der Patientenversorgung anzupassen. Mit einer kontinuierlichen Analyse beruflicher Handlungsfelder sowie der Analyse möglicher Versorgungs- und Systemstrukturen sind die Versorgungsbedarfe im Rahmen konkreter Forschungsprojekte mit Hochschulen und den Organisationen des Rettungsdiensts zu ermitteln und bedarfsgerecht zu decken. Qualifikationen sind an Versorgungsbedarfe anzupassen.
Lösungsansätze:
Der Rettungsdienst ist in seiner Entwicklung eher starr geblieben und hat sich nicht mit den gesellschaftlichen Veränderungen weiterentwickelt. So entsprechen z. B. die Ausbildungsinhalte der zugeordneten Berufsbilder nicht der in der Realität abgeforderten Leistung. Die gesellschaftlichen Erwartungen an die präklinische Notfallversorgung haben sich verändert, sodass das Versorgungsangebot aktuell nicht bedarfsgerecht umgesetzt werden kann.
Konkrete systemische und konzeptionelle Veränderungen in der außerklinischen Notfallversorgung, benötigen die Analyse von unmittelbaren Versorgungsbedarfen in der Bevölkerung. Regelmäßige Berufsfeldanalysen sind dazu das Instrument, um ein valides Bild der aktuellen Versorgungssituation zu gewinnen. Dies schließt ein erweitertes Verständnis außerklinischer Versorgungskonzepte und -systeme ein, um den Rettungsdienst und die Berufe des Rettungsdiensts an die aktuellen Anforderungen der Patientenversorgung anzupassen. Ergänzende und erweiterte Versorgungssysteme sind im Rahmen von Pilotprojekten zu entwickeln und deren Wirksamkeit zu evaluieren. Es ist hervorzuheben, dass der Rettungsdienst aktuell gezwungenermaßen Aufgaben anderer Versorgungskomponenten übernimmt, wie z. B. der hausärztlichen Versorgung oder der Sozialdienste. Hier muss dringend geklärt werden, wer sich diesen Tätigkeiten im außerklinischen Versorgungssystem zukünftig widmet und wie diese konzeptionell berücksichtigt werden.
Sich ergebende Anpassungen an die Professionalisierung und Kompetenzentwicklung sind im Rahmen der Betrachtung der curricularen Rahmenbedingungen für die Ausbildung und Fachweiterbildung von RettungsdienstmitarbeiterInnen einschließlich der NotärztInnen zu berücksichtigen (vgl. These 6; 7).

Lösungsansätze zusammengefasst

  • Ermittlung von unmittelbaren Versorgungsbedarfen in der Bevölkerung durch Berufsfeldanalysen.
  • Entwicklung eines erweiterten Verständnisses außerklinischer Versorgungskonzepte und -systeme zur Anpassung des Rettungsdiensts an die aktuellen Anforderungen der Patientenversorgung.
  • Pilotprojekte für ergänzende und erweiterte Versorgungssysteme sowie deren Evaluation.
  • Anpassung der Berufe des Rettungsdiensts und der dafür notwendigen curricularen Grundlagen zur Qualifizierung an die aktuellen Anforderungen der Patientenversorgung in einem Zeitfenster von jeweils 5 Jahren.

These 2: Prävention und erweiterte Versorgungskomponenten

Die Prävention als Versorgungsparadigma im Rettungsdienst lässt sich als systemstabilisierendes Merkmal identifizieren. Der reaktive Grundcharakter des Rettungsdiensts muss um aufsuchende und systemergänzende Versorgungskomponenten erweitert werden, um ein auf die Anforderungen angepasstes Versorgungsangebot zu etablieren und den Ressourceneinsatz zu spezifizieren. Die Versorgungs- und Strukturbedarfe sind den beteiligten Akteuren der Gesundheitsversorgung zuzuordnen und Zuständigkeiten eindeutig zu regeln.
Lösungsansätze:
Der Rettungsdienst ist im Grundsatz ein reagierendes System und wird in der Annahme von bestimmten Ereignissen nach dem Paradigma der schnellsten Versorgung nach Eintreffzeit vorgehalten. Die Ergänzung durch aufsuchende Angebote mit präventivem Charakter zur Deckung alternativer außerklinischer Versorgungsbedarfe ermöglicht den effektiveren Einsatz vorhandener Einsatzmittel und könnte dabei helfen, den Circulus vitiosus der ständigen Vorhalteerhöhung zu durchbrechen. Alternative Versorgungssysteme als erweitertes Aufgabenspektrum sind im Rahmen der Analyse beruflicher Handlungsfelder (vgl. These 1) zu identifizieren, zu definieren und strukturell unter Berücksichtigung der Versorgungs- und Patientenbedarfe und des Outcomes auszugestalten. Entsprechende Einsatz- und Aufgabenbereiche, die über eine reine Primär- und Notfallversorgung hinausgehen, lassen sich international in anderen Versorgungssystemen identifizieren und begründen (vgl. [6, S. 3561]). Diese Alternativen sollen Freiräume für den eigentlichen Versorgungsauftrag des Rettungsdiensts schaffen und nicht einfach zusätzliche Aufgaben repräsentieren.
Alternative und präventive Angebote können umfassen:
  • die Identifikation und Adressierung von PatientInnen ohne zeitkritischen Interventionsbedarf mit ergänzenden Systemkomponenten;
  • die proaktive Kontaktaufnahme mit Risikogruppen und z. B. sogenannten „frequent callers“, die aufgrund ihrer persönlichen Situation oftmals einhergehend mit chronischen Erkrankungen, einem hohen Leidensdruck und begleitet von Angststörungen und Depression präventive Angebote benötigen (vgl. [1]).
Diese Angebote können durch den Rettungsdienst (z. B. durch GemeindenotfallsanitäterInnen) oder durch andere Akteure im Gesundheitswesen (z. B. ein Community-nurse-Konzept oder ein Akutpflegeteam) erbracht werden. Ein lokaler Bezug der Dienstleistenden mit der Bevölkerung muss gegeben sein, um der aktuellen Gesamtsituation einer sich weiterhin reduzierenden hausärztlichen Gesundheitsversorgung gerecht werden zu können. Die konkreten Versorgungslücken müssen auf lokaler/regionaler Ebene identifiziert und mit passenden Konzepten bzw. Versorgungskomponenten geschlossen werden. Die Entlassung von PatientInnen aus der klinischen Versorgung muss über das aktuell bereits umgesetzte Entlassmanagement der Kliniken vor allem in der außerklinischen Versorgung konzeptionell und strukturell mitberücksichtigt werden. Eine digitale Vernetzung, transparente Verfügbarkeiten und eine Definition der Zuständigkeiten innerhalb des ambulanten Sektors, z. B. der hausärztlichen Versorgung und der Pflegedienste, muss erfolgen, sodass für die BürgerInnen die weitere Versorgung nach einem Krankenhausaufenthalt klar geregelt und organisiert ist. Das betrifft vor allem die Patientengruppe der chronisch kranken PatientInnen.
Zur bedarfsgerechten Versorgung sind weitere Qualitätsziele zu ermitteln und bei der Auswahl der Systemkomponenten mit einzubeziehen, z. B. durch die Implementierung erweiterter Versorgungskomponenten oder die Implementierung von speziellen Erstversorgungssystemen. Dafür sind zentrale Versorgungsziele für die Gesellschaft und den Rettungsdienst zu definieren, um die Disposition der Einsatzmittel nach Dringlichkeit und Lebensbedrohung zu gewährleisten. Erweiterte Versorgungskomponenten, z. B. eCPR, können unter bestimmten Rahmenbedingungen sinnvoll sein. Diese sollen aber außerhalb von Pilotprojekten nur bei entsprechender Evidenz zum Einsatz kommen.
Prävention schließt darüber hinaus auch Bildung in den unterschiedlichen Stufen des Bildungssystems von der Kita über die Grundschule, weiterführende Schule und die hochschulische Bildung ein. Prävention umfasst darüber hinaus grundlegende Informationen zum Gesundheitswesen in Deutschland, der Notfallrettung sowie Angebote zu lebensrettenden Sofortmaßnahmen zur Etablierung eines allgemeinen und wirkungsvollen Ersthelfersystems, was den Aspekt der Telefonreanimation als Teil der Förderung der Gesundheitsqualifikation der Bevölkerung umfasst. Dies kann auch zur Mündigkeit einer Gesellschaft beitragen, bedarfsgerecht Versorgungsstrukturen des Gesundheitssystems auszuwählen und aufzusuchen.
Eine flächendeckende ambulante (haus‑)ärztliche Versorgung, auch in ländlichen Regionen, stellt die Basis für eine enge Patientenbindung dar. Mit einer koordinierten oder unter den ambulanten Gesundheitsdienstleistern abgestimmten Versorgung kann der stationäre Bereich und damit auch der Rettungsdienst deutlich entlastet werden. Die 24/7-Vorhaltung eines kassenärztlichen Bereitschaftsdiensts könnte hier ein Lösungsansatz sein, um den Rettungsdienst vor unnötigen Einsätzen zu schützen. Viele Menschen kennen das Gesundheitssystem nicht in Gänze oder kennen aufgrund ihrer Herkunft kein Hausarztsystem. Für diese Menschen wäre hier in Akutfällen eine erste Anlaufstelle gegeben, die dann auch PatientInnen weiter in geregelte Versorgungsstrukturen führen kann.

Lösungsansätze zusammengefasst

  • Der reaktive Grundcharakter des Rettungsdiensts muss um aufsuchende und systemergänzende Versorgungskomponenten mit z. T. präventivem Charakter erweitert werden.
  • Alternative und präventive Versorgungsangebote sind zu identifizieren, zu entwickeln und dem Rettungsdienst sowie anderen Akteuren im Gesundheitswesen zuzuordnen.
  • Identifikation und Definition von zentralen Versorgungs- und Qualitätszielen zur bedarfs- und ressourcengerechten außerklinischen Versorgung.
  • Die Bildung über das Gesundheitssystem Deutschlands, die Notfallrettung und lebensrettende Sofortmaßnahmen ist ein Grundpfeiler einer Präventionsstrategie und der Etablierung eines allgemeinen Ersthelfersystems.
  • Eine flächendeckende besser koordinierte ambulante Versorgung durch z. B. eine 24/7-Bereitschaftsdienst und andere außerklinische Gesundheitsdienstleister entlastet Kliniken und den Rettungsdienst.

These 3: Durchgängige digitale Rettungskette und interoperabler Datenaustausch

Eine Digitalisierungsstrategie sichert die Rettungskette. Ein bundesweites Notfallregister muss etabliert werden. Dieses muss die außerklinischen und klinischen Versorgungsstrukturen berücksichtigen und mit den wichtigen Qualitätsregistern verknüpft sein.
Ein interoperabler Datenaustausch in Echtzeit zwischen der integrierten Leitstelle, dem Rettungsdienst, den Kliniken, dem ambulanten Sektor und Apotheken muss zukünftig umgesetzt werden.
Lösungsansätze:
Die vielfältigen Aufgaben der präklinischen Gesundheitsdienstleister erfordern einen Datenaustausch in Echtzeit, um Kommunikationshürden zu überwinden und Wissenslücken zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung oder Behandlung auch am Ort des Geschehens zu ermöglichen. Damit diese Daten in unterschiedlichen Anwendungen direkt weiterverarbeitet werden können, ist die Interoperabilität der Daten zu garantieren. Die Potenziale einer digitalen Rettungskette ermöglichen eine Steigerung der Patientensicherheit und die Entwicklung einer evidenzbasierten Disposition der Rettungsmittel und alternativer Interventionsangebote sowie eine kontinuierliche Qualitätssicherung. Um Entscheidungen über Systemanpassungen und Prozessanpassungen bedarfsgerecht treffen zu können, werden Informationen über den kompletten Versorgungsprozess von PatientInnen benötigt. Dabei müssen die präklinische, rettungsdienstliche und die klinische Versorgung in einem Datensatz ausgewertet werden können. Dies erlaubt wichtige Rückschlüsse auf die Qualität unseres Gesundheitssystems und bildet die Grundlage für weitere Verbesserungen.
Die Politik ist dazu aufgefordert die rechtlichen Rahmenbedingungen hierfür bundeseinheitlich zu schaffen, damit eine geeignete Plattform für die digitale Rettungskette und den digitalen Kommunikationsserver entwickelt und umgesetzt werden kann. Eine Vernetzung mit etablierten Qualitätsregistern und Datensätzen, wie beispielsweise dem MIND- oder AKTIN-Datensatz, ermöglicht die detaillierte und spezifische Auswertung relevanter Indikatoren, wie z. B. Optimierung der Einsatzzuteilung, Ressourcenlenkung (Technik, Personal), Qualität der Patientenversorgung und Patientensicherheit. Ein kontinuierlicher Datenaustausch in Echtzeit ist für eine lückenlose Rettungskette erforderlich, damit die integrierte Leitstelle (ILS) ihren Koordinationsauftrag der Rettungs- und Versorgungsmittel und den zukünftigen Auftrag als Gesundheitsleitstelle, neben der Steuerung der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr auf Basis einer transparenten Datengrundlage aller beteiligten Gesundheitsdienstleister, wahrnehmen und erfüllen kann. Eine dafür geeignete Plattform ist auf Bundes- und Landesebene zu schaffen.

Lösungsansätze zusammengefasst

  • Entwicklung und Umsetzung einer bundesweiten Digitalisierungsstrategie als zentrales Notfallregister und eines interoperablen Datenaustauschs für eine nahtlose Notfallversorgung in der Rettungskette.
  • Schaffung einer gemeinsamen und transparenten Datenplattform zur bundesweit einheitlichen Notfallversorgung.
  • Vernetzung von unterschiedlichen Daten- und Informationssystemen für die angemessene Ressourcenallokation und Ertüchtigung der ILS mit Funktionen einer Gesundheitsleitstelle (vgl. These 4).
  • Anpassung der Rettungsdienstgesetze zur versorgungssektorenübergreifenden Nutzung anonymisierter Daten im Notfallregister und in den Datensätzen.

These 4: Integrierte Leitstellen und vernetzte Gesundheitsdienstleistung

Der erste medizinische Kontakt muss alle Versorgungsbedarfe steuern und/oder behandeln!
Die integrierte Leitstelle muss weiterhin den Bereich Brand‑, Katastrophen- und Bevölkerungsschutz abdecken. Die jetzige integrierte Leitstelle muss zu einer Gesundheitsleitstelle weiterentwickelt werden! Sie hat ein taktisches Weisungsrecht gegenüber den vernetzten Gesundheitsdienstleistern!
Lösungsansätze:
Die europaweit gültige Notrufnummer 112 deckt Feuerwehr und Rettungsdienst ab und bleibt erhalten. Die 116 117 ist flächendeckend über eine integrierte Leitstelle (ILS) oder über eine bundeseinheitliche Schnittstelle in den ILS vernetzt. Die Klärung der Zuständigkeiten und Weisungsbefugnisse ist herbeizuführen. Die ILS ist ein multiprofessioneller Arbeitgeber (z. B. Feuerwehr, Rettungsdienst, ärztliche Kompetenz, ambulante Versorgung, Administration etc.) mit dem Ziel, Versorgungsleistungen bedarfsorientiert zuzuordnen und unterschiedliche Gesundheitsdienstleister sowie die kommunale Gefahrenabwehr mit einem bidirektionalen Informationsaustausch zu vernetzen und zu koordinieren.
Dafür ist einerseits die Entwicklung eines eigenständigen Berufsbilds LeitstellendisponentIn mit einem eindeutigen Kompetenzpaket zu bestimmen und eine strukturierte Ausbildung und Fachweiterbildung (vgl. These 6) zu entwickeln und umzusetzen. Andererseits ist die Verfügbarkeit weiterer (tele‑)medizinischer Kompetenzen und fachärztlicher Beratungsangebote sowie Leistungsangebote von vernetzten Dienstleistern für PatientInnen, für LeitstellenmitarbeiterInnen, für NotärztInnen und NotfallsanitäterInnen in Kooperationen mit Kooperationsverträgen, z. B. für Videosprechstunden, vorzuhalten. Eine verzahnte Notfallversorgung zwischen dem Telenotarzt, der Klinik mit der zentralen Notaufnahme oder dem integrierten Notfallzentrum und weiteren Fachdisziplinen, wie Gynäkologie, Toxikologie, Pädiatrie usw., aber auch dem Praxis- und Terminservice, dem kassenärztlichen Bereitschaftsdienst usw. ist für die Patientensicherheit und alternative Versorgungsangebote (vgl. These 6; 7; Vierte Stellungnahme und Empfehlung zur Reform der Akut- und Notfallmedizin der Regierungskommission, 13.02.2023) erforderlich. Deutschlandweit ist dafür ein Telenotarzt in der Leitstelle vorzusehen und als medizinische Rückfallebene für die Notrufabfrage und Notfallversorgung zu implementieren. Für spezialisierte oder fachärztliche Fragestellungen ist eine telemedizinische Anbindung der umfassenden Notfallversorger der Kliniken zu integrieren.

Lösungsansätze zusammengefasst

  • Die Integrierte Leitstelle steuert und koordiniert alle Versorgungsbedarfe von Hilfesuchenden.
  • Die Notrufnummern 112 und 116 117 werden flächendeckend in den ILS oder im Verbund mit den Vermittlungszentralen der KV vernetzt.
  • Einheitliche Rahmenbedingungen für eine entscheidungs- und handlungsfähige ILS insbesondere mit Weisungsbefugnissen gegenüber allen Partnern in der zeitkritischen Notfallversorgung sollten zwischen den Bundesländern und dem Bund in ihren jeweiligen Zuständigkeiten erarbeitet und verbindlich festgelegt werden. Die ILS ordnen mit Weisungsbefugnis unterschiedliche Gesundheitsdienstleistungen der Dienstleistungspartner den Versorgungsbedarfen der PatientInnen zu.
  • Der ILS stehen weiterführende (tele‑)medizinische Interventionsangebote und fachärztliche Beratungsangebote für PatientInnen und rettungsdienstliches Fachpersonal zur Verfügung.
  • Für die ILS sind als multiprofessioneller Arbeitgeber ein eindeutiges Berufsbild LeitstellendisponentIn und dazugehörige Kompetenzpakete zu bestimmen und eine strukturierte Ausbildung und Fachweiterbildung zu entwickeln und umzusetzen.
  • Deutschlandweit ist ein Telenotarzt in der ILS vorzusehen und als medizinische Rückfallebene für die Notrufabfrage und Notfallversorgung zu implementieren.
  • Die ILS verfügt über ein breiteres Spektrum an Einsatzmitteln, um die Anforderungen der PatientInnen adäquat und effizient zu erfüllen.

These 5: Personalbindung und -entwicklung

Attraktive Tätigkeitsprofile und Entwicklungsmöglichkeiten schaffen Perspektiven zum Verbleib der RettungsdienstmitarbeiterInnen in der Notfallversorgung. Arbeitszeitformen sind lebensphasen- und familiengerecht zu flexibilisieren und die MitarbeiterInnenzufriedenheit ist mit einer werteorientierten Führungs- und Arbeitskultur zu fördern. Eine mitarbeiterInnen- und aufgabenorientierte Führungskultur erfordert eine verpflichtende und staatliche anerkannte Führungskräfteentwicklung.
Lösungsansätze:
Tätigkeitsprofile sind im Rahmen der Berufs- und Handlungsfeldanalyse (vgl. These 1) zu identifizieren und abzugrenzen sowie in entsprechenden Fachweiterbildungen zu verorten. Ziel dieser Fachweiterbildungen muss es sein, entwicklungsfähige und -willige Mitarbeitende in der Patientenversorgung zu halten. Die zu beobachtende Ausdifferenzierung der rettungsdienstlichen Reaktionsmöglichkeiten ist in Entwicklungsperspektiven für Rettungsdienstpersonal zu überführen und Fachspezialisierung, wie GemeindenotfallsanitäterIn, pädiatrische Spezialisierung, Intensivtransport oder Luftrettung, sind weiter auszubauen. Die Schaffung der integrierten Notfallzentren als „gemeinsamer Tresen“ der Patientenversorgung schafft ein wichtiges Potenzial der Beteiligung und Einbindung des Rettungsdiensts im Zusammenspiel mit den ILS.
Erforderliche Führungskompetenzen und -ressourcen sind an die gestiegenen Qualitäts- und Personalbedürfnisse anzupassen, da der Verbleib vieler im Rettungsdienst tätigen KollegInnen sehr gering ist: „Knapp 20 % der Auszubildenden will unmittelbar nach der Ausbildung nicht mehr im originären Rettungsdienst arbeiten und knapp die Hälfte der Befragten geht nicht davon aus, länger als 10 Jahre im Beruf zu bleiben.“ [2]. Mit einer zeitgemäßen werte- und mitarbeiterorientierten Führung sollen Drop-out-Effekte reduziert werden. Die entsprechende Führungskultur ist systematisch in staatlich anerkannten Angeboten zur Führungskräfteentwicklung zu fördern. Schlüsselposition, wie Referats- und AbteilungsleiterIn, sind hier vorzusehen und eine Klaviatur stimmiger Qualifizierungsbezeichnungen zu DienstellenleiterInnen, RettungsdienstleiterInnen oder RettungswachenleiterInnen o. ä. ist als übergeordnetes Instrumentarium zu bestimmen und curricular zu entwickeln. Die Qualifikation von Führungskräften im Rettungsdienst ist durch staatlich anerkannte Weiterbildungen oder über hochschulische Angebote zu gewährleisten.
Eine systematische Führungskräfteentwicklung kann damit als Voraussetzung zur Umsetzung einer zeitgemäßen Personalführung gesehen werden. Jobsharing und Jobrotation, Lebensarbeitszeitkonten, Altersteilzeit und flexible Schichtmodelle bieten Anpassungsmöglichkeiten an verschiedene Lebensphasen und -entwürfe, worunter besonders auch das Thema „Frauen im Rettungsdienst“ und die Möglichkeit des Wiedereinstiegs nach einer Elternzeit fällt. Analog zur Berufsfeuerwehr und Polizei sind den Führungskräften des Rettungsdiensts angepasste Ruhestands- und Lebensarbeitszeitregelungen für das Rettungsfachpersonals an die Hand zu geben, da der Verbleib der KollegInnen bis zum 67. Lebensjahr im aktiven Rettungsdienst nicht möglich ist.

Lösungsansätze zusammengefasst

  • Tätigkeitsprofile sind im Rahmen der Berufs- und Handlungsfeldanalyse zu identifizieren und abzugrenzen sowie in entsprechende Fachweiterbildungen in Fachspezialisierungen zu überführen.
  • Führungskräfteentwicklung im Rahmen von staatlich anerkannten Weiterbildungsangeboten ist mit stimmiger Qualifizierungsbezeichnung, z. B. RettungsdienstleiterIn usw., curricular zu entwickeln und umzusetzen. Die dafür gesetzlichen Voraussetzungen zur staatlichen Anerkennung müssen geschaffen werden.
  • Zeitgemäße und familiengerechte Formen der Arbeitszeitgestaltung und Schichtmodellgestaltung sind zu entwickeln.
  • Gesetzlich angepasste Ruhestands- und Lebensarbeitszeitregelungen für das Rettungsfachpersonal sind analog zur Polizei und Feuerwehr umzusetzen.

These 6: Berufs- und Qualifikationsniveaus

Basierend auf den Bedingungen des Berufsfelds und den daraus abgeleiteten Versorgungsbedarfen müssen unterschiedliche Berufe und Qualifikationen auf differenzierten Niveaustufen entwickelt und etabliert werden. Der Rettungsdienst benötigt ein mehrstufiges, horizontal und vertikal durchlässiges Aus- und Weiterbildungssystem, um den Anforderungen der beruflichen Handlungsfelder bestmöglich gerecht zu werden.
Lösungsansätze:
Die sich zunehmend ergebende Diversität der Einsatzbilder und die Zunahme der sog. Fehl- und Bagatelleinsätze erfordern einen veränderten taktischen Einsatz der Rettungsmittel, z. B. als taktischer Notfall-KTW, und deren bedarfsgerechte personelle Besetzung. Veränderte Einsatzrealitäten erfordern aber auch eine an die berufliche Wirklichkeit adaptierte Anpassung der curricularen Vorgaben für die Ausbildung der erforderlichen Fachkräfte. Neben einer technischen Einstiegsqualifikation für FahrerInnen von Rettungsmitteln muss es eine erweiterte, z. B. einjährige Zwischenqualifizierung geben, um die Lücke zwischen RettungssanitäterInnen und NotfallsanitäterInnen zu schließen. Diese Qualifikation verfügt über ausreichend medizinische Kompetenzen, einen Krankentransport fachgerecht zu begleiten, aber auch bei einem Notfall zu sondieren und kritische Situationen zu erkennen bzw. eine Erstversorgung bis zum Eintreffen weiterer Rettungsmittel zu übernehmen. Die Qualifizierungen in der Notfallversorgung müssen modular gegliedert sein und aufeinander aufbauen, sodass eine Durchgängigkeit von der Grundqualifizierung bis hin zum/zur NotfallsanitäterIn möglich ist. Im Sinne des erweiterten Einsatzspektrums mit systemergänzenden Versorgungskomponenten (z. B. GemeindenotfallsanitäterIn o. ä.) ist die Professionalisierung im Rettungsdienst mit adäquaten Fachweiterbildungen bzw. akademischen Bildungsangeboten und attraktiven Stellenentgelten bzw. Arbeitszeitmodellen zu verbinden (vgl. These 5). Entsprechende Fortbildungs- und Entwicklungsbedarfe sind zu ermitteln. Qualifizierungsangebote und Prüfungen sind bundesweit zu vereinheitlichen. Der Rettungsdienst wird bislang meist als Teilbereich der Medizin verstanden, was seinem Aufgabenspektrum nur zum Teil gerecht wird. Wissenschaftliche Arbeit und Forschung im Kontext des Rettungsdiensts als eigener disziplinärer Kontext einer Rettungswissenschaft muss deshalb in Form von Projekten und der strukturellen Entsprechung in der Hochschullandschaft gefördert werden (Abb. 2).
Weiterhin muss eine regelmäßige Evaluation der Kompetenzen aller an der außerklinischen Notfallversorgung beteiligter Qualifikationen und auf allen Ebenen der Notfallversorgung zum gelebten Standard werden.

Lösungsansätze zusammengefasst

  • Bedarfsgerechter taktischer Einsatz von Einsatzmitteln und personeller Besetzung.
  • Entwicklung eines durchgängigen und mehrstufigen Qualifikationssystems, das den Versorgungsbedarfen und Einsatzrealitäten entspricht.
  • Neudenken der Qualifikationsstufen sowie des taktischen Werts von Rettungsmitteln unabhängig von den aktuellen Terminologien; dabei müssen auch neuartige Versorgungskomponenten möglich sein.
  • Einheitliche curriculare Ausrichtung der Ausbildung zum Notfallsanitäter und zur Notfallsanitäterin auf die tatsächlichen Anforderungen in der Patientenversorgung und der Einsatzrealität.
  • Systemergänzende Versorgungskomponenten erfordern adäquate Fachweiterbildungen und attraktive Stellenentgelte bzw. Arbeitszeitmodelle (vgl. These 5).
  • Fortbildungs- und Entwicklungsbedarfe sind zu ermitteln.
  • Entsprechende Qualifizierungsangebote und Prüfungen sind bundesweit zu vereinheitlichen.
  • Die Kompetenzen aller an der Notfallversorgung Beteiligten sind regelmäßig zu evaluieren.

These 7: Notarztqualifizierung und Einsatz von Notärztinnen und Notärzten

Hochqualifizierte notärztliche Kompetenz muss gezielt dort eingesetzt werden, wo sie zusätzliche Qualität in der Versorgung einbringt. Die Qualifizierung von NotärztInnen muss dementsprechend an die besonderen und hohen Anforderungen des Tätigkeitsfelds adaptiert werden.
Lösungsansätze:
Die Weiterentwicklung und Diversifizierung von Gesundheitsberufen ermöglicht einen bedarfsadaptierten Einsatz der Ressourcen, sodass, übertragen auf die notärztliche Tätigkeit, diese Ressource gezielt dort eingesetzt wird, wo dessen Kompetenzen wirklich und zielgerichtet benötigt werden. Dies kann entweder physisch am Einsatzort oder durch telemedizinische Anbindung erfolgen. Ein inflationärer Einsatz von NotärztInnen muss vermieden werden. Die Qualifikation und der Zugang zur notärztlichen Tätigkeit in der Präklinik sollte dementsprechend, vergleichbar mit den Standards in klinischen Strukturen, adaptiert und angehoben werden (vgl. [5, S. 208]), insbesondere mit Kompetenz in der Versorgung akut lebensbedrohlicher Zustände und kritisch kranker PatientInnen.

Lösungsansätze zusammengefasst

  • Der Einsatz von NotärztInnen erfolgt dort, wo spezielles ärztliches Know-how und/oder bestimmte Fertigkeiten benötigt werden, um einen Mehrwert in der Patientenversorgung zu erreichen.
  • Die Indikation für den Einsatz von NotärztInnen muss kritisch hinterfragt werden, um die Ressource gezielt und sinnvoll einzusetzen.
  • Die Qualifikation der NotärztInnen und der Zugang zur präklinischen Tätigkeit als NotärztInnen ist an einem hohen Niveau mit entsprechender notfallmedizinischer Kompetenz in der Versorgung lebensbedrohlicher Zustände und kritisch kranker PatientInnen auszurichten.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

K. Meyer, H. Dormann und T. Prescher geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de.

Unsere Produktempfehlungen

Notfall + Rettungsmedizin

Print-Titel

• Praxisorientierte Leitthemen für die optimale Behandlung von Notfallpatienten

• Interdisziplinäre Ansätze und Konzepte

• Praxisnahe Übersichten, Fallberichte, Leitlinien und Empfehlungen

Springer Pflege Klinik – unser Angebot für die Pflegefachpersonen Ihrer Klinik

Mit dem Angebot Springer Pflege Klinik erhält Ihre Einrichtung Zugang zu allen Zeitschrifteninhalten und Zugriff auf über 50 zertifizierte Fortbildungsmodule.

Literatur
2.
Zurück zum Zitat Hofmann T, Macke M (2020) Berufstreue von angehenden Notfallsanitäter*innen: Eine Befragung von Auszubildenden über ihren Berufsverbleib. Aachen: Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft im Rettungsdienst. https://www.dgre.org/download/508/. Zugegriffen: 22. Febr. 2023 Hofmann T, Macke M (2020) Berufstreue von angehenden Notfallsanitäter*innen: Eine Befragung von Auszubildenden über ihren Berufsverbleib. Aachen: Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft im Rettungsdienst. https://​www.​dgre.​org/​download/​508/​. Zugegriffen: 22. Febr. 2023
5.
Zurück zum Zitat Sachverständigenrat (2007) Gutachten 2007 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Drucksache 16/6339, S. 208 Sachverständigenrat (2007) Gutachten 2007 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Drucksache 16/6339, S. 208
Metadaten
Titel
Fürther Gespräche: Expertenforum für den Rettungsdienst mit Forderungen an Politik und Gesellschaft
verfasst von
Klaus Meyer
Prof. Dr. Harald Dormann
Prof. Dr. habil. Thomas Prescher
Publikationsdatum
13.06.2023
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Notfall + Rettungsmedizin
Print ISSN: 1434-6222
Elektronische ISSN: 1436-0578
DOI
https://doi.org/10.1007/s10049-023-01154-9